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Wir sind auch eine Supermacht

Zwischen „Kapitalistenpisse“ und Öko-Catering fand am Wochenende der Kongress McPlanet.Com von Attac, BUND und Greenpeace statt. 1.500 Teilnehmer diskutierten über Umwelt, Globalisierung, altbekannten Feinde und neue Lösungen

von KATHARINA KOUFEN

Wer sind unsere Feinde? Und was können wir gegen sie tun? Zwei Fragen, die als roter – besser: grüner – Faden den Kongress „McPlanet.com“ am Wochenende in Berlin durchzogen. Frage eins war meist sofort beantwortet: Unsere Feinde sind der Neoliberalismus und die USA. Manche Teilnehmer wurden auch präziser und sprachen von „der Bush-Admistration“ oder „der imperialistischen Bush-Administration“ oder „der neokonservativen Bush-Administration“ oder der „von der Lobby der Konzerne getriebenen US-Regierung“.

Frage zwei zu beantworten fiel den rund 1.500 Teilnehmern der Veranstaltung von Attac, BUND und Greenpeace weitaus schwerer. Eine einfache Antwort: Boykottaufrufe. „Boykottiert die Kapitalistenpisse“, klebte auf dem Cola-Automaten im Foyer des Kongresszentrums, der Technischen Universität Berlin. Wer sich trotzdem ein kühles Getränk nicht verkneifen konnte, musste sich schon mal zurechtweisen lassen: Es gibt auch Öko-Getränke! So standen die Kongressler denn auch klaglos in der langen Schlange vor dem „Bio-Catering“ im Innenhof, während der Würstchen- und Cola-Verkäufer vor dem Eingang („der gehört nicht zu uns“) kein besonders gutes Geschäft machte.

In den Foren und Workshops suchten die meist sehr jungen Teilnehmer und die Referenten nach weiter greifenden Antworten auf Frage zwei. Etwa: die Fixierung auf Wirtschaftswachstum hinterfragen. Ulrich Brand von der „Bundeskoordination Internationalismus“: „Der Staat will Wachstum gewährleisten. Es liegt also in seinem Interesse, um jeden Preis Konsum-Bedürfnisse zu erwecken und Geldverdienen zu fördern, ohne nach dem Sinn zu fragen.“

Oder: Dem neoliberalen Abbau des Sozialsstaats entgegenwirken – etwa durch einen globalen Fonds, der gespeist werden könnte aus einer Kerosin und/oder einer Tobin-Steuer auf Devisengeschäfte. Gleichzeitig, so BUND-Mitarbeiter Martin Rocholl, könnte die Europäische Union die USA für ihren Boykott mulitnationaler Vereinbarungen wie das Kioto-Klimaschutzprotokoll strafen und „Einfuhrzölle erheben gegen Waren, die energieintensiv hergestellt werden von Ländern, die Kioto nicht unterschrieben haben“.

Diskutiert wurde auch die Frage: Müssen wir unsere Strategien ändern, weil die Globalisierung durch den 11. September offensichtlich gebremst wurde? Weil die USA seitdem ihre Umweltpolitik auch als Teil ihrer Sicherheitspolitik verstehen – schließlich können Umweltkatastrophen zu Ursachen für Krieg und Gewalt werden? Weil der Universalismus „zu Ende“ ist, wie Hermann Ott vom Klima-Institut Wuppertal ausführte?

Seine Antwort: Ja. Statt auf das Einvernehmen aller zu setzen, muss es mehr „willige Koalitionen“ aus einzelnen Staaten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) geben, die ein Projekt vorantreiben. Beispiel: Der internationale Strafgerichtshof, der von einigen Staaten und NGOs gemeinsam gefordert wurde. Ott: „Dies war erfolgreich gegen die USA, und das ist ja entscheidend.“ Und: Die NGOs sollen noch stärker Bündnisse bilden und sich professionalisieren.

Helfen wird dabei der Glaube an die eigene Stärke, wie ein Teilnehmer es am Samstagabend formulierte: „ Es gibt doch noch zwei Supermächte – die USA und die Zivilgesellschaft.“

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