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Angespannter HaushaltBerlin stoppt Klassenfahrten

Kommentar von Uta Schleiermacher

Wegen knapper Kassen dürfen Schulen in der Hauptstadt keine Fahrten mehr buchen. Es ist der Beginn von Einsparungen, die sich später fatal auswirken.

Als Ziel für Klassenfahrten wird Berlin weiter attraktiv sein: Schü­le­r*in­nen mit ihrem Gepäck bei einer Reise an die Spree Foto: Arno Burgi/dpa

I m Prinzip sind sich ja immer alle einig: Bildung ist wichtig, und in diesem Bereich sollte nicht gespart werden. Vor allem gilt Schule als Ort, der Ungleichheiten ausgleicht – oder zumindest abmildert. Denn schließlich haben alle Kinder und Jugendlichen das Recht auf Bildung. Und Schule sollte allen gleichermaßen Chancen und Möglichkeiten bieten. Einig sind sich auch alle darin, dass es zu guter Bildung gehört, die Schule mal zu verlassen und auf Reisen zu gehen.

Doch Berlin zeigt gerade, dass auf solche Bekenntnisse in wohlklingenden Reden nicht viel zu geben ist. Die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat die Schulen aufgefordert, bis auf Weiteres – mindestens bis Ende November – keine Klassenfahrten mehr zu buchen. Sie begründet das mit Haushaltsvorgaben der Berliner Finanzverwaltung: Schulen sollen keine Verträge abschließen, die dem Land künftig Kosten verursachen. Laut Finanzverwaltung muss Berlin 2025 drei Milliarden Euro einsparen.

Konkret geht es bei der Sparansage nicht um die Klassenfahrten an sich, sondern um die Reisekosten für die begleitenden Lehrer*innen. Die Fahrten gelten als Dienstreisen, das Land übernimmt bisher deren Reisekosten. Doch die Verwaltung habe sämtliche Dienstreisen nun gestoppt, sagt die Senatorin. Solange unklar ist, wo genau Berlin drei Milliarden einsparen kann, sollen keine neuen Kosten entstehen. Dabei machte die CDU-Politikerin deutlich, dass Fahrten weiterhin stattfinden könnten, wenn Leh­re­r*in­nen bereit seien, selbst für ihre Reisekosten aufzukommen.

Nicht möglich ist es allerdings, die Kosten für Begleitpersonen auf die Schü­le­r*in­nen umzulegen, das hatten Gerichte in der Vergangenheit untersagt. Zuschüsse für Schüler*innen, die Anrecht auf Leistungen aus den Bundesmitteln für Bildung und Teilhabe haben, gibt es weiterhin.

Bereitwilliges Streichen bei der Bildung

Es ist nicht das erste Mal, dass Klassenfahrten wegen klammer Kassen ausgesetzt werden, und Berlin ist nicht das erste Bundesland, das Klassenfahrten stoppt. Erst im vergangenen Sommer hatte auch Schleswig-Holstein solche Fahrten massiv eingeschränkt. Doch es erstaunt immer wieder, wie bereit­willig die Politik im Bereich der Bildung zusammenstreicht und verknappt, während die Verantwortlichen gleichzeitig betonen, wie wichtig solche Angebote sind. Dass Klassenfahrten den Zusammenhalt von Lerngruppen fördern, dass Erfahrungen außerhalb der Schule sehr wertvoll für die Schü­le­r*in­nen sind und ihren Horizont erweitern – das weiß und sagt auch die Bildungssenatorin.

Gleichzeitig ist das Sparpotenzial übersichtlich. Insgesamt waren laut Bildungsverwaltung für das laufende Jahr 1,5 Millionen Euro für Klassenfahrten in den Haushalt eingestellt. Dieser Betrag wird Berlins Haushaltsloch kaum stopfen.

Und vor allem hat die Idee, dass Leh­re­r*in­nen die Kosten ja selbst tragen könnten, einen faden Beigeschmack. Es ist sogar gut denkbar, dass die ein oder andere Lehrkraft 300 Euro aus der eigenen Tasche zahlt, um ihren Schü­le­r*in­nen ein schönes Erlebnis zu ermöglichen. Aber engagierte Leh­re­r*in­nen leisten sowieso schon viel. Die Politik muss bessere Ideen haben, um auch in finanziell schwierigen Zeiten zu gestalten. Da auf Selbstausbeutung zu setzen, ist zu schwach.

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Ein Stopp von Klassenfahrten ist auch nichts „irgendwie zu Verschmerzendes“. Denn dass die Politik da dran geht, ist ein Warnzeichen: In der Bildung und im Sozialen dreht die Politik inzwischen jeden Euro mehrfach um, bevor sie ihn ausgibt. Dabei ist schon lange klar: Jeder früh eingesetzte Betrag spart am Ende das Mehrfache an Folgekosten ein, mit denen unterfinanzierte Systeme wieder stabilisiert werden müssen.

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7 Kommentare

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  • Vielleicht könnte man etwas vom Budget für den Reparaturkostenzuschuss umwidmen, hinein in das Schulbudget.

  • Da fragen sie sich, wie sie die AfD stoppen könnten und dann machen sie so was.

  • Tja, in Berlin ist die SPD seit der Wiedervereinigung nonstop mit an der Macht.



    Seit der Jahrtausendwende stellte sie gar 18 Jahre den Bürgermeister - das sind 75% der Zeit.



    Mit an der Macht waren in diesem Zeitraum 17 Jahre die Linke, 7 Jahre die Grünen und 5 Jahre die CDU.



    Bildung ist bekanntlich Ländersache, auf 16 Jahre Merkel kanns also nicht geschoben werden - nun erschließe es sich jeder selbst, wer Berlin Schulmisere und finanziellen Scherbenhaufen aufgebürdert hat...



    ❤️ 💜

  • Aber im Ernst,



    Wer fährt schon bis November auf Klassenfahrt? Ich denke, ab Jänner sieht das wieder anders aus.



    Und zur Not mal bei der Orts-CDU nachfragen. Die machen gerne eine Busfahrt zum Reichstag.

  • An Bildung und Sozialem sparen die Rechten immer am liebsten. Wozu auch Geld für die Gemeinschaft ausgeben, wenn es genügend private Schulen für die Kinder der besserverdienenden gibt. Das selbe Prinzip funzt in den USA ja auch hervorragend.

    Konservativismus ist heutzutage die Bewahrung der privilegien und Besitztümer des Geldadels.

  • Wer an den Jungwählern spart muss sich nicht wundern, wenn diese AfD wählen. Denn was haben sie von den Regierenden noch zu erwarten - nichts. Wieder eine Steilvorlage für BSW und AfD. Wer die Jugend unsolidarisch weiterhin für die verfehlte Politik der letzten Jahrzehnte bestraft, muss sich nicht wundern, wenn die Jungwähler die nichtdemokratischen Parteien wählen.

  • Sich dann aber wundern, wenn die Schüler irgendwann mal eine Alternative wählen. Und da hilft KEIN Verbotsverfahren,