Die Rettung durch die Frauen läßt auf sich warten

Technik ist männlich, weil die Frauen nicht durften/ Die zivile Technik verliert ihre Unschuld/ Wissenschaftlerinnen kratzen am Mythos der friedlichen Frau/ Essener Diskussion über das Verhältnis von „Frauen, Technik und Militär“  ■ Aus Essen Diemut Roether

Das grammatikalische Geschlecht trügt: Die Technik ist nicht weiblich, das läßt sich mit statistischen Daten, wie sie die Ingenieurin Monika Greif auf einer Tagung am Wochenende in Essen vorlegte, recht schnell zeigen: Nur drei Prozent aller IngenieurInnen in der Bundesrepublik sind Frauen. Es sei aber nicht die dem weiblichen Geschlecht unterstellte Technikfeindlichkeit, die zu diesen Verhältnissen geführt habe, sondern die männliche Tradition des Ingenieurberufs, meinte Greif.

Der habe seine Wurzeln im Militär: Vorläufer des Ingenieurs sei im 14.Jahrhundert der Büchsenmacher gewesen. Und Frauen waren von der Militärlaufbahn seit jeher ausgeschlossen, konnten dort also keine Traditionen entwickeln. Auch als im 17.Jahrhundert in verschiedenen Ländern Europas technische Schulen entstanden, wurde den Frauen der Zutritt verwehrt. Kein Wunder, daß auch heute noch Bauknecht besser als die Frauen selbst wisse, was sie wünschen.

Technik und Naturwissenschaft, so lautete das allgemeine Lamento der rund 30 Frauen und wenigen Männer, die auf Einladung des „Arbeitskreises Frauen, Technik, Zivilisation“ und des Wissenschaftsforums der Sozialdemokratie in Essen zusammengekommen waren, seien ebenso wie das Militär männlich besetzt und patriarchalisch strukturiert, also schlecht. Gut sei hingegen das Weibliche, die Natur und die Frauen, die, weil sie Leben geben, näher an der Natur sein sollen. Helga Genrich von der Deutschen Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung und Wolfgang Liebert von der Darmstädter Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheitspolitik (IANUS) forderten denn auch nicht nur eine radikale Konversion des militärisch-industriellen Komplexes, sondern von Wissenschaft und Technik an sich.

Da neue militärtechnologische Entwicklungen heutzutage selbst aus Rüstungshaushalten nicht mehr zu bezahlen seien, würden sie zunehmend über zivile Forschungs- und Entwicklungsprogramme finanziert, so Genrich. Das Militär habe sich das „ius primae noctis“ (Recht der ersten Nacht, d. Red.) bei neuen wissenschaftlichen oder technologischen Entwicklungen verschafft. Vor allem die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien würden militärisch eingesetzt, mit ihrer Hilfe werde Krieg zu einem „großen Computerspiel“.

Die Metapher vom Recht der ersten Nacht trifft den Punkt, doch die Erkenntnis, daß die Wissenschaft ihre Unschuld verloren hat, ist nicht neu. Schon immer haben militärische Bedürfnisse die Entwicklung neuer Technologien und den technischen Fortschritt vorangetrieben. Nicht umsonst heißt es, der Krieg sei der Vater aller Dinge. Das Militär, so lautet die Grundthese der Essener Physikerin Doris Janshen, sei die wichtigste männliche Sozialisationsinstanz dieser Gesellschaft. Um so überraschender war für viele zu hören, daß die Bundeswehr in diesem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber für Frauen ist. An den männlich-patriarchalischen Strukturen ändert das freilich nichts.

Doch mit dem großen Katzenjammer angesichts der „bösen“ männlichen Organisationen Militär und Wissenschaft machen es sich Frauen oft zu leicht. Die Friedensforscherin Hanne Birckenbach kratzt am Mythos der friedlichen Frau: Friedens- und Konversionsforschung könnten von der im Feminismus diskutierten Mittäterschaftsthese lernen, meint Birckenbach. Mittäterschaft entstehe in „einem breiten Spektrum von Taten, Nichtstun und fehlgeleitetem Widerstand“. Ähnlich wie bei den Frauen hat Birckenbach bei den Gewerkschaften und den ArbeitnehmerInnen in Rüstungsbetrieben den Versuch beobachtet, die Schuld für das, was geschieht, auf eine anonyme, herrschende Minderheit abzuschieben und sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen. Monika Greif machte das Argument noch stärker: Frauen gingen als technische Zeichnerinnen und Laborantinnen den Herren der Schöpfung vielfach zur Hand.

Selbst wenn mehr Frauen in Technik und Naturwissenschaft an den Schaltstellen säßen, ergäben sich Veränderungen also nicht „naturwüchsig“, folgerte Greif. Zwar gebe es Hinweise, daß Frauen das Umfeld, in dem sie arbeiten, anders einschätzen als Männer, doch unklar sei immer noch, ob dies nicht einfach der unterschiedlichen Sozialisation zuzuschreiben sei.

Einigen der anwesenden Herren war die Enttäuschung deutlich anzumerken, daß Frauen dort, wo sie eigene Ingenieurbüros gründen und selbst bestimmen, wie sie arbeiten wollen, ähnlich arbeiten wie andere alternative Projekte. Die Rettung der Welt durch das weibliche Prinzip — auch das eine alte Männerphantasie — wird wohl noch eine Weile auf sich warten lassen.