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Neues Bild in der Frauen-BundesligaAufstand aus der zweiten Reihe

An der Tabellenspitze der Bundesliga ist es so eng wie lange nicht. Konzernklubs wie Bayer Leverkusen rücken Bayern und Wolfsburg auf die Pelle.

Gut eingekauft: Die Dänin Cornelia Kramer traf gleich doppelt Foto: Jan Huebner/imago

Köln taz | Der Blick auf die Tabelle am Sonntagmorgen dürfte Bayer Leverkusen gefallen haben. Da war der Konzernklub dank des knappen 2:1-Sieges im Rheinderby gegen Köln sensationell auf den zweiten Platz gesprungen und rangierte nur einen Punkt hinter den Meisterinnen aus München. Natürlich, es war bloß eine Erinnerung zum Abfotografieren, denn die Konkurrenz hatte ja noch nicht gespielt. Am Montag treffen Bayern München und Eintracht Frankfurt zum Duell um die Tabellenspitze aufeinander, und ein paar Takte mitreden will auch noch der VfL Wolfsburg, der am Sonntag (nach Redaktionsschluss) spielte.

Vier Teams dicht an dicht, davon drei mit Chancen auf die Tabellenführung? Das gab es lange nicht im Bayern-Wolfsburg-Dominanzland. Üblicherweise haben sich zu dieser Zeit die beiden Titaninnen längst abgesetzt. Und es gab Jahre, da entschied allein die Partie Bayern–Wolfsburg über den Titel, weil eh fast niemand den beiden Teams Punkte abnehmen konnte. Diese Zeiten sind vorbei. Wenngleich andere Meisterinnen vorerst unrealistisch scheinen.

„Wir haben sehr vieles unternommen, dass wir aus dem Mittelfeld der Tabelle wieder eine Spitzenmannschaft geworden sind“, hat Frankfurts Trainer Niko Arnautis vor der Saison gesagt. „Wir sind sehr nah herangekommen, aber natürlich ist es noch ein bisschen Arbeit, um ganz oben dranzukommen.“ Mindestens Platz drei soll es für die Eintracht werden, manch eine traut dem eingespielten Team aber auch den zweiten Platz zu. Im direkten Duell besiegten die Frankfurterinnen den VfL Wolfsburg mit 3:0. Leverkusen wiederum lag gegen Bayern zweimal in Führung und verlor spät und unglücklich mit 2:3.

Breitere Basis

Die zweite Reihe ist in Schlagdistanz gekommen. Weil sie ihr Investment hochschraubt – aber auch, weil es eine breitere Basis an guten Spielerinnen gibt. „Wir wollen den Abstand zu den Top vier verkürzen“, hat Leverkusens neuer Trainer Roberto Pätzold ausgerufen. Eigentlich möchte auch die chronisch unter Wert spielende TSG Hoffenheim auf einen Champions-League-Platz. Und es ist kein Geheimnis, dass RB Leipzig ebenfalls so bald wie möglich in die Königsklasse will. Ausgerechnet die Investorenklubs wollen der Langeweile ein Ende setzen.

Der finanzielle und strukturelle Rückstand auf die beiden Topteams bleibt allerdings gewaltig, am ehesten kommt Frankfurt heran. Und so können sich die Verfolgerinnen diese Saison auch bei den äußeren Umständen bedanken: Die Münchnerinnen wirken nach der extrem kurzen Sommerpause mit Olympia-Belastung oft überspielt und wackeln vor allem in der Defensive. Und der VfL Wolfsburg befindet sich nach den schmerzhaften Verlusten von Oberdorf, Pajor und Janssen im Umbruch, womöglich auch in einem sportlichen Niedergang. Glückliche Zeiten für aufstrebende Klubs.

Die größte Überraschung darunter ist Bayer Leverkusen. Bis 2008 interessierte man sich bei Bayer nicht im Geringsten für Frauenfußball, dann pendelte das vom TuS Rechtsrheinisch übernommene Team lange zwischen den beiden oberen Ligen. Erst in den letzten Jahren macht man ernster und hat sich im oberen Mittelfeld etabliert.

Im Franz-Kremer-Stadion gegen leidenschaftliche Kölnerinnen ließ sich zweierlei beobachten: Warum diese Saison so gut läuft – und wie groß die Lücke zu den Spitzenteams noch ist. Leverkusen presste hoch, war extrem fleißig in den Zweikämpfen und spielte punktuell wunderbare Konterkombinationen. Gut eingekauft hat man außerdem: Die Dänin Cornelia Kramer, die gleich doppelt traf, ihre Sturmpartnerin Caroline Kehrer und die starke Rechtsverteidigerin Menglu Shen.

Aber die Spielkontrolle hatte Bayer nicht, immer wieder unterliefen einfache Fehlpässe, zu weit vorgelegte Bälle, Ungenauigkeiten. „Wir waren am Ende der etwas glücklichere Sieger“, räumte Trainer Pätzold ein, der an der Seitenlinie derart getobt hatte, dass er auf die Tribüne verbannt wurde. „Wir wollen ein unangenehmer Gegner sein, hoch pressen, Fehler erzwingen. Das bringen wir schon gut auf den Platz. Aber oft“, so der Coach, „waren wir mit nur einem Tor in Führung und mussten am Ende leidenschaftlich verteidigen. Es fehlt uns noch, den nächsten Schritt zu gehen: mit mehr Ballbesitz zu kontrollieren und ein Spiel auch mal mit 3:1 nach Hause zu bringen.“

Gut möglich also, dass sich die Tabelle im weiteren Saisonverlauf ins übliche Bild verschiebt. Aber auch nicht ausgeschlossen, dass den Frankfurterinnen am Montag in München ein Coup gelingt. Und allein, dass man das für möglich hält, ist schon eine Neuigkeit.

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