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Streit um den Radweg in der KantstraßeEin bizarres Stöckchen

Kommentar von Claudius Prößer

Ein CDU-Stadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf droht, Wohnungen zu räumen – eine neue, absurde Wende im Konflikt um den Radweg in der Kantstraße.

Nach vier Jahren immer noch „pop-up“: Radweg auf der Kantstraße Foto: IMAGO / Rüdiger Wölk

W enn sich in Berlin Bezirks- und Senats­ebene verheddern und vermeintlich naheliegende Lösungen praktischer Probleme ad absurdum führen, hat man als Beobachter kaum noch Lust, über das nächste Stöckchen zu springen, das einem die Beteiligten hinhalten. Im Fall der Charlottenburger Kantstraße ist das Stöckchen allerdings so bizarr und knorrig, dass man es dann doch nicht einfach ignorieren kann.

Stöckchenhalter ist der für Stadtentwicklung zuständige Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU). Er hat einen Brief an die Senatsverkehrsverwaltung geschrieben und „Nutzungsuntersagungen“ für Wohnungen an der Kantstraße angekündigt, die im dritten Stock oder höher liegen. Denn durch den in Coronazeiten angelegten Pop-up-Radweg sei auf der Straße zu wenig Platz für die Aufstellung von Löschfahrzeugen. Wenn’s dann mal brennen sollte – so Brzezinksi Argument –, könnten die rettenden Leitern nicht hoch genug ausgefahren werden.

Die Problembeschreibung ist so alt wie umstritten: Mitte 2020 wurde der Radweg per Farbrolle geschaffen, seitdem wird neben dem Gehweg geradelt, es folgen eine Park- und eine Fahrspur für den motorisierten Verkehr. Die ÖPNV-Lobby kritisiert, dass nun die Busse im Stau stehen und quasi der Mobilitätswende geopfert worden seien, die Radlobby hält dagegen, dass die großen Gelben früher auch nicht mehr Bewegungsfreiheit hatten, weil auf der zweiten Fahrspur zuverlässig falsch geparkt wurde.

Die Sache mit der Feuerwehr beschäftigt Bezirk und Senat ebenfalls von Anfang an, zumal im Hinblick auf die anstehende und immer noch nicht erfolgte „Verstetigung“ der vorläufigen Lösung. Laut den professionellen BrandbekämpferInnen ist ein Aufbocken der Leiterwagen derzeit nicht optimal, aber möglich.

Still ruht der See

Bauliche Lösungen, die allen Seiten zugute kämen, wie die, ein wenig vom begrünten Mittelstreifen abzuknapsen, sind laut Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) erarbeitet, Senatorin Ute Bonde (CDU) handele aber nicht: „Wir haben das vor fünf Monaten eingereicht, und still ruht der See“, so Schruoffeneger zur taz.

Unklar ist, ob Brezinskis – wohl nicht ganz ernst gemeinter – Vorstoß der Senatsverwaltung generell Druck machen soll oder ob es sich einfach nur um ein CDU-Spiel mit verteilten Rollen handelt: Am Ende könnte die Landesebene schließlich entscheiden, dass für den Radweg eben kein Platz ist.

Der Vorschlag von Changing Cities e. V., lieber die Parkplätze zu streichen und wie auf der Schöneberger Hauptstraße eine Busspur mit temporären Haltezonen einzurichten, klingt leider schon fast aus der Zeit gefallen: Die Wende der Verkehrswende schreitet voran.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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6 Kommentare

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  • Radstreifen rechte Spur, PKW mittlere Spur, Parken linke Spur (also die neben dem Mittelstreifen).



    An sich sind es die Falschparker, die die ganzen Probleme verursachen.

    Kann man das nicht mit Videoüberwachung kontrolliert bekommen?

    Zivilisierten Busfahrern könnte man die Wahl der Spur überlassen, Taxis sind PKW.

  • Wieso kann die Feuerwehr ihre Leiter-Fahrzeuge nicht über den Radstreifen zum Brandort bewegen und dort dann auch abstellen? Ist der Radstreifen dafür zu schmal? Könnte der Parkstreifen auf schmalere PKW begrenzt werden und so dringend benötigter Platz gewonnen werden?

    Im übrigen haben Wohnungen im Hinterhaus regelmäßig auch keine Feuerwehrzufahrt, ist halt Bestand und da gelten andere Regeln.

  • Wirklich bizarr, dass letztlich wegen eines Autoparkstreifens mitten auf der Straße die Feuerwehr nicht mehr durchkommt, und Mieter bedroht sind.

    Besonders dreist, wenn gleichzeitig deswegen ein Radweg in Frage gestellt wird, obwohl es auf der Kantstraße rund 10 (!) Parkhäuser mit tausenden Parkplätzen gibt - also bereits ein Überangebot an Stellflächen für Privat-KfZ.

    Aus offenbar ideologischen Gründen ist der Autoparkstreifen jedoch wichtiger als Feuerwehr, flüssiger Verkehr, Radweg, Mieter & Co.

    • @Stefan44:

      10 parkhäuser auf der kantstrasse mit tausenden parkplätzen....der ist gut: www.parkopedia.de/...aving=202410231000

      • @alterverwalter:

        Ich sehe da 6 öffentliche Parkhäuser bzw. Tiefgaragen an der Kantstraße mit über 1000 Plätzen. Mehr als einen habe ich nie benötigt. Wo ist also das Problem?

        • @meerwind7:

          das problem ist, das die ganze verkehrssituation auf der kantstrasse seit jahren eine katastrophe ist. auf dem kurfürstendamm konnte die busspur eingerichtet werden weil die kantstrasse als ausweichstrecke ausgewiesen wurde.



          seit errichtung des pop-up radweg ( es geht nicht um einen pop-up parkstreifen), kann die kantstrasse das nicht mehr erfüllen. seit jahren gibt es streit aber keine lösungen, das mit den anwohnern soll letztendlich druck für eine vernüftige lösung erzeugen. nicht fein das so zu machen, aber anscheinend notwendig. aber bitte eine lösung für alle verkehrsteilnehmer, parkstreifen weg und auf umliegende parhäuser verweisen ist doch keine lösung für handwerker, lieferdienste, behinderte, zusteller...