: Grünen-Chef Bütikofer kriegt sein Fett weg
Kritik an Verhandlungstaktik bei Zuwanderung. Grüne aus NRW, Berlin und Potsdam setzen Sonderländerrat durch
BERLIN taz ■ Er sieht gut aus, frisch und jung. Reinhard Bütikofer hat in den letzten Wochen kräftig abgenommen. Gestern jedoch wirkte der Chef der Grünen leicht zerzaust. Der Tag nach dem Zuwanderungskompromiss mit der Union war kein guter Tag für ihn – obwohl die meisten Grünen dem Gesetz zustimmen werden.
In der Sondersitzung der grünen Bundestagsfraktion musste sich Bütikofer harte Kritik anhören. Interessanterweise richtete sich der Unmut weniger gegen das inhaltliche Gesamtergebnis (das fast alle grummelnd akzeptierten) als gegen das Verfahren. Die Ex-Fraktionschefin und heutige Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, nannte Bütikofers Verhandlungsmanagement „unprofessionell“.
Dem Parteichef wird angelastet, dass die Grünen bei den abschließenden Verhandlungen nicht mehr dabei waren. Er habe es bei der entscheidenden Gesprächsrunde im Kanzleramt versäumt, auf eine Beteiligung der Grünen bis zum Schluss zu bestehen. So sei ein „verheerender Eindruck“ entstanden, weil Innenminister Otto Schily (SPD) die Abschlusseinigung mit der Union allein austüfteln und verkünden konnte, sagte der Abgeordnete Winfried Hermann.
Kritik am Verfahren äußerten gestern auch Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele („Das war sicherlich ein Fehler“) und, was besonders aufmerksam registriert wurde, die frühere Parteivorsitzende Claudia Roth, die im Oktober in ihr altes Amt zurückkehrt, um die zurückhaltende Angelika Beer abzulösen. Für Bütikofer gehen die gemütlichen Zeiten als Alleinherrscher dann zu Ende.
Doch damit nicht genug: Gestern Nachmittag setzten die Landesverbände Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg durch, dass es einen Sonderländerrat zum Zuwanderungsgesetz geben wird – voraussichtlich am 3. Juli in Berlin. Mit dem kleinen Parteitag soll die Basis besser in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Schließlich hatte der Länderrat auch die grünen Kriterien für ein Zuwanderungsgesetz festgelegt, gegen die an einigen Punkten verstoßen wurde. Ein Aufstand, der das Gesetz noch verhindern könnte, ist allerdings nicht zu erwarten.
Die Landesvorstände von NRW und Brandenburg empfahlen Zustimmung zu dem Gesetz. „Wir wollen nach vorne diskutieren“, sagte Brandenburgs Grünen-Chef Joachim Gessinger der taz. Der Länderrat solle ein Zeichen geben, dass sich die Grünen für weitere Verbesserungen in der Migrationspolitik einsetzen.
Klare Ablehnung kam nur aus Berlin. „Das Zuwanderungsgesetz ist nicht zustimmungsfähig“, sagte Landeschef Till Heyer-Stuffer. Er kritisierte vor allem die Verschärfungen beim Ausweisungsschutz und die Androhung von Sanktionen im Integrationsbereich. LUKAS WALLRAFF
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