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Plattform mitgeldundverstand.de„FDP-Inhalte“ getarnt als Bildung

Finanzminister Lindner und Bildungsministerin Stark-Watzinger bringen ihre „Initiative Finanzielle Bildung“ voran. Sie ernten sehr gemischte Reaktionen.

Aktion unter dem Motto „Bremst euch, Marktradikale!“ von Attac am 15. Oktober 2024 Foto: Stephanie Handtmann

Berlin taz | Jede Ampelpartei hat ihre Lieblingsprojekte. Die SPD das Rentenpaket, die Grünen die Kindergrundsicherung. Und die FDP die Finanzbildung. Und die läuft – im Gegensatz zu anderen Koalitionsvorhaben – ziemlich geräuschlos an. Was wohl daran liegt, dass die Liberalen die beiden zuständigen Ressorts innehaben: Finanzen und Bildung.

Und so sind Finanzminister Christian Lindner und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger schon ziemlich weit mit ihren erklärten Zielen zur Stärkung der Finanzbildung: Die Plattform „mitgeldundverstand.de“, die künftig umfassend Bildungsangebote bündeln soll, gibt es schon seit Monaten. Ein erstes großes Forschungsprojekt zum Thema hat das Bildungsministerium (BMBF) im Sommer in Auftrag gegeben. Und das Finanzministerium (BMF) hat soeben einen Gesetzentwurf vorgelegt, um „dauerhafte Strukturen“ für eine nationale Finanzbildungsstrategie zu schaffen. Unter anderem soll eine neue Stiftung entstehen.

Wie viel Resonanz Lindner und Stark-Watzinger damit in der Branche auslösen, zeigt das „Festival der Finanzbildung“, das am Dienstag in Berlin stattfand. Mehr als 200 Organisationen, Vereine, Unternehmen und Verbände, aber auch Forschende oder andere Ex­pert:in­nen haben nach Angaben der Veranstalter Beiträge eingereicht. Unter den 120 Red­ne­r:in­nen sind Banker:innen, Unternehmer:innen, „Fin­fluen­cer:innen“ (financial influencer:innen) und Verbraucherschützer:innen.

„Dass so viele unserer Einladung gefolgt sind […] zeigt uns: Sie sehen auch die Bedeutung des Themas“, freute sich Lindner zur Begrüßung. Stark-Watzinger lobte die „ganz tolle Bandbreite“ an Festivalbeiträgen, von „Stereotypen im Rahmen der Finanzen“ bis hin zu „ganz konkret: fünf Punkte, wie lege ich an?“. Mit Finanzbildung könne man nicht früh genug beginnen, so die Bundesbildungsministerin.

Jugendliche wollen mehr Alltagsbezug

Rückenwind erhalten die beiden FDP-Politiker:innen von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). In einem im Mai veröffentlichten Bericht schlägt sie unter anderem vor, die Finanzbildung bei jungen Menschen zu stärken. So wünsche sich eine Mehrheit der 14- bis 24-Jährigen, in der Schule mehr über Finanzanlagen oder Altersvorsorge zu lernen.

Diese Leerstelle bestätigt auch die Bundesschülerkonferenz. „Wir fordern schon lange mehr alltagsbezogenen Unterricht“, sagt Generalsekretär Fabian Schön der taz. Etwa, auf was man bei Handyverträgen achten müsse. Die Initiative von BMF und BMBF begrüße der Gymnasiast deshalb.

Doch es gibt auch Kritik an dem Vorstoß. Holger Oppenhäuser ist eigens nach Berlin gereist, um beim „Festival“ kritische Flugblätter zu verteilen. Oppenhäuser ist bei der Nichtregierungsorganisation Attac für Bildungsmaterialien zuständig. „Mit diesem vermeintlichen Bildungsprojekt werden FDP-Inhalte wie Schuldenbremse oder Aktienrente beworben“, so Oppenhäuser. Dass die Steu­er­zah­le­r:in­nen in diesem Jahr dafür rund zehn Millionen Euro bezahlen, nennt er einen „Skandal“.

