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WohnraumkriseUngewöhnliches Bündnis fordert Baupolitik heraus

Der Deutsche Mieterbund und die Lobby privater Ei­gen­tü­me­r fordern gemeinsam einen Kurswechsel. Die Linkspartei geht einen Schritt weiter.

In einem ehemaligen Woolworth-Haus in Oberhausen werden Mietwohnungen gebaut Foto: Funke Foto Services/imago

Dass Mie­te­r:in­nen und Ver­mie­te­r:in­nen Kämpfe zusammen führen, ist selten. Ihre Klassenstandpunkte sind eigentlich gegensätzlich. Doch genau das ist an diesem Montag in Berlin passiert. Der Deutsche Mieterbund und die Interessengemeinschaft privater Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer:innen, „Haus & Grund“ haben einen gemeinsamen Forderungskatalog an die Bundesregierung vorgestellt, um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln.

Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, betonte dabei die Relevanz von gefördertem Wohnraum. Eigentlich hatte Bundesbauministerin Klara Geywitz bei ihrem Amtsantritt angekündigt, 100.000 geförderte Wohnungen jährlich bauen, dazu nochmal 300.000 nicht geförderte. Dieses Versprechen hat die Ampelkoalition nicht eingehalten, inzwischen gebe es beim Neubau sogar einen Abwärtstrend. Allerdings spielen hierbei auch die Folgen des Ukrainekriegs eine Rolle, die den Hausbau verteuert haben.

Kritik kommt auch von der neuen Bundesvorsitzenden der Linkspartei, Ines Schwerdtner. „Es war ein offensichtlicher Fehler, dass die Ampel-Regierung dabei auf die Privatwirtschaft gehofft hat, statt den Wohnungsbau selbst in die Hand zu nehmen“, sagte sie auf Anfrage der taz.

In dem Positionspapier finden sich fünf Forderungen. Die erste ist ein Zinsverbilligungsprogramm für den Wohnungsbau, da neben den Preisen für Rohstoffe auch die Bauzinsen gestiegen sind. Zudem müsse Bauland mobilisiert werden. Hier seien die Preise zwischen 2012 und 2022 um durchschnittlich 83 Prozent gestiegen.

Man brauche mehr als Bauerleichterungen

Auch eine Reform der Grunderwerbsteuer soll helfen. Denn große Immobilienkonzerne würden diese momentan mit sogenannten Share-Deals um­gehen. Dadurch würden Ländern und Kommunen 1 Milliar­de Euro an Steuereinnahmen fehlen. Siebenkotten bezeichnete das als einen Skandal. Die Ampelregierung habe sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, an diese Praxis heranzugehen.

Zudem fordern die Interessenverbände, dass Bürokratie, Abgaben und Steuern reduziert werden und nicht notwendige technische Standards und DIN-Normen abgeschafft werden.

Die Forderungen sind der kleinste gemeinsame Nenner der beiden Verbände

Schwerdtner ist vorsichtig optimistisch ob des ungewöhnlichen Bündnisses. „Die vorgeschlagenen Maßnahmen kann man im Einzelnen durchaus diskutieren, sie können sowohl für Wohnungsbaugenossenschaften als auch für einzelne Häuslebauer eine Hilfe sein. Um dem Mangel an bezahlbaren Wohnungen zu begegnen, sind aber mehr als Bauerleichterungen notwendig“, sagte sie auf Anfrage der taz. Es brauche einen bundesweiten Mietendeckel. Neben dem Neubau bezahlbarer Wohnungen in genossenschaftlicher Hand müssten öffentliche Träger zudem selbst in größerem Umfang bauen.

Sebastian Schipper von der Frankfurter Goethe-Uni findet die Punkte im Papier ebenfalls nicht verkehrt. Sie würden allerdings den kleinsten gemeinsamen Nenner der beiden Akteure darstellen. Der Professor für geografische Stadtforschung vermisst allerdings Aspekte wie mehr Mieterschutz, dauerhaft gebundene Sozialwohnungen und die Ausgestaltung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit.

„Miethaie müssen enteignet werden“

Auf der Pressekonferenz waren auch die Bonner Caritas und Diakonie anwesend. Sie stellten eine neue Genossenschaft vor, die in Bonn 55 barrierearme und preisgebundene Wohnungen errichten wolle. Dieses Vorhaben stoße bereits auf ein hohes Interesse, auch in anderen Gemeinden.

Das bewertet Schipper positiv. „Genossenschaften zu gründen, ist immer eine gute Idee. In diesem Fall ermöglicht durch eine Kooperation der beiden Verbände; das ist schon bemerkenswert und spannend. Gerne mehr davon.“

Zudem müssten Wohnungskonzerne vergesellschaftet werden, sagte er der taz. Letzteres fordert auch Schwerdtner: „Die großen Miethaie wie Vonovia & Co müssen enteignet werden.“ Spätestens bei diesen Forderungen dürfte die Einigkeit von Mie­te­r:in­nen und Ver­mie­te­r:in­nen ein jähes Ende haben.

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15 Kommentare

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  • Warum Vonovia enteignen - es ist eine AG und jeder kann sich Aktien kaufen. Mit 30 Euro ist man dabei. Und wenn alle taz LeserInen eine kaufen kommt schon mal eine Macht bei der Hauptversamlung raus.



    Nicht reden sondern mal machen.

  • "Nicht notwendige technische Standards und DIN-Normen" - schönes Buzzword. Es gibt bestenfalls 'nicht sicherheitsrelevante Standards und Normen'.

    Alle anderen sparen durch allgemein anerkannte Definitionen von Begriffen und Werten für das Einsparen von Bau- und Mietprozessen vor Gericht.



    Oder mit den Worten meines Profs für Baurecht: "Wenn Sie wissen wollen, welche DIN-Normen es im Wohnungsbau warum gibt und welche es eigentlich bräuchte, bauen Sie einfach mal als Bauleiter ein Haus für ein Lehrerehepaar..."

    Die nicht sicherheits- und nachbarrechtsrelevanten (Schallübertragung etc) DIN-Normen sind übrigens nicht "bauaufsichtlich eingeführt", müssen also nicht verpflichtend angewendet werden. Das muss der Bauherr oder sein Architekt nur explizit in den Bauvertrag schreiben - und sich im Klaren sein, dass das den Miet- und den Wiederverkaufswert im Zweifelsfall stärker senkt als die Baukosten. Bei einem Lohnkostenanteil von knapp 2/3 beim Rohbau kann man durch günstigeres Material kein Vermögen einsparen...

  • Das Grundproblem ist doch, wer einmal gut und günstig wohnt, möchte das, auch für Bedürftige, nicht ohne eine entsprechende Kompensation wieder aufgeben. Gleichzeitig strömen aber immer mehr Menschen unsinniger- und unnötigerweise in die Metropolen und erwarten die wundersame Vermehrung des knappen Wohnraums zu günstigen Konditionen. Das kann, „Vermiethaie“ hin oder her, nicht klappen.

  • Es gibt einen hohen Bedarf für kleinere Wohnungen (Auszubildende, Studenten, Rentner).



    Und es gibt bei vielen Menschen den Wunsch, sich zu reduzieren.



    in Deutschland ist es wegen der diversen Vorschriften kaum möglich irgendwo ein Tinyhouse aufzustellen oder etwa eine der Millionen Garagen in Wohnraum umzuwandeln.



    Ohne all zu viel Flächenversiegelung oder Landschaftsverbrauch könnte in den Städten mit entsprechenden Lockerungen so einiges an attraktivem Wohnraum geschaffen werden.

  • Einigkeit konnte nur entstehen, weil der Klimaschutz außer Acht gelassen wurde. Neubaugebiete bedeuten Flächenversiegelung, Flächenversiegelung bedeutet mehr Starkregen, weniger Aufnahmefähigkeit des Bodens für diesen, längere Perioden der Dürre mit Mangel an Trinkwasser, heftigere Stürme usw. Wollen die Mieter das wirklich? Oder könnte "die Politik" nicht die Mieten auch im Bestand bezahlbar machen und damit das Klima schützen? Bis 2030 hat sich die Bundesrepublik mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN verpflichtet, beim Flächenverbrauch auf "Netto-Null" zu kommen. Daran scheinen die Eigentümer und der Mieterverein überhaupt nicht zu denken.

    • @Reinhard Muth:

      Was hat Flächenversiegelung mit dem Klimawandel zu tun? Flächenversiegelung hat selbstverständlich keinen Einfluss auf Starkregen. Und wenn man konsequent auf Regenwassersammlung und Rückhalteflächen setzt kommt man auch mit Starkregen besser zurecht.



      Mieten im Bestand bezahlbar machen? Wie soll das gehen und was soll das helfen, wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot?

