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Bush zeigt Bomben, Wuppertal Fachwerk

US-Präsident Bush droht dem Schurkenstaat Iran mit Zerstörung, die Bergische Uni Wuppertal bietet deutsche Fachwerkkunst als Aufbauhilfe. In einem gemeinsamen Ingenieursstudium bilden die deutsche Uni und die TU Isfahan Iraner im Bau sicherer Gebäude aus. DaimlerChrysler fördert das Projekt

VON CHRISTIAN FÜLLER

So sieht es aus, wenn ein Professor in die Knie geht. Georg Pegels, Professor für Bauinformatik, hockt am Boden und spielt Erdbeben. Er rüttelt eine Metallplatte hin und her, auf der sich ein Bonsai-Fachwerkhäuschen tapfer dem künstlichen Beben widersetzt. Der Professor ist puterrot vor Stolz, noch mehr als von der ungebührlichen Haltung. Eine Kamera des Westdeutschen Rundfunks hält die Szene fest. Die Umstehenden lächeln ein wenig verlegen auf den deutschen Hochschullehrer hinab.

Der Trick ist, erläutert Pegels seine Demonstration in der Bergischen Universität Wuppertal, „man darf die Gebäude nicht im Boden verankern, sondern muss sie mit einer Art Teflontechnik beweglich halten“. Dann stürzten sie bei Erdstößen nicht ein, verspricht er, sondern rutschten nur auf der Erdoberfläche hin und her – sofern sie ansonsten stabil konstruiert sind.

Pegels Gymnastik ist kein Witz, sie könnte Leben retten. Es ist gut ein Jahr her, dass im Iran – laut Angaben westlicher Hilfsorganisationen – zwischen 25.000 und 41.000 Menschen bei einem Erdbeben starben. 70 Prozent der Häuser in der Region um Bam, 800 Kilometer südlich von der Hauptstadt Teheran, überstanden das Beben im Dezember 2003 nicht. Mit ein paar fundamentalen Ingenieurstricks, meint Pegel, wäre die Einsturzrate niedriger gewesen. Aber wie kann man einsturzsichere Gebäude in ein Beinahe-Entwicklungsland exportieren? „Wir liefern die intellektuelle Leistung“, bescheidet Uni-Rektor Volker Ronge, „wir exportieren die Ingenieurskompetenz.“

Dazu haben sich die Verantwortlichen ein Koop-Modell ausgedacht: 30 bis 60 IngenieurInnen jährlich wollen die Deutschen gemeinsam mit der Technologischen Universität Isfahan ausbilden – in einem neuen Studiengang mit dem klingenden Namen „Joint Bachelor of Civil Engineering“. Drei und ein halbes Jahr sollen die IranerInnen Baukunst in Isfahan studieren, der drittgrößten Stadt Irans. Dann kommen sie für ein Jahr nach Wuppertal an die Bergische. Und bekommen den gemeinsamen Abschluss auf einer XXL-Diplomurkunde, die in Farsi und Deutsch gehalten ist. An diesem Montag unterzeichneten Georg Pegels und der Präsident der Isfahaner Technologieuni, M. H. Abbasi, die Studienordnung.

In dieser Studienordnung finden sich, so würde Außenminister Joschka Fischer es wohl nennen, Elemente eines kritischen Dialogs. Die beiden Hochschulen verpflichten sich laut Artikel 4 des Vertrags dazu, „den Anteil der weiblichen Studierenden zu erhöhen und ihnen gleiche Rechte in diesem Studienprogramm zu gewähren“. Es dürfte die erste Studienordnung im Reich der Mullahs sein, die einen Passus namens „Gender Mainstream“ enthält.

Überhaupt meint die Bergische Uni in Wuppertal mit dem Joint Bachelor eine Art Idealprojekt gestartet zu haben – mit gewissem Recht. In einer Zeit, da Washington den Iran zum gefährlichsten aller Schurkenstaaten erklärt hat und mit Zerstörung droht, setzt die 15.000-Studierenden-Uni auf eher Konstruktives – von solidem alteuropäischem Wissensbestand aus. Was die iranischen StudentInnen nämlich lernen, ist Fachwerkkunst aus dem 15. Jahrhundert, computergestützt allerdings. Georg Pegels will Irans Bauingenieursnachwuchs lehren, wie man Häuser mit einer Neuauflage des Fachwerks erdbebensicher macht. Statt Holz umschließen senkrechte, waagrechte und diagonale Stahlträger die so genannten Gefache. Ersonnen haben diese architektonische Innovation iranische Studierende bei zwei Trendsetter-Sommerschule, auch das eine Besonderheit.

Stolz ist freilich nicht allein der rührige Professor Pegels. Die Mondialogo-Initiative von DaimlerChrysler und Unesco hat mit dem superkorrekten Projekt einen Volltreffer gelandet. Das Erdbebengebiet eines heiß umstrittenen Landes mit deutscher Ingenieurskunst sicherer zu machen – einen besseren Werbeträger für ihren „Mondialogo Engineering Award“ hätten der Autobauer und die UN-Tochter gar nicht finden können. Im Juni wollen die beiden ungleichen Partner ihren 300.000 Euro schweren Ingenieurspreis in Berlin auf 20 Zwillingsteams aus Dritter und Erster Welt aufteilen.

Ohne das Image des Global Players und der Weltkulturorganisation der UN hätten sich umgekehrt die Türen im Iran nicht so schnell geöffnet. Der Anstoß, dass sich Wuppertal und Isfahan zusammen bewerben könnten, kam dabei aus dem Iran. Ein Kollege des Isfahaner Bau-Dekans Rahim Zolan war im Internet auf das Mondialogo-Portal gestoßen – und hatte den deutschen Partnern den Wink weitergegeben.

Die Idee von Mondialogo ist formell, den interkulturellen Dialog zu fördern. Bislang ist das mit einem weltweiten Schülerwettbewerb nur auf bescheidener Ebene gelungen. Die Zahl der teilnehmenden Schulen war mit fast 1.500 enorm – aber die Partnerklassen waren vergangenes Jahr nicht immer in engen Kontakt geraten. Diesmal scheint das anders zu werden – wie der deutsch-iranische Ingenieursaustausch belegt. Uni-Rektor Ronge, ein Habermas-geschulter Politologe, verwies sogar darauf, das Studienprogramm sei so substanziell, dass es nur noch „wenig mit dem verkitschten Wort der Interkulturalität zu tun hat“. Da hat er Recht – leider. Denn was vergangene Woche an der Uni Wuppertal so an Klischees über den Iran gemunkelt wurde, war für die iranischen Gäste nur schwer verdaulich.

Das neuartige Fachwerk, so verriet ein Akademiker den Mastertrick für erfolgreiches Bauen im Iran, müsse an den Gebäuden auf jeden Fall sichtbar bleiben. „Sonst werden die Stahlträger nämlich gar nicht verbaut – und verschwinden von der Baustelle.“ Höchste Zeit für ein verkitschtes Multikulti-Seminar.

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