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Arktis erhitzt sichEin Drittel ist zur CO2-Quelle geworden

Seit Jahrtausenden bindet die Arktis mit ihren Mooren, Wäldern und Tundren Treibhausgase. Mittlerweile hat die Erderhitzung sie stark zerstört.

Karibus im Arctic National Wildlife Schutzgebiet in Alaska Foto: ap/dpa

Berlin taz | Die Arktis hat eigentlich immer sehr geholfen beim Klimaschutz: Jahrtausendelang haben Pflanzen durch Photosynthese CO2 gebunden. Normalerweise zersetzen Mikroorganismen die abgestorbenen Pflanzen und Tiere und setzen dabei den gespeicherten Kohlenstoff als CO2 oder unter Sauerstoffmangel als Methan wieder frei.

Nicht so in der Arktis: Hier ist es so kalt, dass die Überreste teilweise unzersetzt einfrieren und im gefrorenen Boden eingeschlossen werden, im sogenannten Permafrost. Die Hälfte des weltweit im Boden gebundenen Kohlenstoffs steckt deshalb im nördlichen Permafrost.

Weltweit nimmt die Natur etwa die Hälfte der menschlichen Emissionen auf und verlangsamt so die Erderhitzung erheblich. Wis­sen­schaft­le­r*in­nen fürchten aber zunehmend, dass Ozeane, Wälder, Böden, Moore und Co weniger Treibhausgase binden können, wenn es heißer auf dem Planeten wird.

So ist mittlerweile ein Drittel der Arktis zur CO2-Quelle geworden. Das zeigt eine Studie, die im Fachmagazin Nature Climate Change erschienen ist.

Senkenleistung der Arktis hat zugenommen

Zwar hat wegen verstärkten Pflanzenwachstums die sogenannte Senkenleistung der Arktis zwischen 1990 und 2020 zugenommen. Sie bindet also im Sommer, wenn die Pflanzen wachsen, zunehmend CO2. Aber Teile der arktischen Tundra, wo vor allem auf Permafrost Sträucher und Moose wachsen, geben mehr CO2 an die Atmosphäre, als sie herausholen.

Für die Studie haben die For­sche­r*in­nen Daten von 200 Messstationen genutzt, die von 1990 bis 2020 über Alaska, Kanada, Nordeuropa und Sibirien verteilt CO2-Bindung und -Ausstoß gemessen haben.

Berechnet man die Emissionen von Waldbränden mit ein, ist die Permafrostregion vielleicht sogar CO2-neutral: Die Pflanzen dort binden womöglich nur noch etwa so viel CO2, wie auch freigesetzt wird.

„Dass sich der CO2-Senkeneffekt in einigen Regionen der Tundra abschwächt oder sie vielleicht sogar bereits als CO2-Quelle fungiert – das ist neu“, sagt Julia Boike, die am Alfred-Wegener-Institut zu Permafrost forscht und an der Studie mitgeschrieben hat.

Winter sind entscheidend

Ein Grund: Die Mikroben, die im Boden Kleinststoffe zerlegen und CO2 ausstoßen, arbeiten nun auch im Winter weiter. Eigentlich war es ihnen den Großteil des Jahres über zu kalt. Aber durch die Erderhitzung werden immer tiefere Bodenschichten immer wärmer und nasser, auch im Winter. Das gefällt den Mikroben.

„Dass sich diese Prozesse im Winter fortsetzen, ist eine wichtige Erkenntnis“, sagt Forscherin und Studienautorin Boike. „Die Winter in der Arktis sind lang, dauern von September bis Mai.“ Dazu kommt, dass das Eis im Untergrund taut. Auch das kurbelt die Erwärmung des Bodens weiter an.

Vollständig können die For­sche­r*in­nen nicht erklären, warum die Senkenleistung von Teilen der Arktis so stark abgenommen hat. Sie weisen auch darauf hin, dass die Zahlen zu CO2-Bindung und -Ausstoß mit hohen Unsicherheiten verbunden sind.

Eine davon: Während in Kanada und Alaska sehr viele Instrumente stehen, um CO2-Bindung und -Emissionen zu messen, mussten sich die For­sche­r*in­nen für Sibirien auf weniger Daten verlassen. Das sei ein großes Problem, schreiben die Studienautor*innen, denn in Sibirien wachsen sowohl CO2-Ausstoß als auch CO2-Bindung am stärksten. Im sibirischen Boden steckt die Hälfte des im arktischen Permafrost gebundenen CO2.

Forscherin Boike weist darauf hin, dass Waldbrände in der Arktis nicht nur CO2 freisetzen. Sie schaden auch dem Permafrost, weil intakte Wälder den Boden isolieren. „Waldverluste können zu erheblicher Erwärmung und Veränderungen im Wasserhaushalt führen“, erklärt sie. Das beeinflusse die Stabilität des Permafrosts und wichtige Ökosystemfunktionen wie Kohlenstoffspeicherung und Feuerdynamik.

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