: Kopftuchstreit gefährdet Osterhasen
Ausländerbeauftragte pochen auf Gleichbehandlung religiöser Symbole – und warnen vor neuen Spezialgesetzen
BERLIN taz ■ Die drei bekanntesten deutschen Ausländerbeauftragten haben das Kopftuchurteil des Verfassungsgerichts noch einmal ganz genau gelesen. Und sie kommen zu einer Interpretation, die im Gegensatz zum Grundtenor der öffentlichen Debatte steht. „Es darf keine Lex Kopftuch geben“, warnte Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Die langjährige Ausländerbeauftragte Berlins, Barbara John (CDU), und ihr Nachfolger Günter Piening schlossen sich dieser Haltung an.
Die Karlsruher Verfassungshüter hatten geurteilt, dass einer Lehrerin das Tragen von Kopftüchern im Unterricht nicht allein aufgrund von Verwaltungsvorschriften oder Gerichtsurteilen untersagt werden könne. Dazu bedürfe es in jedem Bundesland eines gesetzgeberischen Aktes – und damit einer gesellschaftlichen Debatte. Beck bezieht sich nun auf einen Satz in der Entscheidung, wonach „Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften“ in einem solchen Gesetz „gleich behandelt werden“ müssten.
Auf Deutsch heißt die Beck’sche Auslegung des Richterspruchs: Wer das Kopftuch verbietet, muss genauso Kreuz, Kippa oder Nonnengewänder aus den Schulen verbannen. Und zwar ohne Ausnahme.
Frau Beck ging sogar noch weiter. Wenn Lehrerinnen das Kopftuch nicht tragen dürften, dann hätte das auch Auswirkungen auf alltägliche christliche Symbole wie Osterhasen oder Adventskränze: „Dürfen wir dann noch den Adventskranz entzünden?“, fragte Beck. „Was machen wir mit dem Osterhasen?“
Beck und ihre KollegInnen befürchten durch die vulgäre Auslegung des Kopftuchurteils neue Ressentiments gegen Muslime. „Verbote sind der falsche Weg“, sagten Piening und seine Vorgängerin John übereinstimmend. Im Gefolge des Kopftuchstreits gebe es mittlerweile „verheerende Untertöne“, so Piening, der allein in Berlin für die Integration von 220.000 Muslimen zuständig ist. „Jede Frau mit Kopftuch wird zu einer Repräsentantin des politisch-fundamentalistischen Islams gemacht.“ Die Frauen gerieten so regelrecht in eine Falle: Von zu Hause werde ihnen vorgeschrieben, das Kopftuch zu tragen – die Gesellschaft befehle ihnen, das Tuch abzunehmen.
Marieluise Beck sagte, das Kopftuch bringe Frauen sogar Freiräume, anders als Feministinnen das behaupteten. Die interkulturelle Erziehungswissenschaftlerin Yasemin Karakasoglu aus Essen bestätigte diesen Befund – und verwies zugleich darauf, dass auch das Gegenteil stimme. Junge Musliminnen erlebten Schule als Freiraum, wo sie endlich das Tuch abnehmen könnten. „Schule kann für SchülerInnen insgesamt eine Befreiung vom Zwang der Familie bedeuten“, sagte Karakasoglu der taz. CHRISTIAN FÜLLER
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