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Von wegen Untergang des LiberalismusWird der Wahlkampf eine nationale Katastrophe?

Eigentlich sollte unser Kolumnist schlechte Laune haben. Aber trotz Trump-Sieg blickt er positiv in die Zukunft. Jetzt sei die Zeit anzupacken.

Für schlechte Laune gibt es aktuell viele gute Gründe, aber unser Autor will positiv bleiben und hat auch Lust daruaf Foto: Anna Ross/dpa

I ch bin gut drauf. Eigentlich müsste ich ja klagen, dass Trump und Putin und alle Trump-Putin-Fans gut drauf sind oder noch besser, seit Trump zum zweiten Mal gewählt wurde. Den reaktionär-autoritären Staatsraub im Zentrum der westlichen Aufklärung beweinen. Mit zittriger Stimme sagen, dass selbst die liberal-emanzipatorische Gesellschaft der Bundesrepublik womöglich nur noch einen Schuss Zukunft frei hat bei der kommenden Bundestagswahl.

Aber ich habe keine Lust auf Untergangsgeheule. Was soll das bringen, das Schlimme zu beschwören und es damit gleichzeitig herbeizuwünschen? Das hat unsereins lange genug gemacht. Außerdem sagen ja die anderen jetzt, also AfD, BSW, CDU, CSU, Rest-FDP und Rest-Linke, dass vieles oder alles scheiße sei. Wenn die gemäßigt Progressiven das auch noch machen, bleibt niemand übrig, der die gar nicht kleinen Errungenschaften und die liberal­demokratisch-marktwirtschaftliche Basis unseres freien und vergleichsweise privilegierten bundesdeutschen Leben wertschätzt und verteidigt.

wochentaz

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Die Zukunftsprobleme sind nicht zu lösen, wenn Grundsätzliches weiter unterlassen wird, um die Miesgestimmten still zu halten. Sondern, indem man Grundsätzliches ändert. Das meint an erster Stelle Wirtschaft und Sozialstaat auf fossiler Basis. Deshalb darf man sich nicht einreden lassen, aufs Postfossile zielende Wirtschaftspolitik sei bis auf Weiteres tabu. Sie ist derzeit für einen zu großen Teil der Gesellschaft emotional negativ besetzt, aber sie ist es nicht für die gemäßigt Progressiven und übrigens auch nicht für „die Wirtschaft“ (die nicht mit Öl, Gas oder Kohle handelt).

Wenn man ein Viertel der Leute und mehr gewinnen will, sollte man indes nicht damit kommen, „das Klima retten“ zu müssen und schon gar nicht „den Kapitalismus überwinden“ zu wollen. Das muss man dem Grüne-Jugend-Sandkasten überlassen. Nein, das Vorbild ist Bidens Inflation Reduction Act. Jobs, Wettbewerbsfähigkeit, Steuergelder für den Sozialstaat. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so was sage, aber es zeigt, dass auch der Naivste dazulernen kann.

Es gibt noch sinnlosere Diskussionen, aber nicht viele

An diesem Punkt ist es unvermeidlich, auf den Vizekanzler zu sprechen zu kommen, dessen Transformationspolitik als Wirtschafts- und Klimaminister ein Kern des Wahlkampfs aller anderen Parteien wird. Tenor: Scheiße für die Wirtschaft, die Oma und den kleinen Mann. Diesen Schlager wird man in Dauerschleife spielen, Argumente helfen derzeit kaum dagegen. Dazu wird auf der Außenbahn die Angst vor „Fremden“ geschürt werden. Und dann wird die deutsche Lieblingsfrage besprochen, ob die Grünen nun zu hü oder zu hott sind. Es gibt noch sinnlosere Diskussionen, aber nicht viele.

Robert Habeck hat voriges Wochenende in einer mittelgroßen Rede in Neuhardenberg verkündet, was er für entscheidend hält für eine gute Zukunft der Bundesrepublik trotz Trump, Putin, China und dem brutalen Angriff auf das freie Leben, wie wir es kannten. Eine zentrale Antwort ist: Deutschland als führender Teamplayer in Europa geht mit der EU die Sachen wirklich an.

Jetzt wird jeder Hobby-Politikstratege sofort sagen: Europa? Damit kann man doch keine Wahl gewinnen.

Aber eine Zukunft.

Das Trump-Amerika wird aller Wahrscheinlichkeit nach den Zeitenbruch brutal spürbar machen und ein Kleinklein-Wahlkampf der Kategorie „Du bist blöd – nein, du“ wäre deshalb eine nationale Katastrophe. Ich bin aber zuversichtlich, dass man 25 Prozent der Leute für den Wechsel in die neue Realität gewinnen kann und auch für den notwendigen Kulturwechsel.

Er lautet: Wir müssen nicht das Schlimmste beschwören und auch nicht verhindern, sondern das Bestmögliche hinkriegen. Dafür ist jetzt die ideale Zeit, und ich habe richtig Lust darauf.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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13 Kommentare

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  • Den Kopf hängen lassen ist wirklich keine gute Strategie. Aber:

    "Nein, das Vorbild ist Bidens Inflation Reduction Act. Jobs, Wettbewerbsfähigkeit, Steuergelder für den Sozialstaat."

    Habe ich was verpasst? Wurden die Stimmen neu ausgezählt und Bidens Vizepräsidentin hat doch gewonnen?

    Bidens Politik ist eben gerade kein Vorbild, weil der Inflation Reduction Act viel zu wenige Menschen erreicht hat. Mit ihm haben die Demokraten die Arbeiter eben nicht erreicht und das hat zur Niederlage geführt.

