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Glaube, Pille, Hoffnung

Viele mittelalte Frauen versprechen sich von Hormonpillen ein jugendlicheres Aussehen. Doch bewiesen ist nichts

von BARBARA DRIBBUSCH

Schauspielerinnen wie Iris Berben sind die Vorbilder: sanft ausgeleuchtet, lachend mit zurückgelegtem Kopf fotografiert, gilt sie als Beweis dafür, wie schön eine 53-Jährige aussehen kann. Berben schluckt regelmäßig einen „Hormoncocktail“ und träufelt sich östrogenhaltiges Haarwässerchen aufs Haupt. Dass Hormongaben aber tatsächlich ein tolles Rezept sind gegen das Altern, wird von ehemaligen Befürwortern dieser Therapien inzwischen in Frage gestellt.

„Die Illusion, das Hormone das Beste sind im Bereich Anti-Aging, müssen wir wohl aufgeben“, sagt Bernd Kleine-Gunk, Gynäkologe und Spezialist für Anti-Aging-Behandlungen im fränkischen Fürth, „das ist ein Umbruch.“

Noch bis vor kurzem warben viele Vertreter der Altersmedizin damit, dass man mit Östrogenen und Kombipräparaten aus Östrogenen und Gestagenen die Probleme der Wechseljahre gut in den Griff bekäme. Hormongaben wurden Frauen verschrieben, um der Osteoporose, dem Knochenschwund, vorzubeugen. Sie sollten gegen Schlafstörungen, Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und sexuelle Unlust helfen. Außerdem erhofften sich viele Frauen davon Schutz gegen Hautalterung und Haarausfall. „Der ästhetische Aspekt spielte in den vergangenen Jahren eine immer größere Rolle“, sagt Kleine-Gunk. Doch sowohl der medizinische als auch der ästhetische Nutzen sind inzwischen in Frage gestellt. Stattdessen ergaben jüngere Studien, dass die Hormonersatztherapien ein noch höheres Krebsrisiko in sich bergen als bislang angenommen (siehe unten).

Die Studienergebnisse haben jetzt die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft dazu veranlasst, Hormonersatztherapien nur noch nach strengsten Indikationen zu empfehlen (www.akdae.de). Die Kommission hält eine möglichst kurze Behandlung mit niedriger Dosis nur dann für angebracht, wenn die Patientin unter Hitzewallungen leidet und unter damit verbundenen Schlafstörungen. Auch bei Beschwerden an und in der Scheide kann eine Behandlung angesagt sein. Nicht empfohlen, weil nicht belegt, wird dagegen die Behandlung von Depressionen oder sexueller Unlust durch Hormone. In der Vorbeugung der Osteoporose sollen die Ärzte das Risiko gegen den Nutzen abwägen, rät die Kommission. Von den so genannten Phytohormonen, den verschreibungsfreien Sojapillen, hält die Kommission nichts, weil deren Wirksamkeit nicht belegt sei.

Allen Warnungen der Mediziner zum Trotz wird die Gabe von Östrogenen und Kombinationspräparaten aus Östrogenen/Gestagenen von den Anti-Aging-Behandlern jedoch weiterhin beworben: „Östrogene – Hormone für Haut, Haare und gute Laune“ heißt es beispielsweise auf der Website www.bleibjung.de, die unter anderem von der Dermatologin Michaela Axt-Gadermann betrieben wird. Die Haut lagere mehr Feuchtigkeit ein, weniger Haare fielen aus, wenn eine Frau Östrogene nehme, erklärt Axt-Gadermann. Doch „wissenschaftliche Studien, die solche Effekte belegen, gibt es nicht“, widerspricht Martina Dören, Professorin am Klinischen Forschungszentrum Frauengesundheit des Berliner Uniklinikums Benjamin Franklin. Selbst die Pharmaindustrie ist zurückhaltend: Zu den ästhetischen Effekten einer Hormonersatztherapie gebe es keine „eindeutigen, gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse“, räumt Astrid Forster ein, Sprecherin der Schering AG in Berlin.

Aber auch, wenn nicht wissenschaftlich korrekt erforscht ist, dass Hormone das Altern verlangsamen – der Glaube hält sich, schon allein, weil die Panik vor dem Altern so groß ist. Laut einer Umfrage im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums hat etwa ein Drittel der Frauen im Alter zwischen 45 und 60 Jahren schon mal Hormone im Zusammenhang mit den Wechseljahren eingenommen. Frauen Ende 40, die heute zu einem Frauenarzt gehen und über Stimmungsschwankungen klagen, bekommen schon bei nur etwas niedrigem Hormonspiegel anstandslos Östrogene verschrieben. Dabei stellt die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft fest, dass Depressionen in den Wechseljahren nicht häufiger auftreten als sonst auch, sofern sie nicht auf konkrete äußere Veränderungen zurückzuführen sind.

„Bei der Bewertung und Propagierung der Hormontherapie spielten – neben dem unstreitigen Wunsch, Beschwerden zu lindern – möglicherweise auch Interessen eine Rolle, die darauf ausgerichtet waren, neue Bedürfnisse, Nachfrage und Indikationen zu generieren“, heißt es kritisch in den Therapierichtlinien der Arzneimittelkommission. In der Anti-Aging-Bewegung werden Hormongaben oft als Langzeittherapien empfohlen – genau die Behandlung über viele Jahre hinweg aber gilt unter Ärzten inzwischen als zu riskant. „Das Konzept der Langzeitsubstitution ist gescheitert“, sagt Kleine-Gunk.

Ob die betroffenen Frauen das auch so sehen, bleibt abzuwarten. Schließlich rauchen Leute auch, obwohl sie dadurch Lungenkrebs kriegen, und viele Frauen legen sich unters Messer der Schönheitschirurgen, trotz der damit verbundenden Risiken. Möglich, dass der Lifestyle-Appeal der Hormonbehandlungen stärker ist als alle Warnungen vor den Risiken.

In den USA allerdings sind die Umsätze der Pharmaindustrie durch Hormonpräparate eingebrochen, seitdem die neueste Studie bekannt wurde. „Vielleicht muss man doch wieder zu den Omarezepten zurückkehren, wenn es ums Anti-Aging geht“, meint Kleine-Gunk: „Bewegung, viel Gemüse essen und nicht rauchen.“ Und das Leben ansonsten auf sich zukommen lassen.

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