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Die FDP redet sich raus

FDP Die Freidemokraten weisen der Union die Schuld am Wahldebakel zu

BERLIN taz | Die Freidemokraten freuen sich derzeit schon über kleine Dinge. Deren Wahlleute erklärten unisono, sie hätten nahezu geschlossen für Christian Wulff gestimmt. Die vier Gauck-Befürworter in den eigenen Reihen seien bereits vor der Abstimmung bekannt gewesen. Doch vermutlich greift die Schuldzuweisung an die Union zu kurz.

Selbstkritisch zeigte sich der sächsische FDP-Vorsitzende Holger Zastrow. „Fakt ist: Schwarz-Gelb hat riesige Probleme. Wir haben im letzten halben Jahr eine schlechte Politik gemacht“, bilanzierte Zastrow, von dessen Landtagsfraktion die drei namentlich bekannten Wahlmänner aufgestellt worden waren, die abweichend von der Koalitionslinie gestimmt hatten. Ein vierter FDPler soll sich Parteichef Westerwelle anvertraut haben, so Zastrow. Weitere Abweichler in ihren Reihen hätte es nicht gegeben. „Deswegen liegt der Ball sicherlich bei den Konservativen“, sagte Zastrow.

Der sächsische FDP-Chef kritisierte, dass bis zuletzt viele Delegierte aus dem Regierungslager nicht für Wulff votiert haben. „Heimlich in die Wahlkabine zu gehen und dort sein Mütchen zu kühlen“ sei sicherlich nicht der richtige Weg. Für die Koalition heiße dies, so Zastrow: „In Berlin muss man sich endlich zusammenreißen, endlich auf Augenhöhe und fair miteinander umgehen.“

Parteichef Guido Westerwelle sah dagegen in der Tatsache, dass es drei Wahlgänge für Wulff gegeben hat, „keinerlei Belastungen“ für die Koalition, wie er am Donnerstag in Berlin erklärte. In der Partei selbst herrscht aber großer Unmut über Westerwelles Verhalten – schon bei der Suche nach einem Kandidaten für Schloss Bellevue. Viele FDPler monieren, der Parteichef habe nicht ausgelotet, ob ein Kandidat wie der Ex-Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt Chancen gehabt hätte, von Schwarz-Gelb aufgestellt zu werden. Westerwelle hatte kurz nach Horst Köhlers Rücktritt erklärt, er lasse der Bundeskanzlerin bei der Suche nach einem Nachfolger freie Hand.

Die Parteibasis schreibt ohnehin ihrem Chef die Verantwortung für den rapiden Ansehensverlust der Partei seit der Bundestagswahl zu. Mit Sorge blicken daher viele Funktionäre auf Baden-Württemberg. In der FDP-Hochburg stehen im März 2011 Landtagswahlen an.

MATTHIAS LOHRE

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