: Forscher fordern Kohlendioxid-Steuer
Auf einer Konferenz in Kopenhagen gingen Experten mit den Politikern hart ins Gericht. Die weltweite Wirtschaftskrise schwächt das Engagement gegen den Treibhauseffekt. Das ist fatal. Denn das Klima wandelt sich schneller als erwartet
AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF
Erneuerbare Energien wie Wind, Wellenkraft und Photovoltaik können bis zum Jahr 2050 insgesamt 40 Prozent des weltweiten Elektrizitätsbedarfs decken. Dieses Ergebnis einer Studie der Universität Helsinki war eine der wenigen guten Nachrichten auf der am Donnerstag zu Ende gegangenen dreitägigen Klimakonferenz in Kopenhagen. Ansonsten bemühten sich rund 2.000 ForscherInnen vor allem, die politischen Entscheidungsträger, die sich am gleichen Konferenzort im Dezember zum Weltklimagipfel UNFCCC treffen wollen, mit neuesten Zahlen und aufdatierten wissenschaftlichen Erkenntnissen auf die dramatischen aktuellen Entwicklungen beim Weltklima aufmerksam zu machen.
„Das UN-Klimapanel IPCC war Gold wert“, sagt Katherine Richardson, Meeresforscherin und Klimakoordinatorin an der Universität Kopenhagen: „Aber die Zahlen sind jetzt fünf Jahre alt. Und mittlerweile haben sich auf praktisch allen Sektoren die allerpessimistischsten Szenarien bewahrheitet und wurden teilweise übertroffen.“ Das gelte für den Anstieg des Meeresspiegels (siehe taz vom 10. März), für die abnehmende Fähigkeit der Ozeane, bei steigenden Wassertemperaturen CO2 aufzunehmen und für die steigende Versauerung der Meere. Neue Studien, die die aktuelle Entwicklung mit historischen Geschehnissen in der Erdgeschichte verglichen, lassen zudem befürchten, dass die Entwicklung sich einem „tipping point“ nähere, wo sich Veränderungen sehr rasch und unkontrollierbar ereignen könnten.
„Wir haben nur noch sechs Jahre Zeit“, fasste der Vorsitzende des UN-Klimapanels Rajendra Pachauri zusammen: „Wollen wir den Temperaturanstieg auf 2 bis 2,4 Grad abbremsen, müssen wir die CO2-Konzentration auf etwa dem Niveau stabilisieren, auf dem sie heute liegt. Allenfalls ein klein wenig mehr.“ Spätestens ab 2015 dürfe dieser Wert nicht mehr steigen, sondern müsse im Gegenteil fallen.
Was hierbei die Rolle des Klimagipfels im Dezember angeht, so waren neun Monate vor dessen Beginn in Kopenhagen viele skeptische Stimmen zu hören. Die Politik beschäftige sich jetzt ja vor allem mit anderen Themen, wie der Finanz- und Wirtschaftskrise, beklagte Kevin Anderson, Forschungschef beim britischen Tyndall Centre for Climate Change Research. Die Klimafrage sei deshalb weit in den Hintergrund gerückt: „Wenn es auf ein schwaches Abkommen hinausläuft, sollten wir Forscher den Mut haben zu sagen: Das reicht nicht, geht nach Hause, verhandelt erst einmal weiter und kommt im März 2010 mit einem besseren Vorschlag wieder.“
Inhaltlich wurden zu Kioto viele Zweifel am CO2-Handelssytem laut. William Nordhaus, Wirtschaftswissenschaftler an der Yale University bezeichnete es als ineffektiv: „Darauf kann man sich nicht stützen, wenn man wirklich die Klimaänderung aufhalten will.“ Vor allem der Clean-Development-Mechanismus (CDM), mit dem sich beispielsweise EU-Länder eine Senkung ihrer einheimischen Kohlendioxid-Reduktionen gutschreiben lassen können, indem sie in treibhausgasreduzierende Projekte in Entwicklungsländern investierten, sei „wirklich Humbug“.
Jedenfalls solange wie diese Entwicklungsländer nicht selbst Teil eines Systems seien, das ihnen Reduktionsverpflichtungen auferlege. Außerdem sei „der Verkauf von Ablassbriefen, die es uns ermöglichen, unser jetziges Energiesystem beizubehalten, unmoralisch“.
Ähnlich wie James Hansen, Klimaforscher der US-Raumfahrtbehörde Nasa, fordert Nordhaus, das Kioto-Protokolls durch eine internationale Kohlendioxid-Steuer zu ersetzen: „Steuern sind ein erprobtes System – und sie wirken.“
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