  • Mein bescheidener Hinweis, mal wieder prächtig bestätigt:



    Es geht in diesem Lande leider gar nicht mehr um Entscheidungen oder das tatsächliche Doing, sondern um 'mittelprächtige Reden' oder ganz tolle, oder um Wahlkampfthemen und wie man sich gegenüber dem politischen Wettbewerb profilieren kann.



    Ist es denn wirklich und letztlich egal was man dann tut nach einer Wahl, und wie man es tut, oder schön zu sehen in den letzten Jahren: Überhaupt etwas tut was dem entspricht für was man angeblich angetreten ist?



    Eher so wie Herr Unfried: Was müssen wir sagen, damit wir möglichst viele Stimmen bekommen.



    Ich finde das ganz fürchterlich, derlei Ansatz.

  • Gut drauf sein, richtig Lust drauf haben, das Bestmögliche hinzukriegen - schön und gut, aber auf welcher politischen Basis?



    Joe Bidens Inflation Reduction Act hat doch gerade nicht die Massen abgehalten, Trump zu wählen wegen hoher Preise und weil er 'es besser mit der Wirtschaft kann'.



    Die BRD "als führender Teamplayer in der EU" - tja unter Kanzler Merz werden wohl ganz andere "Sachen richtig angepackt" als es sich der Chefreporter vorstellt.



    Und für die "gemäßigt Progressiven" braucht es auch noch eine griffigere Formel um die veränderungswilligen Teile unserer Gesellschaft anzusprechen und zu bündeln. Es wird einen langen Atem brauchen, vor allem aber die Entwicklung einer neuen Strategie.



    Für den Anfang hat mir der Schlussabsatz von Bernhard Pötter aus der TAZ vom 8.11. gut gefallen:



    "Demokratie und Klimawende als Do-it-yourself begreifen und nicht an Abgeordnete delegieren. Für gutes Leben, Überleben und unsere Zukunft einstehen, sich einbringen, anstrengen. Und dem großen orange Satan den Slogan klauen: „Fight, fight, fight!“

  • Danke, zutreffend !



    Die Empörte und motzende (rein emtotionale) Mehrheitsgesellschaft braucht unbedingt Perspektive. Dann wird das etwas mit den 25%.



    Let's go...

  • Das ist doch mal ein positiver Artikel.

    Vielleicht ist ja Zukunft doch möglich.

  • “Hauptsache“ - HDH vom Niederrhein -



    & unser Wonneproppen - keine eine eine Frage



    “Ich bin aber zuversichtlich, dass man 25 Prozent der Leute für den Wechsel in die neue Realität gewinnen kann und auch für den notwendigen Kulturwechsel.

    Er ( ¿ ) lautet: Wir müssen nicht das Schlimmste beschwören und auch nicht verhindern, sondern das Bestmögliche hinkriegen. Dafür ist jetzt die ideale Zeit, und ich habe richtig Lust darauf“ & hörte auf, am ✏️ zu kauen - leckte noch einen Tintenklecks auf - und war satt! •



    &



    Hatte wiedermal das Bestmögliche hingekriegt!

  • Ist doch mal ein positiver Artikel.

    Es scheint doch noch Zukunft zu geben.

  • "Dazu wird auf der Außenbahn die Angst vor „Fremden“ geschürt werden."

    Die "Angst vor Fremden" gibt es nicht mehr.

    Es gibt die "Erfahrung mit Fremden", die dann halt keine Fremden mehr sind.

    Proportional zur Erfahrung steigt die Angst.

    Insbesondere Frauen, Atheisten, LGBTQs und selbstverständlich Juden kriegen langsam Albträume. So auch Wohnungssuchende, Menschen in ärmeren Wohngegenden, die sich in Brennpunktviertel verwandelt haben und immer mehr auch Kindern und Jugendlichen geht es schlecht.

    Die "Angst vor dem Fremden" kommt aus der linken Mottenkiste.

  • Top. Genau so würde es gehen.

  • Sehr schön geschrieben. Da kann ich voll mitgehen.

  • "Wenn man ein Viertel der Leute und mehr gewinnen will, sollte man indes nicht damit kommen, „das Klima retten“ zu müssen und schon gar nicht „den Kapitalismus überwinden“ zu wollen. Das muss man dem Grüne-Jugend-Sandkasten überlassen. Nein, das Vorbild ist Bidens Inflation Reduction Act. Jobs, Wettbewerbsfähigkeit, Steuergelder für den Sozialstaat. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so was sage, aber es zeigt, dass auch der Naivste dazulernen kann."



    Bravo. So geht Aufbruchstimmung. Kapitalismus überwinden? Gern. Aber nicht nach hinten, nur nach vorn!



    Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen, Tat es noch nie in der Menschheitsgeschichte. Der Mensch strebt immer nach vorn.



    Wer die Welt retten will muss aufhören ihren Untergang herbeizureden, das machen Unzählige seit Urbeginn - und noch keiner behielt recht🤷‍♂️😉



    Es geht immer weiter - sorry liebe Endzeitenthusiasten.



    Man muss den Menschen eine positive Idee stiften, einen Antrieb. Das mobilisiert, das schafft Lust. Raus aus der Fossilität via Wirtschaftswunder reloaded.

  • Zu den Mies gestimmten, die sie anführen, gehöre ich definitiv nicht.



    Aber so blauäugig wie Sie möchte ich lieber auch nicht sein.



    What else?