Antiziganismus bei Bestatter: Diskriminiert bis nach dem Tod

Keine Geschäfte mit Sinti und Roma, kein Sarg für die Holocaustüberlebende. Der Ex-Abgeordnete Romeo Franz erhebt Vorwürfe gegen einen Bestatter.

Romeo Franz im Plenarsaal des Europäischen Parlaments. Brüssel, 10.11.2022

Romeo Franz setzt sich gegen Antiziganismus ein Foto: Dwi Anoraganingrum/imago

Berlin taz | Der Generalsekretär der Bundesvereinigung der Sinti und Roma, Romeo Franz, soll von einem Bestatter in Homburg heftig diskriminiert worden sein. Franz berichtete der taz, der Besitzer des Bestattungsunternehmens habe sich geweigert, ihm einen Sarg samt Bestattungsdienstleistung zu verkaufen. Als Begründung habe er gesagt, er mache keine Geschäfte mit Sinti und Roma. Franz nannte den Vorfall im Gespräch mit der taz „bestürzend“.

Franz, der auch schon für die Grünen im EU-Parlament saß, berichtete, wie der Bestatter sich selbst dann noch weigerte, als er explizit darauf hingewiesen wurde, dass er sich nach dem Gleichbehandlungsgesetz strafbar mache. „Ich wurde in Sippenhaft genommen, einfach aufgrund meiner Ethnie“, so Franz. Das habe der Mann auch ganz explizit so ausgesprochen.

Der Beschuldigte stellt die Geschehnisse auf Anfrage der taz anders dar: Er verkaufe keine einzelnen Särge und habe deswegen mit Franz kein Geschäft abschließen können, da er nur „komplette Bestattungsdienstleistungen“ anbiete. „Selbstverständlich wollte ich niemanden diskriminieren.“

Franz weist diese Darstellung zurück. „Das ist eine faule Ausrede.“ Es sei ihm ja gerade nicht nur um einen Sarg, sondern um „das komplette Paket“ gegangen. Besonders geschmerzt habe es, eine solche Erfahrung in einem Moment zu machen, in dem er um seine Tante trauerte. Über diese – eine Holocaustüberlebende – sagt Franz: „Sie wird im Tode noch weiter diskriminiert. Das ist wirklich extrem verletzend.“

Antiziganismus nimmt insgesamt zu

Die Geschehnisse erinnern an den Fall Kelly Laubinger. Die Co-Vorsitzende der Bundesvereinigung der Sinti und Roma hatte im Herbst 2023 in Neumünster versucht, ein Hotelzimmer für den Autor Max Czollek zu reservieren, der als Gast auf einer Veranstaltung lesen sollte. Der Hotelier verweigerte ihr dies, da er angeblich schlechte Erfahrungen mit Personen gemacht habe, die Laubinger heißen. Der Name ist unter Sinti weit verbreitet. Nachdem Laubinger geklagt hatte, verurteilte das Amtsgericht Neumünster den Hotelier im Juli dieses Jahres zu einer Geldstrafe.

Auch Romeo Franz sieht eine Parallele zu dem, was Laubinger erlebte. Und er erkennt eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Zwar gebe es einzelne Fortschritte beim Kampf gegen Antiziganismus – etwa, dass es mit Mehmet Daimagüler einen Beauftragten der Bundesregierung für dieses Thema gibt und ein Meldesystem für antiziganistische Vorfälle eingerichtet wurde. Doch mit den Wahlerfolgen der AfD werde Antiziganismus wieder sichtbarer. „Die Hemmschwelle sinkt“, sagte Franz.

Umfragen zeigen, dass Antiziganismus in der deutschen Gesellschaft weitverbreitet ist. Während offener Rassismus weitgehend tabuisiert ist, wird offener Antiziganismus oft toleriert. Melde- und Informationsstellen MIA verzeichneten 2023 insgesamt 1.233 antiziganistische Vorfälle, das Dunkelfeld ist wohl riesig. Auch dass Nazi-Deutschland während des Zweiten Weltkriegs bis zu 500.000 Sin­ti*z­ze und Rom*­nja in den Vernichtungslagern ermordete, ist in der Mehrheitsgesellschaft kaum bekannt.

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