: Der entscheidende Punkt
Nebraska bekommt normalerweise bei nationalen Wahlen wenig Aufmerksamkeit. Der tief republikanische US-Bundesstaat gehört nicht zu den Swing States, in denen sich Präsidentschaftswahlen entscheiden. Es ist keiner der Staaten, wo sich die Menschen in den Monaten vor der Wahl nicht retten können vor ständigen Telefonanrufen, Fernsehspots und Hausbesuchen beider Lager.
Doch diesmal ist das anders, wenn auch nur in einem kleinen Teil Nebraskas. Denn der 2. Stimmbezirk rund um Nebraskas größte Stadt Omaha – mit 485.000 Einwohner*innen lebt dort rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung des Bundesstaates – könnte tatsächlich darüber entscheiden, ob im Januar 2025 Donald Trump oder Kamala Harris ins Weiße Haus einzieht.
Der Grund dafür ist eine Besonderheit in Nebraskas Wahlsystem. Während in 48 der 50 US-Bundesstaaten alle Wahlleute gewinnt, wer im gesamten Bundesstaat die Mehrheit hat, verteilt Nebraska seine fünf Wahlleute anders: Einen Sitz im sogenannten electoral college, das alle vier Jahre Präsident*in und Vizepräsident*in wählt, gibt es für jeden gewonnenen der drei Kongresswahlbezirke. Und wer im Bundesstaat insgesamt die Nase vorn hat, bekommt die zwei übrigen Sitze noch obendrauf. Ein ähnliches System der Stimmaufteilung gibt es nur noch in Maine. Im Frühjahr versuchten die Republikaner*innen, auch Nebraska wieder zum „Winner takes all“-Prinzip zurückzuholen. Das scheiterte. Nebraskas Stimmbezirke entsenden weiter ihre eigenen Wahlleute.
Um die Stimme aus Nebraska 2 kämpft ein Ehepaar aus Omaha. Jason und Ruth Brown sind die Erfinder*innen des „blue dot“, also des blauen Punktes. So einen malte Jason Brown im August auf ein weißes Schild, ohne jedes weitere Wort, und stellte sich das in den Vorgarten. Daraus wurde eine Bewegung.
Erst folgten Dutzende Nachbar*innen seinem Beispiel, dann Hunderte, und inzwischen ist der blue dot in Omaha und Umgebung nicht mehr zu übersehen, glaubt man lokalen und internationalen Reporter*innen. Blau ist die Farbe der Demokrat*innen, der Punkt steht für die eine Stimme aus Nebraska 2 im 538 Wahlleute umfassenden electoral college, das den Präsidenten wählt. Das Ziel der Browns: Diese Stimme soll an Kamala Harris gehen, anders als die vier anderen Stimmen aus Nebraska, die Donald Trump sicher sind.
Zweimal stimmte der Bezirk im tiefroten Nebraska schon für Demokraten: Bei Barack Obamas erster Wahl 2008, und vor vier Jahren für Joe Biden. Beide Male hätte es die Stimme nicht unbedingt gebraucht: Barack Obama gewann das electoral college mit 365 gegen 278 Stimmen für John McCain, und 2020 erreichte Joe Biden 306 Stimmen gegen Donald Trumps 232.
Das aber könnte in diesem Wahljahr anders sein. Wenn Harris zwar die alte „blue wall“ aus Pennsylvania, Michigan und Wisconsin gewinnt, in Nevada, Arizona, Georgia und North Carolina aber verliert – dann käme es eben auf Nebraska 2 an: Holt sie diesen Stimmbezirk, käme sie genau auf 270 Stimmen und würde Präsidentin. In der letzten Umfrage Mitte August lag sie in Nebraska 2 ganze 8 Prozentpunkte vor Donald Trump. Bernd Pickert
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