    • @Reinhard Muth:

      Was hilft es denn, wenn man die Mieten im Bestand bezahlbar macht? Und wahrscheinlich wieder von Steuergeld. Etwas anderes, als immer direkt nach dem Staat zu rufen, fällt den meisten Mitmenschen ja eh nicht ein. Da fragt man sich schon manchmal, wozu diese noch einen Kopf mit Hirn auf dem Hals tragen. So lange massig Wohnungen, gerade in den angesagten Städten fehlen, werden sie dort niemals auf einen Flächenverbrach von Netto-Null kommen. War letzte Woche noch in Suhl. Schöne Stadt, mit hohem Erholungswert/Freizeitangeboten und vielen leer stehenden Wohnungen. Wenn ich aber meine, z. Zt. leerstehende, Wohnung in Köln anbieten würde, hätte ich mindestens 100 bis 200 Mietbewerber.

  • Ja, Mietendeckel und noch mehr Mieterschutz (hat der Professor aus Frankfurt gesagt, was er sich da vorstellt?) werden die neuen Wohnungen wie Pilze aus dem Boden schießen lassen... und wenn der Bund erst selber baut, dann geht's ab. Gerade diese Regierung, gerade jetzt.

  • Null-Versiegelung neuer Flächen, Rückbau ist für das Klima geboten.

    • @Zuversicht:

      Deutschland hatte im Jahre 2011 rund 80,2 Millionen Einwohner.



      In diesem Jahr sollen es ca. 83,3 Millionen sein.

      (Wenn man googelt, erhält man differierende Zahlen, aber die Tendenz ist eindeutig. )

      Das ist etwa ein weiteres Berlin.

      Mit Null- Versiegelung und Rückbau für das Klima ist da nichts.

      Da muss gebaut.

      Die Menschen brauchen Wohnungen.

      Ja, das wird den Klimaschutz nicht stärken.

      Einen CO2-Abdruck hinterlassen diese Leute ja auch.

  • Wenn man alle große Wohnungsbaugesellschaften enteignen wollte müsste man zig Miliarden an die Konzerne zahlen. An Vonovia Zb. 24 Miliarden €. Und wer baut dann noch Wohnungen. Und internationale Anleger würden scharenweise auf Investitionen in Deutschland verzichten.

    • @Martin Sauer:

      Richtig. Mit 24 Milliarden Euro kann man auch neuen Wohnraum schaffen. Bei Baukosten von 3000 Euro je Quadratmeter gibt das über 100.000 neue 70m² Wohnungen .

  • Das Problem ist einfach, dass niedrige (oder wenigstens bezahlbare) Mieten im Wohnungsmarkt privatwirtschaftlich einfach nicht darstellbar sind.

    Das liegt daran, dass das unabwägbare Zeiträume und Kosten sind, die hart auf Kante genäht einfach extrem risikoreich sind. Da muss man fette Margen haben oder es ist ein Drahtseilakt.

    Das geht nur mit Genossenschaften oder gleich direkt staatlich, weil man dann auch über etliche Jahrzehnte denken kann und auch die soziale Komponente berücksichtigen kann und muss.

    Privatwirtschaftlich ist das im großen Maßstab einfach nicht machbar, weil hochgradig marginal und wackelig. Das geht einfach nicht, und das ist auch keine moralische Aussage. Privatwirtschaftlich geht faktisch nur viel Geld reinstecken und dann viel Geld einnehmen.

    Ich habe selber mit meinen Geschwistern ein altes Mehrfamilienhaus geerbt. Mit Schulden dranklebend, Investitionsstau, billige Mieten, Leute, die da seit Jahrzehnten wohnen. Wir haben zehn Jahre lang versucht, das irgendwie hinzukriegen. Es ging nicht. Wir hätten unseren Kindern noch Schulden vererbt und das Haus wäre immer noch verkommen.

    Wohnungsbau ist privatwirtschaftlich im großen Maßstab nicht darstellbar.

    • @Mustardman:

      Leider klappt das ja auch bei staatlichen Gesellschaften nicht wirklich im großen Maßstab. So gut und günstig, wie von vielen Mitmenschen erwartet, könnte Wohnraum einfach nur dann jederzeit ausreichend zur Verfügung stehen, wenn prinzipiell subventioniert „auf Vorrat“ gebaut würde. Dazu fehlt aber zum Glück Raum und Geld. Sonst hätten wir bald wieder halbleere Trabantenstädte mit hohem Verödungspotential und insolventen gemeinnützigen Investoren. Alles schon mal da gewesen.

  • Bei Enteignung, Vergesellschaftung, etc. muss ich immer an den nicht existenten Wohnungsmarkt in Stockholm denken, und seinen Schwarzmarktlisten um an eine Wohnung zu kommen. Dagegen ist ja selbst Berlin - Mitte ein Meer an tollen Möglichkeiten.