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Polizeigewalt in den USABis zu 20 Jahre Haft möglich

Anfang 2023 verprügelten Polizisten in Tennessee den Afroamerikaner Tyre Nichols, er starb an den Verletzungen. Nun fielen Urteile gegen sie.

Rechtsanwalt Ben Crump (l.) und RowVaughn Wells (2.v.l), die Mutter von Tyre Nichols, nach der Verhandlung am 3. Oktober Foto: George Walker IV/AP/dpa

Washington afp | In einem Prozess im US-Bundesstaat Tennessee sind drei ehemalige Polizisten verurteilt worden, die im Januar 2023 den Afroamerikaner Tyre Nichols verprügelt und dabei tödlich verletzt hatten. Ein Ex-Polizist wurde von den Geschworenen am Donnerstag wegen der Verletzung von Nichols' Bürgerrechten schuldig gesprochen, seine beiden Mitangeklagten lediglich wegen Zeugenbeeinflussung. In anderen Anklagepunkten wurden die Ex-Polizisten freigesprochen.

Der 29-Jährige Afroamerikaner Nichols war am 7. Januar 2023 in Memphis in eine Verkehrskontrolle geraten. Insgesamt fünf Polizisten schlugen ihn zusammen. Drei Tage später starb Nichols im Krankenhaus. Bei den beschuldigten Beamten handelt es sich wie bei dem Opfer um Afroamerikaner. Videos von dem Vorfall wurden Wochen später veröffentlicht und sorgten für Empörung und Entsetzen. Die fünf Polizisten wurden entlassen und angeklagt.

Zwei der früheren Beamten bekannten sich bereits schuldig, die Ex-Polizisten Tadarrius Bean, Demetrius Haley und Justin Smith entschieden sich dagegen für den Prozess vor einem US-Bundesgericht. In dem Verfahren schauten sich die Geschworenen mehrfach das Video an, das zeigt, wie die Polizisten Nichols brutal verprügeln, mit einem Schlagstock auf ihn einschlagen und immer wieder auf ihn eintreten, während der 29-Jährige verzweifelt nach seiner Mutter schreit.

Die Geschworenen berieten mehr als fünf Stunden lang über das Urteil. Bean, Haley und Smith wurden alle vom Vorwurf der Verletzung von Nichols' Bürgerrechten mit Todesfolge freigesprochen – dem schwerwiegendsten Anklagepunkt. Haley wurde aber für schuldig befunden, Nichols' Bürgerrechte mit Körperverletzung als Folge verletzt zu haben. Das Strafmaß soll im Januar verkündet werdet. Wegen der Zeugenbeeinflussung drohen den Ex-Polizisten Haftstrafen von bis zu 20 Jahren, Haley muss wegen der Verletzung von Nichols' Bürgerrechten zudem mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen.

Weiterer Prozess wegen Mordes könnte folgen

Den Ex-Polizisten soll aber auch noch auf bundesstaatlicher Ebene in Tennessee der Prozess gemacht werden, unter anderem wegen Mordes zweiten Grades. In Tennessee ist dies eine Zwischenstufe zwischen Totschlag und Mord.

Gut vier Jahre nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd ereignen sich in den USA immer noch zahlreiche Fälle von Polizeigewalt. Floyd hatte im Mai 2020 in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota von einem weißen Polizisten minutenlang das Knie in den Nacken gedrückt bekommen und war an den Folgen gestorben. Der Fall hatte eine landesweite Protestwelle gegen Rassismus und Polizeigewalt unter dem Motto „Black Lives Matter“ ausgelöst.

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8 Kommentare

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  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Dass die fünf angeklagten Polizisten allesamt Schwarze sind, ist auch sehr aussagekräftig, was die USA betrifft.

  • Der Prozess gegen die Ex-Polizisten im Fall Tyre Nichols zeigt erneut die Dringlichkeit von Reformen im Umgang mit Polizeigewalt in den USA. Obwohl einige der Angeklagten verurteilt wurden, bleibt die Frage offen, ob das Strafmaß Gerechtigkeit für Nichols und andere Opfer von Polizeigewalt bringen kann.

  • "Nun fielen Urteile gegen sie."

    Wann fallen denn wohl bei uns die Urteile ?



    In der Sache "Oury Jalloh" ist der Zug wohl endgültig abgefahren.



    In der Sache "Mouhamed Dramé" (Dortmnd, Tod durch MP-Schüsse der Polizei) hört man nichts.

    Aber kommt Zeit kommt Rat, nicht wahr ?

  • Gebt Mensch etwas Macht und sie nutzen es aus. Das ist leider nichts Neues. Das gibt es auf jeder Ebene. Selbst Menschen, die meinen, dass man eine Bedienung an der Kasse schlecht behandeln darf. Menschen eben.

    • @Sanni:

      Die Menschen die eine Kassenkraft schlecht behandeln haben in der Regel keine größere Macht als die Kassenkraft.



      Menschen können auch ohne Machtgefälle wie schließmuskelbewehrte Körperöffnungen handeln.

    • @Sanni:

      Nicht sehr hilfreich was Sie da anmerken.

      Schliesslich geht es um die Angestellten einer Gesellschaft, zu deren Berufsbild und Stellenbeschreibung es gehört, die "Ausnutzung von Macht" nicht zu betreiben.

      Zumindest ist das die Legitimationsgrundlage, weshalb nicht jede und jeder nach Gutdünken Gewalt anwenden, oder sogar jemanden töten darf.

      Sie also sprechen hier nonchalant-abgeklärt über einen der zentralen Punkte einer Zivilisation.

      Mich interessiert Ihre Abgeklärtheit aber nicht.



      Mich interessiert auf welcher Seite Sie stehen und was Sie aktiv dafür tun, dass in Gesellschaften nicht das Recht des Stärkeren, nicht die Raubtierinstinkte Raum greifen.



      Das Menschen nur Tiere mit Raubtierinbstinkten sind, ist bekannt und ja auch seit mehren zehntausend Jahren Gegenstand erbitterte Kämpfe um den zivilisatorischen Fortschritt.

    • @Sanni:

      Da ist graduell aber ein kleiner Unterschied zwischen Unverschämtheit und Körperverletzung (mit Todesfolge), meinen Sie nicht?

      • @Strolch:

        Ich sehe nicht, dass SANNI etwas anders behauptet. Ganz im Gegenteil "auf jeder Ebene" drückt den Unterschied doch gerade aus.