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müllprozessZeuge im Glashaus

Mit jedem Prozesstag wird es deutlicher: Die spektakuläre, strafrechtliche Beurteilung des Kölner Müll- und Spendenskandals steht und fällt mit den Aussagen des Ex-Chefs des Entsorgungsofens Ulrich Eisermann. Er mutiert zum Kronzeugen der Staatsanwaltschaft, und das Gericht schließt sich seinen Anschuldigungen nur allzu gern an. Die Anklage stützt sich wesentlich auf die Aussagen des windigen Strategen. Er schilderte unter dem Druck der U-Haft als erster den Fluss der Schmiergelder, er will dem Ex-SPD-Fraktionschef Norbert Rüther die Schwarzgeld-Million gegeben haben.

KOMMENTAR VON FRANK ÜBERALL

Dieser Mann, der freimütig zugibt, wichtige Unterlagen verbrannt zu haben, hat schließlich einen Deal mit den Ermittlern: Wenn er auspackt, geht er kürzer ins Gefängnis. Das hat der Richter offiziell festgestellt. Kein Wunder, dass die Auftritte Eisermanns vor vollen Pressebänken zur Selbstinszenierung werden. Doch eines wurmt den kritischen Betrachter: Die von ihm wortreich beschuldigten Mitangeklagten dürfen ihm keine einzige Frage stellen. Rechtlich ist das möglich, moralisch gehört das in die Abteilung „Müll“.

So kann Eisermann auch am heutigen Prozesstag seine Bühne erklimmen und die Müll-Mär predigen, er sei der einzig Aufrichtige unter den Korruptis. Ein Mann, der neben seinem Job etliche Beraterverträge hatte und sich nichts Böses dabei dachte. Ein Mann, der als harter Verhandlungspartner bei der Kölner Stadtverwaltung bekannt war und bei dem sich kaum einer traute, Widerworte zu geben. Ein Mann, der den Verlockungen des schnöden Mammons nur allzu intensiv nachgab. Ihm die Opferrolle abzunehmen, fällt schwer, denn manche seiner Aussagen halten einer näheren Überprüfung kaum Stand. Wenn er aus dem historischen Nähkästchen plaudert, sind die Taten längst verjährt. Wenn es um die Besorgung beruflicher Posten geht, sind sie strafrechtlich nicht relevant. Doch Eisermann gibt sie gerne zu Protokoll. Denn das unterstreicht seine vermeintliche Glaubwürdigkeit.

Machen wir uns nichts vor: Politische Einflussnahmen hat es bei öffentlichen Unternehmen immer gegeben und die Politiker werden das auch kaum abschaffen. Der „kleine Beamte“ Eisermann hat sich mit diesem Umstand arrangiert – was blieb ihm auch anderes übrig? Aber was Ex-Spion Karl Wienand und seine Kollegen aus der Müllbranche dann eingefädelt haben, hat nichts mehr mit interessengeleiteter Kommunalpolitik und dreistem Klüngel zu tun. Es ging um handfeste Bestechung, um Unrecht und Betrug. Dass die Erwischten so etwas nie zugeben und immer die Umstände für ihr Fehlverhalten verantwortlich machen wollen, mag menschlich verständlich sein. Es wirft aber auch ein bezeichnendes Bild auf den Zustand unserer Gesellschaft und unserer Staatsdiener. Eisermann sitzt im Glashaus und wirft Steinchen. Aber immer gerade nur so viele, dass das Gebäude nicht zusammen bricht. Bei so einem Kronzeugen steht zu befürchten, dass die Wahrheit höchstens auszugsweise ans Licht kommt.

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