Staatshaushalt in Großbritannien: Mehr einnehmen, mehr ausgeben
Großbritanniens neue Labour-Regierung präsentiert ihren ersten Haushalt. Steuern und Abgaben steigen deutlich, öffentliche Investitionen aber auch.
Der Haushalt schraubt die Steuerlast der Briten auf die höchste seit 1948 und die Staatsquote auf über 44 Prozent. Bereits am Montag hatte Premierminister Keir Starmer „harte Entscheidungen“ angekündigt, „darunter erhöhte Steuern, um eine neue Austerität zu verhindern und stattdessen die öffentlichen Dienste wiederaufzubauen“. Der Umfang der Steuer- und Abgabenerhöhungen beträgt 40 Milliarden Pfund (rund 48 Milliarden Euro) pro Jahr, über die Hälfte davon entfällt auf deutlich höhere Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber.
Zur Rechtfertigung sprach Reeves von schweren aber notwendigen Entscheidungen, da die vorherige konservative Regierung ein Haushaltsloch von 22 Milliarden Pfund (gut 26 Mrd. Euro) hinterlassen hätte. Davon spricht Labour schon seit Regierungsbeginn, wobei die Konservativen diese Zahlen vehement bestreiten. Labour habe „die Zahlen manipuliert“, rief Oppositionsführer und Ex-Premier Rishi Sunak in seiner Replik auf Reeves.
„Mehr Pfund in den Taschen der Menschen“
Immer wieder wiederholte Reeves ihr Versprechen von Wachstum, Stabilität, Wirtschaftsfreundlichkeit, Disziplin und Verantwortung. Man wolle gegen Betrug, Steuerhinterziehung und Verschwendung vorgehen und sicherstellen, dass jeder Penny Steuergeld weise ausgegeben werde.
„Mehr Pfund in den Taschen der Menschen. Ein Gesundheitssystem, das bereit steht, wenn Du es brauchst. Eine Wirtschaft, die wächst, die Wohlstand und Chancen für alle schafft“, versprach sie in einem äußerst selbstsicheren Ton. Im Echo von Tony Blairs Mantra „Bildung, Bildung, Bildung“ appellierte sie: „Investieren, investieren, investieren.“
Die Kreditaufnahme im kommenden Haushaltsjahr steigt auf 40 Milliarden Pfund, fast doppelt so viel wie bisher angesetzt. Die Regierung muss nämlich mehr Geld in das marode staatliche Gesundheitssystem NHS stecken, ins Bildungswesen und ins Justizsystem.
Arbeitnehmer:innen rutschen in höhere Steuerklassen
Öffentliche Investitionen von über 100 Milliarden Pfund über fünf Jahre soll es geben, dazu gehört ein milliardenschweres Förderprogramm für den Wohnungsbau und ein Nationaler Vermögensfonds („National Wealth Fund“) in einem Umfang von 5,8 Mrd. Pfund für Investitionen in grüne Technologie und Projekte. Im Juli waren dafür noch 7,3 Milliarden vorgesehen gewesen.
Der Haushalt ist seit Wochen Thema intensiver Vorabberichterstattung und Debatten. Zentrales Thema war und ist die Auslegung des Labour-Wahlversprechens, keine Steuern für arbeitende Menschen zu erhöhen. Reeves Haushalt erhöht nun tatsächlich weder die Mehrwertsteuer noch die Einkommensteuer noch die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer.
Da aber die Einkommensgrenzen für höhere Steuersätze für die nächsten vier Jahre eingefroren bleiben, rutschen immer mehr Arbeitnehmer:innen in höhere Steuerklassen. Der gesetzliche Mindestlohn aber steigt, die Einkommensobergrenze für den Bezug von Pflegebeihilfen wird deutlich angehoben.
Haushaltsprüfbehörde: Haushalt werde Inflation erhöhen
Härten gibt es an anderen Stellen, oft bereits vorab angekündigt: Die Obergrenze für eine Busfahrt im öffentlichen Nahverkehr steigt von zwei auf drei Pfund, die bedingungslose allgemeine Heizkostenbeihilfe für Rentner wird abgeschafft, die Kindersozialhilfe auf zwei Kinder pro Haushalt beschränkt. Das alles trifft insbesondere ärmere Bevölkerungsschichten Wohlhabendere werden unter anderem durch höhere Kapitalertragssteuern getroffen.
Für viele Unternehmer:innen sieht all dies nicht unbedingt wie ein Plan für mehr Wirtschaftswachstum aus. Noch während Reeves sprach, veröffentlichte die unabhängige Haushaltsprüfbehörde OBR (Office for Budget Responsibility) ihren Wirtschaftsausblick 2024, der ein unerwartet kritisches Urteil fällt. Der Haushalt werde die Inflation erhöhen und „die Wirtschaftsleistung kurzzeitig ankurbeln, das BIP aber in fünf Jahren weitgehend unverändert lassen“, heißt es darin.
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