Am Freitag hat Attac zusammen mit der Otto-Brenner-Stiftung eine Studie zur Initiative Finanzielle Bildung veröffentlicht. Das Fazit: BMF und BMBF wollen damit die Bevölkerung zum Investieren an den Finanzmärkten bewegen. „Ein ausgewogenes Bildungskonzept fehlt komplett“, sagt der Berliner Erziehungswissenschaftler und Studienautor Thomas Höhne der taz. So sei der Fokus einseitig auf die finanzielle Bildung gelegt, dabei umfasse die ökonomische Bildung beispielsweise auch sozialwissenschaftliche Konzepte. Dieser Aspekt komme jedoch so gut wie gar nicht vor.

KMK-Präsidentin skeptisch

Es ist jedoch fraglich, ob Lindner und Stark-Watzinger mit ihrem Anliegen überhaupt an den Schulen landen. Die Bundesländer begegnen der Initiative mit einer gewissen Skepsis. Entsprechend zurückhaltend äußerte sich die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) gegenüber der taz. Kooperationen mit Banken oder Versicherungen würden dabei helfen, Finanzwissen praxisnah zu vermitteln, so Streichert-Clivot. Allerdings müssten diese Kooperationen „transparent und im Sinne der Bildungsziele“ gestaltet werden.

In ihrem Ministerium würden daher die Vorbehalte an der Initiative geteilt. Vor allem die Ausrichtung der geplanten Stiftung werde kritisch gesehen, da diese die Beteiligung am Kapitalmarkt fördern wolle, um damit Wirtschaftswachstum zu generieren. „Finanzbildung sollte jedoch den Finanzmarkt differenziert und kritisch beurteilen und dabei vielmehr die Eigenverantwortung und den verantwortungsvollen Umgang mit Geld auch im gesamtgesellschaftlichen und globalen Kontext in den Mittelpunkt stellen“.

Am Montag hatte bereits die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vor einer verengten Finanzbildung gewarnt. Wer junge Menschen als künftige Käu­fe­r:in­nen auf Finanzmärkten in den Fokus stelle, so GEW-Vorsitzende Maike Finnern, betreibe „ideologische Schmalspurbildung“.

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13 Kommentare

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  • GEW, Attac, Brenner-Stiftung und die Demonstranten vor dem Festival haben natürlich recht mit ihren Bedenken, dass auf dem Festival und in der aktuellen Finanzbildung neben Bundesbank und Bafin aktuell private Initiativen vor allem der Finanzwirtschaft dominieren.



    Dazu muss man allerdings ehrlicherweise aber auch anmerken, dass



    a) in den letzten 20 Jahren weder von Unis noch von Kultusministerien und Landesbildungservern irgend etwas an Konzepten, Materialien oder Unterrichtsmaterialien für die Schulen und Lehrkräfte vor Ort gekommen ist; auch die vom Bundesbildungsministerium unterstützten 15 Forschungsvorhaben haben bis heute nichts auf die Reihe bekommen und diskutieren noch über ihre Forschungskonzepte;



    b) das Sponsoring von Deutscher Bank, Diba und anderen Banken für Initiativen und Start-Ups inzwischen sehr indirekt und für Außenstehende kaum noch erkennbar ist, auch nicht bei den Inhalten, wo Produkt- und Markenwerbungen kaum noch vorkommen.



    Auf diesem Hintergrund wäre es daher wohl richtiger, nicht gegen die zu protestieren, die sich engagieren, sondern gegen diejenigen, die nichts tun: Kultusministerien, Bildungsserver und Bundesbildungsministerium.

  • Nanu? Die Probleme bei der Geldanlage sollten sich doch in spätestens 7 Jahren wegen der ersten Fusionskraftwerke, die lt. Stark-Watzinger in D ans Netz gehen werden, erledigen. Die Energiepreise werden ins Bodenlose fallen, mit allen zu erwartenden großartigen Konsequenzen.

  • Ist eigentlich jemandem aufgefallen, dass die Alternative, die genannt wird, Kooperationen mit Banken und Versicherungsn sind? Die ja bekanntlich völlig neutral und objektiv sind?

