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Recht auf das eigene Tierbild

Undercover-Journalist Friedrich Mülln hat gestern vor Gericht das öffentliche Interesse an seinen Tierlabor-Aufnahmen bei Covance verteidigt. Rückendeckung gab es am Vortag von Günter Wallraff

VON KLAUS BRANDT UND NATALIE WIESMANN

Etwa 100 Tierschützer haben sich gestern vor dem Hammer Oberlandesgericht (OLG) versammelt, um gegen das Münsteraner Tierversuchslabor Covance Laboratories zu protestieren. Drinnen wurde verhandelt, ob Undercover-Journalist Friedrich Mülln seine heimlichen Filmaufnahmen bei der Firma in Zukunft der Öffentlichkeit zeigen darf oder nicht.

Das Landgericht Münster hatte zuvor ein generelles Publikationsverbot ausgesprochen und in der Verwendung des illegal erstellten Materials einen unzulässig Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Unternehmens gesehen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit müsse zurückstehen, da Covance eine offizielle Genehmigung für Tierversuche erteilt worden sei. Darüber hinaus unterliege die Firma der staatlichen Aufsicht, die keine gravierenden Verstöße gegen das Tierschutzgesetz festgestellt habe, meinte das Landgericht.

An dieser Begründung hat jedoch das OLG heute grundsätzliche Zweifel. Der vorsitzende Richter, Reinhard Baur, machte deutlich, dass auch „Fehlentwicklungen und Missstände unterhalb des rechtswidrigen Handelns“ von einem berechtigten öffentlichen Interesse sei. Außerdem spiele eine Rolle, dass der Tierschutz nunmehr Verfassungsrang habe. Drei Stunden lang wurde verhandelt, bei Redaktionsschluss stand der Beschluss noch nicht fest.

Am Vortag zeigte Mülln bei seiner Pressekonferenz Fotos aus dem Labor: „Covance hat bei der einstweiligen Verfügung das Fotomaterial vergessen.“ Zu sehen sind darauf verwahrloste, verletzte, tote Primaten. „Kein Affe verlässt Covance lebend“, sagt er. Jungtiere werden für Versuche ab dem zweiten Tag ihrer Mutter entrissen und bekommen als Ersatz eine Farbrolle in den Käfig gelegt. Schwangere Tiere werden zur Einführung von toxischen Substanzen in so genannte Primatenstühle eingespannt. „Pfleger bewegen sich beim Einführen von Schläuchen zu lauter Techno-Musik“, erzählt Mülln weiter. Das habe oft zur Folge gehabt, dass der Schlauch fälschlicherweise in die Lunge geführt wurde und die Tiere erstickten. Beim Wurf der Affen in den Käfig werde hin und wieder eine Schwanzspitze abgeschlagen. „Die Tierpfleger sind überfordert“, analysiert er. Covance hätte in seiner Zeit dort nur einen staatlich geprüften Tierpfleger angestellt, die anderen seien nur angelernt gewesen.

Der Undercover-Journalist erhält an diesem Tag prominenten Beistand: Günter Wallraff stärkt dem Kollegen den Rücken, vor dessen Kampf er „ganz großen Respekt hat“. Er sieht in Müllns Kampf gegen Covance Parallelen zu seinen eigenen Prozessen. Wallraff fordert die JournalistInnen zu mehr Mut auf: „Stellen Sie die Konzernspitze immer wieder zur Rede, fordern sie Einlass in die Versuchsräume!“

Während Covance in Deutschland sein Konzerninteresse gegen das der Öffentlichkeit bisher durchsetzen konnte, siegten die Tierschützer in anderen Ländern gegen das mächtige Unternehmen: In der Schweiz können Journalisten Fotos aus dem Labor veröffentlichen, in Spanien erreichten es die Tierschützer, dass Covance seine Aufzucht dort nicht weiter betreiben kann.

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