: Unter muslimischem Etikett
Türkische Regierung wirbt für Truppenstationierung im Irak. Auch Pakistan zeigt Interesse.Neueste Idee: Einsatz unter dem Kommando der „Organisation Islamische Konferenz“ (OIC)
ISTANBUL taz ■ „Wir werden nicht als Besatzer, sondern nur als Freunde des irakischen Volkes unsere Soldaten in den Irak schicken.“ In einem Interview mit der Zeitung Milliyet versuchte Außenminister Abdullah Gül der widerstrebenden Öffentlichkeit ein türkisches militärisches Engagement im Irak damit schmackhaft zu machen, dass die muslimische Welt ihre Verantwortung für eine Normalisierung im Irak unabhängig von den USA wahrnehmen muss. Die neueste Idee ist die Entsendung von Truppen aus unterschiedlichen muslimischen Ländern unter dem Kommando der „Organisation Islamische Konferenz“ (OIC), ein loser Zusammenschluss fast aller islamischer Länder.
Tatsächlich geht es aber hauptsächlich um türkische und pakistanische Truppen, die unter dem muslimischen Etikett in den Irak einrücken sollen. Vor allem die pakistanische Führung drängt darauf, eine unverfängliche Legitimation für einen Truppeneinsatz zu bekommen. Im Gespräch mit der Turkish Daily News erklärte Staatschef General Pervez Musharraf, Pakistan sei zwar im Prinzip bereit, Truppen zu entsenden. Allerdings brauche man ein entsprechendes Umfeld, das durch eine Anfrage des OIC oder des Golf-Kooperationsrates geschaffen werden könnte. Nach Informationen des Nachrichtensenders NTV stehen die USA einer Einbeziehung der OIC allerdings sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber.
Ein schwerer Zwischenfall im nordirakischen Kirkuk hat der Regierung in Ankara nun neue Argumente für einen Einsatz im Irak geliefert. Zusammenstöße zwischen Kurden und Turkmenen forderten von Freitag bis Sonntag 13 Todesopfer, davon 10 Turkmenen. Nach Informationen türkischer Zeitungen wurden die Unruhen ausgelöst, als Kurden der Patriotischen Union Kurdistans in Tuzhurmato, südlich von Kirkuk, einen Schrein schiitischer Turkmenen zerstörten, den diese gerade wieder aufgebaut hatten. Zwar sollen türkische Truppen nicht im Nordirak stationiert werden, sondern westlich und nördlich von Bagdad, aber der Nordirak könnte die Zone für die mit der Türkei eng verbundenen pakistanischen Truppen werden. Musharraf bestätigte jedenfalls, dass das Pentagon unter anderem den Nordirak als pakistanische Zone vorgeschlagen habe und Pakistan, wenn überhaupt, dann dorthin gehen wolle.
In der Türkei wartet man nun gespannt auf die Sondersitzung des Parlaments, die Anfang September stattfinden soll. Die Basis der regierenden AK-Partei ist nach wie vor ganz überwiegend gegen einen Einsatz im Irak, wenn dieser nicht auf ausdrücklichen Wunsch aus dem Irak oder eben auf Einladung des OIC stattfindet. Die türkische Regierung ist sich bewusst, dass eine neuerliche Ablehnung von militärischer Hilfe im Irak durch das Parlament die Beziehungen zu den USA erheblich belasten würde. Man wird deshalb dieses Mal massiven Druck auf die Abgeordneten ausüben und ihnen gleichzeitig eine Argumentationshilfe gegenüber ihren Wählern anbieten. In den kommenden Tagen werden deshalb Vertreter des von den USA eingesetzten irakischen Regierungsrates in Ankara erwartet, die den Abgeordneten erklären sollen, dass ein türkischen Engagement im Interesse der irakischen Bevölkerung ist.
JÜRGEN GOTTSCHLICH
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