    Und aus meinem Lehreralltag: über globale Zusammenhänge, über Gerechtigkeit und Ethik sprechen wir immer und immer wieder. Über Mechanismen von Märkten, oder einfach über Finanzen im Allgemeinen und Speziellen, nie. So können Schüler dann da eben nichts verstehen...

  • Attac hat als Gegenentwurf zur erwähnten FDP-Plattform "Mit Geld und Verstand" die Plattform www.geldmitverstand.de entwickelt. Dort findet sich auch die erwähnte Studie von der Otto Brenner Stiftung und Attac.

  • Finde ich ausgesprochen positiv. Gerade die jüngeren Leute sagen, dass sie sich bei Anlagethemen selbst kümmern müssen, da die Eltern nix dazu wissen, bzw. sag ich, sich seit Generationen vom örtlichen Banker provisionsgetrieben veräppeln lassen müssen.



    Gerade weil es hier Gewinner und Verlierer gibt, sollte die TAZ hier proaktiv das Thema aufnehmen. Ethische Anlagen, gerne (!), bringen die doch häufig auch gute Renditen für die Anleger. Und das sich Bürger mit Rendite, wenn sie denn wollen, an der Energiewende, Verkehrswende, Veggieindustrie... erfolgreich beteiligen können. Ist doch super!!

  • Wo sollen die meisten jungen Menschen denn Geld hernehmen, um Aktien zu kaufen?



    Wichtiger wäre, sie vor unbedachten Ausgaben zu warnen und ihnen zu erklären, für welche Notfälle sie unbedingt Geld zurücklegen sollten, wie sie notwendige Fixkosten priorisieren und unnötige Vertäge minimieren sollten.



    Welche Versicherungen sind überflüssig, welche notwendig?



    Wie kann ich mich günstig gesund ernähren?



    Sowas.

    • @Patricia Winter:

      Solche Inhalte sind werden da auch transportiert. Aber das Thema Finanzmärkte ist halt ein Trigger für die, die lieber den "gesamtgesellschaftlichen und globalen Kontext in den Mittelpunkt stellen“ wollen, das heißt, statt der kritisierten „ideologische Schmalspurbildung“ lieber eine ebenso ideologische Breitbandberieselung auffahren wollen, mit der die tatsächlichen Probleme der jungen Menschen (Fabian Schön von der BSK erwähnt Handyverträge, aber auch Versicherungen, Vorsorge, Mieten usw. wären doch gute Themen) überhaupt nicht angegangen werden... naja.

  • Es ist wie üblich bei der Kirmespartei FDP: viel Lärm um (nein, nicht NICHTS) die eigenen Interessen. Schade dass unser Finanzgenie Lindner keine Gelegenheit in seinen frühen Jahren hatte, ein derartiges Fortbildungsprogramm zu besuchen. Vielleicht hätte er dann seine Firma trotz staatlicher Hilfe nicht in die Pleite gesteuert....

  • Ständig über Armut jammern, aber sich über Bildung zum Thema Geld und Finanzen abschätzig lustig machen. Tipp: Nicht nur durch Umverteilung kann man aus der Armut herauskommen, sondern auch durch vernünftigen Umgang mit seinen Ressourcen. Und das können viele eben nicht. Was spricht dagegen, dem abzuhelfen?

    • @PeterArt:

      Egal, was es ist, egal, was passiert: FDP schlecht. So ist das hier.

  • Parteinahe Stiftungen, die auch noch Stipendien vergeben, sollten immer unbedingt kritisch gesehen werden !

  • Neoliberale FDP Parteipropaganda auf Steuerkosten bei Schülern. Hmm. Gefällt mir irgendwie nicht.



    Generell ist es natürlich gut, die Jugend zur Abwechslung mal mit realitätsrelevanten Themen in der Bildung zu konfrontieren. Aber ich bin sicher, dass "Finanzbildung" hier nur neoliberale Ideen verbreiten lässt. Oder?



    Gut wäre es, echte VWL zu betreiben und auch gute neue Theorien, wie die Modern Monetary Theory zu lehren.



    Das w+rde freilich den größten Teil von Lindners Finanzpolitik ad absurdum führen.

  • Besser die Finanzbildung z.B. der gemeinnützigen Stiftung finanztip de überlassen als der FDP.