piwik no script img

Klage gegen Dennis HohlochAfD-Mann darf wohl weiter hetzen

Mit Foto und Namen: Der AfD-Politiker Dennis Hohloch stellt eine Frau an den Online-Pranger. Unterlassen muss er das wohl nicht, deutet ein Gericht an.

Verstörende Worte vor einer Grundschulklasse: AfD-Politiker Dennis Hohloch im Brandenburger Landtag Foto: Michael Bahlo/dpa

Potsdam taz | Für Anne Brügmann steht fest: Was am Mittwoch vor dem Landgericht Potsdam verhandelt wird, sei „ein Fall von digitaler, rechter Gewalt“. Doch die Art und Weise, wie die Rich­te­r*in­nen den Sachverhalt interpretieren, ist für Brügmann „eine Katastrophe“.

Brügmann, Leiterin der Beratungsstelle „Opfer­perspektive“ begleitet am Mittwochmorgen eine Frau, die mit Unterlassungsklagen erreichen möchte, dass der rechtsextreme Brandenburger AfD-Abgeordnete Dennis Hohloch sowie die AfD-Landtagsfraktion nicht weiter in den sozialen Netzwerken gegen sie hetzen und dabei ihren Namen, ihr Foto und weitere Informationen verbreiten dürfen.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war der Besuch einer Potsdamer Grundschulklasse – darunter das Kind der heutigen Klägerin – im Brandenburger Landtag Anfang Juli. Bei einer Fragestunde mit den 9 bis 12 Jahre alten Schü­le­r*in­nen lenkte AfD-Mann Hohloch das Gespräch unvermittelt auf das Thema Geflüchtete, redete von „Gruppenvergewaltigungen“ und „Messermännern“, sagte, dass man sich in Potsdam nicht mehr sicher fühlen könne.

Der Vorfall schlug hohe Wellen: Eltern beschwerten sich, weil sie Hohlochs Aussagen als jugendschutzgefährdend und nicht altersgerecht empfanden. Unter anderem bat die heutige Klägerin in einer internen E-Mail die Schule um die Aufarbeitung des Landtagsbesuchs.

Mehr als 130.000 Follower

Das Schreiben wurde jedoch Dennis Hohloch zugespielt, der daraufhin in Social-Media-Posts den vollen Namen und ein Foto der Frau veröffentlichte und sie beschuldigte, ihn „canceln“ und ihm verbieten zu wollen, über die „Sicherheitslage“ in Deutschland zu sprechen. Zum Zeitpunkt der Postings folgten Hohloch allein auf TikTok rund 136.000 Accounts. Auch auf Twitter, Facebook, Instagram und YouTube machten Hohloch sowie die AfD-Fraktion Stimmung gegen die Mutter.

Doch am Mittwoch zeichnet sich schnell ab, dass das Gericht die Bedenken der Klägerin nicht teilt. Im Tonfall und der Ausführlichkeit eines Jura-Proseminars referiert die Vorsitzende Richterin Ilona Junge-Horne, es gebe „kein absolutes Recht, nicht namentlich genannt zu werden“. Zudem habe die Klägerin selbst ihr Profilfoto bei LinkedIn hochgeladen, es sei auch auf der Webseite ihres Arbeitgebers zu finden. „Es ist da, um die Klägerin vorzustellen. Nichts weiter macht auch der Beklagte“ – also Hohloch – in seinen Posts.

Die Aussage Hohlochs, die Klägerin wolle ihn „canceln“, hält das Gericht für eine Meinungsäußerung, „die man sich gefallen lassen muss“. Des Weiteren handele es sich bei vielen weiteren Aussagen um wahre Tatsachenbehauptungen. Auch die 12-jährige Tochter der Klägerin werde „nur kurz erwähnt“ und – wie ihre Mutter auch – „nicht herabsetzend“.

Der Anwalt der Klägerin, Thomas Moritz, zeigt sich empört angesichts dieser Interpretationen: „Meine Mandantin ist in die Öffentlichkeit gezerrt worden“. Entscheidend sei der Kontext der Social-Media-Posts, und der sei „polemisch, anprangernd, unverhältnismäßig“, so Moritz. Die Tochter werde zudem „angreifend identifiziert“, indem der Name der Grundschule sowie der Nachname des Kindes veröffentlicht werden.

Fraktion kommt ungeschoren davon

Die Entscheidung über die Unterlassungsklage gegen Dennis Hohloch will das Gericht Ende November verkünden. Doch die AfD-Fraktion kommt bereits jetzt ungeschoren davon. Grund dafür ist eine Spitzfindigkeit: Die Fraktion von Juli existiert seit der Landtagswahl im September nicht mehr als juristische Person. Anwalt Moritz muss deshalb seinen Antrag für erledigt erklären.

Anne Brügmann frustriert der Verlauf der Verhandlung: „Das ist nicht ermutigend für alle anderen Betroffenen von Online-Hetze“, sagt die Opferberaterin zur taz.

Der Fall sei ein gutes Beispiel dafür, wie die AfD Menschen einschüchtere: „Es ist ein Pranger: Die Posts enthalten die Aufforderung an die Anhängerschaft, darunter zu kommentieren.“ Und was sich in den Kommentaren abspiele, sei „unglaublich“: Vergewaltigungsfantasien, Fragen nach der Wohnadresse der Mutter und ihrer Tochter. „Die Klägerin wollte niemals öffentlich gegen die AfD auftreten“, betont Brügmann.

Account zwischenzeitlich gesperrt

Es ist nicht das erste Mal, dass Dennis Hohlochs Aktivitäten in den sozialen Netzwerken für Empörung sorgen. In der Vergangenheit gab es teils auch Konsequenzen. Im Juni etwa hatte TikTok mehrere seiner Beiträge als „Hassrede“ oder „hasserfülltes Verhalten“ eingestuft. Sein Account wurde stark eingeschränkt, ein kurzfristig eröffneter Ersatzaccount vollständig gelöscht. Inzwischen hat sich Hohlochs Followerzahl auf TikTok halbiert.

Der 35-Jährige sitzt seit 2019 für die AfD im Brandenburger Landtag, seit der Wahl im September als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Oder-Spree II, der unter anderem die Stadt Eisenhüttenstadt umfasst. Er ist parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Das Landesamt für Verfassungsschutz stuft ihn als erwiesen rechtsextrem ein – wie auch zehn weitere Fraktionsmitglieder.

Hohloch – der vor seiner politischen Karriere als Geschichts- und Geografielehrer in Berlin arbeitete – mischt auch auf Bundesebene in der AfD mit. Als Schriftführer ist er Mitglied im Bundesvorstand der Partei.

Gemeinsam mit dem Brandenburger AfD-Chef René Springer gehört Hohloch wohl der Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier an, die die AfD als moderne, rechte Partei an die Macht bringen will. Dem Münzenmaier-Netzwerk geht es dabei keineswegs um eine ideologische Abmilderung. Seine Mitglieder propagieren vielmehr ein professionelles und geschlossenes Auftreten und weniger öffentlichen Streit in der Partei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!