: Polizei hört mit
Die Zahl der überwachten Telefonate steigt, nicht aber die der Betroffenen. Sie haben mehr Handys, sagt der Senat
Die Zahl der von der Polizei belauschten Telefongespräche steigt: In Berlin seien im vergangenen Jahr 1,12 Millionen Telefonate abgehört worden, sagte Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) nach einer Senatssitzung am Dienstag. 2007 waren es knapp 940.000. Gleichzeitig sank offenbar die Zahl der direkt Betroffenen um mehr als die Hälfte: Im Zuge von 157 Strafverfahren seien 2008 die Anschlüsse von 511 Personen überwacht worden, so von der Aue. Im Vorjahr betraf das Abhören noch die Apparate von 1.101 Menschen.
Die Senatorin führt die Entwicklungen auf ein verändertes Kommunikationsverhalten zurück. „Die Verdächtigen haben oft eine Vielzahl von Handys.“ Auch der Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität bei der Berliner Staatsanwaltschaft, Sjors Kamstra, berichtete, es gebe Fälle, bei denen der Beschuldigte 80 Handys nutzte. „Die Telefone werden jeden Tag gewechselt.“
Ein Einsatzschwerpunkt der Telefonüberwachung ist die Wirtschaftskriminalität. Als Beispiel nannte Kamstra den Handel mit Waffen oder mit dem Zubehör für Atomanlagen, der gegen das Außenhandelsgesetz verstoße. Auch zur Bekämpfung des Drogenhandels und der organisierten Kriminalität, bei Schutzgelderpressungen und Menschenhandel würden Gespräche abgehört.
Die Justizsenatorin betonte, die Telefonüberwachung in Berlin werde „maßvoll und effektiv“ eingesetzt. Der datenschutzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Björn Jotzo, sieht das anders. Er kritisierte, es sei nicht maßvoll, wenn die Anzahl der überwachten Telefongespräche erstmals die Marke von einer Million deutlich überschreite. Der Trend zu immer mehr abgehörten Gesprächen sei damit ungebrochen. Auch verstärke sich der Eindruck, dass die Telefonüberwachung zu einer Routinemaßnahme werde. A. LANG-LENDORFF
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen