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Computerkurse für Frauen in BerlinZwischen Empowerment und Systemkritik

Im Frauen Computer Zentrum vermitteln IT-Trainerinnen den Umgang mit Rechner, Internet, Social Media und KI. Damit ebnen sie Frauen Wege in den Beruf.

Lernen den Umgang mit Excel und Kritik an Microsoft: Teilnehmerinnen in einem Computer-Kurs für Frauen Ende der 90er Foto: Stephanie Pilick / dpa

Berlin taz | Keine Angst vor Computern“ – so hieß die erste IT-Weiterbildung am Frauen Computer Zentrum Berlin (FCZB). Das 1984 gegründete Zen­trum wollte damit vor allem Berührungsängste abbauen. Die Teilnehmerinnen lernten in dem Kurs, mit den klobigen, grauen Desktop-Rechnern umzugehen, die damals völlig neu in die Büros kamen. Und das bot ihnen auf dem Arbeitsmarkt enorme Vorteile und neue Berufschancen. Mit dem Kurs „Frauen ran an die Technik“ bildete das Zentrum ab 1988 auch die Dozentinnen aus, die dann Computerkurse anboten – von Frauen für Frauen.

„Wir wollten Frauen empowern – immer mit den Strukturen im Blick“, sagt rückblickend Mitbegründerin Renate Wielpütz bei einer Festveranstaltung zum 40. Geburtstag, den das Zentrum am vergangenen Freitag mit Podiumsdiskussionen, Vorträgen und Vernetzungstreffen in den Vereinsräumen in der Kreuzberger Cuvrystraße feierte. „Es war die Ära Kohl. Und auch wenn wir es in Berlin teilweise ein wenig besser hatten: Es war finster“, sagt sie.

Die feministisch bewegten Gründerinnen nahmen sich damals vor, die neue Technik zu nutzen, um die Gleichberechtigung voranzubringen. Und sie wollten ganz bewusst einen Nachteil ausgleichen. Denn damals wie heute sind es eher Jungen, die ihr Umfeld von klein auf wie selbstverständlich zum Umgang mit der Technik ermutigt – während Mädchen eher abgeschreckt werden. In den Fortbildungen sollten Frauen sich ihrer „Fähigkeiten bewusst werden und daraus Stärken“ ziehen können.

Das Zentrum richtete sich mit seinen Kursen auch besonders an Frauen, die nach Schwangerschaft, Geburt und der damals noch langen „Familienphase“ Wege zurück in den Beruf suchten. Dabei sahen sie sich mit neuen Anforderungen konfrontiert. Denn wo vorher noch die Schreibmaschine gestanden hatte, fanden sie sich nun vor einem Desktop-Rechner wieder. Und der sah nicht nur anders aus, sondern musste auch anders bedient werden. Selbstverständlich war für das FCZB von Anfang an, diese Kurse in Teilzeit anzubieten, damit sie für die Teilnehmerinnen mit dem Familienleben oder anderen Verpflichtungen vereinbar waren.

Gegen die Idee von Technik als Teufelszeug

Mit ihren Computerkursen mussten sie sich damals auch gegen Widerstände im eigenen Umfeld durchsetzen, erzählt Gründerin Wielpütz – etwa gegen diejenigen Stimmen, die digitale Technologien als „Teufelszeug“ ablehnten. Die Gründerinnen des FCZB dagegen sahen darin eine Chance für Selbstverwirklichung. Sie bemühten sich allerdings auch von Anfang an, sich eine technikkritische Haltung zu bewahren. „Wir haben etwa gesagt: Klar, Microsoft ist datenkolonialistisch, aber um weiterzukommen im Beruf, dafür ist das wichtig. Und deshalb zeigen wir unseren Teilnehmerinnen, wie sie Word oder Excel benutzen können, und nutzen auch die Software von Microsoft“, sagt eine ehemalige Mitarbeiterin bei der Geburtstagsfeier.

Im FCZB waren sie nach eigenen Angaben bundesweit die ersten, die IT-Weiterbildungen für Frauen anboten. Und Kurse für Frauen, die in Bürojobs zurückkehren wollen oder für diejenigen, die bisher kaum oder nur wenig IT-Kenntnisse haben, sind auch heute noch ein wichtiger Teil der Arbeit im FCZB. Genauso geht es heute aber auch darum, wie Userinnen künstliche Intelligenz nutzen können. Und wie sie es schaffen, selbstbestimmt mit den Tools umzugehen, sagt Sybille Würz. Sie arbeitet seit 36 Jahren als IT-Trainerin.

„Im Bereich KI lernen und unterrichten wir, während die Technik gleichzeitig dabei ist, sich schnell und ständig weiterzuentwickeln“, sagt Würz. In den Nullerjahren mit dem Aufschwung von Social Media sei es bereits ähnlich gewesen. „Aber ob es um den Umgang mit dem Rechner geht, um das Internet oder um KI: Unsere Grundfragen sind eigentlich immer: Was ist das, wie nutze ich es und was kann ich damit erreichen?“, erklärt sie.

Es sei ihr wichtig, in ihren Trainings auch kritisches Denken und ethisches Bewusstsein zu vermitteln. „Wir zeigen, wie KI funktioniert, zum Beispiel als Wahrscheinlichkeitsrechner, und was KI-Tools leisten können. Aber auch ihre Grenzen“, sagt die IT-Trainerin. Dazu gehöre, dass die KI etwa „halluziniert“ wenn sie keine genauen Informationen findet. Oder wie Nutzerinnen die Grenzen der KI mitbedenken können und wie sie mit Fehlinformationen oder Verzerrungen umgehen. Würz spricht in dem Zusammenhang von einer „KI und Data-Literacy“, übersetzt bedeutet das etwa Grundkenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit Daten und künstlicher Intelligenz.

Kurse von Frauen für Frauen im FCZB Foto: John Colton/Sabine Drwenzki

Verhaltenskodex für KI

Das Zentrum bildet nicht nur aus, sondern bearbeitet auch Fragen, wie zivilgesellschaftliche Initiativen generell mit neuen technischen Entwicklungen umgehen könnten – oder sollten. So entwickeln Mitarbeiterinnen des FCZB zurzeit zusammen mit 30 anderen Organisationen unter Leitung der Initiative D64 einen „Code of Conduct demokratische KI“.

Dieser Verhaltenskodex kann am Ende von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen genutzt werden, die nicht die Zeit, Kenntnisse oder Ressourcen haben, einen eigenen zu entwickeln. Dabei können sie die Richtlinien dafür anpassen – je nachdem, ob sie etwa einen „konservativen oder explorativen“, einen sicheren oder offenen Umgang pflegen wollen. Dazu gehört auch die Frage, ob sie unbedingt Wert legen auf menschliche Au­to­r*in­nen­schaft oder auch KI-generierte Inhalte verwenden wollen. Oder der Umgang mit Bildern. „Im FCZB haben wir uns zum Beispiel dafür entschieden, mit KI-Tools keine Bilder von Menschen zu erzeugen“, sagt IT-Trainierin Würz.

Schon ab 1998 führte das Zen­trum zudem die erste Fortbildung für geflüchtete Frauen durch. Damals sei das eine Gruppe von bereits sehr hoch qualifizierten Frauen gewesen, erinnert sich Duscha Rosen aus dem Geschäftsführungsteam. Die Kurse für Geflüchtete sind weiterhin ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Seit 2016 gebe es durchgehend Angebote für Frauen mit Fluchthintergrund, darunter auch einen sehr niedrigschwelligen Kurs mit drei Wochenstunden zu digitaler Teilhabe und Erstorientierung in Berlin.

Was damals „Keine Angst vor Computern“ hieß, heißt heute „IT-Know-how für die Arbeitswelt“. Inhaltlich geht es noch immer um die Fähigkeiten, die für selbstbestimmtes Arbeiten wichtig sind, erklärt Duscha Rosen. Etwa Kenntnisse in Text- und Tabellenverarbeitung. Aber auch Ergonomie, Datenschutz, Arbeitsrecht, Zeitmanagement und Strategien, um Beruf und Privatleben miteinander vereinbar zu machen.

Förderung fiel weg

Bis 2023 hätten sie die fünfmonatige Fortbildung zwei Mal pro Jahr durchgeführt, seit der Gründung ohne Unterbrechung, sagt Rosen. 2024 seien sie dann aber „aus der Förderung herausgefallen“ – bedauerlicherweise, wie sie betont, denn das „reiße eine große Lücke“.

„Für die Frauen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte haben wir gerade kein passendes, weiterführendes Angebot, wenn sie unseren halbjährigen Kurs zu Empowerment mit Sprachförderung, beruflicher Orientierung und Medienkompetenz abgeschlossen haben“, sagt Rosen. Mehr als 200 Frauen durchlaufen den Kurs pro Jahr, teilweise findet der Kurs auch direkt in Geflüchtetenunterkünften statt. Zwar sei der Kurs „Fit für den Job“ inhaltlich vergleichbar, doch den könnten nur Frauen mit Anrecht auf Bildungsgutscheine besuchen. Und für den müssten die Frauen nach Erfahrung der Mitarbeiterinnen oft „sehr stark kämpfen“. Sie bemühen sich aktuell darum, hier bald ein neues Angebot finanzieren zu können.

Zur Geburtstagsfeier haben sie als Gastrednerin auch Mina Saidze eingeladen. Ihre Familie ist 1990 vor dem Regime in Afghanistan geflohen. Saidze selbst ist 1993 in Hamburg geboren und dort aufgewachsen – und die erste Frau in ihrer Familie mit Uni-Abschluss. Sie brachte sich selbst das Programmieren bei und arbeitet heute als Dozentin für Data Analytics und hat eine Beratungsorganisation für Diversität in technischen Berufen gegründet.

„Digitale Berufe ermöglichen sozialen Aufstieg“, sagt Saidze. Das habe sie selbst so erfahren. „Wir müssen auch weg von dem Standard, dass man Informatik studiert haben muss“, fordert sie. Und sie kritisiert, dass in Bildern zu Tech-Jobs oft nur Männer abgebildet seien, auch die Stellenausschreibungen mit Begriffen wie Ninja, Guru oder Rockstar schreckten Frauen eher ab. „In der Beratung zeige ich auch, wie solche Texte mit einem KI-gestützen Gender Bias Decoder neu­tral und ansprechender für Frauen formuliert werden können“, sagt sie. „Und wir müssen weibliche Vorbilder sichtbar machen“, nicht nur als Nutzerinnen, sondern auch als Gestalterinnen, betont sie. In der Hinsicht sei das FCZB „ein Lichtblick in finsteren Zeiten“.

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