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Gefährliche Altlast in PinnebergGift im Grundwasser gefunden

Krebserregende Chemikalien sind im Boden und Grundwasser mitten in Pinneberg vor den Toren Hamburgs entdeckt worden. Die Verursacher sind unbekannt.

In Gefahr: Es ist zu befürchten, dass die entdeckten Schadstoffe in die Pinnau gelangen könnten Foto: dpa/Jonas Walzberg

Hamburg taz | Sie sind giftig und krebsauslösend – und sie sind in hoher Konzentration im Grundwasser unter der Stadt Pinneberg am Rande Hamburgs gefunden worden: Grundwasserproben ergaben dort einen Höchstwert von 696.000 Mikrogramm (μg) pro Liter Leichtflüchtige Chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW). Das überschreitet die Schwelle der Geringfügigkeit im Grundwasser und das im Trinkwasser Zulässige um das 70.000-fache. „So hohe Werteüberschreitungen hat es bisher im Kreis Pinneberg noch nicht gegeben“, stellte der Fachdienst Umwelt des Landkreises fest.

Die Zahlen stammen aus einer Vorlage des Fachdienstes für eine Sitzung des Umweltausschusses am vergangenen Montag, über die das Hamburger Abendblatt zuerst berichtet hat. Darin weisen die Beamten darauf hin, dass die LCKW in einem oberflächennahen Grundwasserleiter gefunden worden seien.

Eine „Gefahr für die Gesundheit, insbesondere der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ könne nicht ausgeschlossen werden, heißt es in der Vorlage. Zudem sei zu befürchten, dass das Flüsschen Pinnau verunreinigt werden und die Vergiftung sich bis in das Wasserschutzgebiet „Peiner Weg“ ausbreiten könnte.

Unter der Bezeichnung LCKW werden Tri- und Tetrachlor­ethen zusammengefasst. Tetrachlorethen steht im Verdacht, Krebs zu erregen und das Erbgut zu schädigen. Noch gefährlicher ist Trichlorethen, das sicher als krebserregend gilt und zudem Leber, Nieren, Nervensystem und Immunsystem sowie das Erbgut schädigt. Der Grenzwert von zehn Mikrogramm pro Liter gilt für die Summe beider Stoffe.

Chemische Reinigung als Verursacher?

Wie die Chemikalien in den Boden und weiter in das Grundwasser gelangt sind, darüber gibt es nur Vermutungen. „LCKW werden in vielen Industriezweigen zur Entfettung von Metallen, zum Entfernen von Farbe, als Extraktionsmittel und zur Textilreinigung eingesetzt“, heißt es auf der Website des niedersächsischen Umweltministeriums. Auch im Sickerwasser von Deponien könnten sie vorkommen. Eine Verbreitung durch die Luft sei dagegen zu vernachlässigen.

Entdeckt wurde die Kontamination, weil für Pinneberg-Mitte ein neuer Bebauungsplan erstellt werden soll. Um auch nach der Überplanung gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewährleisten zu können, musste die Stadt Grundstücke mit dem Verdacht auf Altlasten untersuchen. In dem betroffenen Gebiet habe es in der Vergangenheit chemische Reinigungen gegeben, die als Verursacher in Frage kommen könnten, schreibt das Hamburger Abendblatt unter Berufung auf die Kreisverwaltung.

In die Umwelt gelangt sein dürften die Chemikalien durch Unfälle, Unachtsamkeit oder Unwissen. Früher sei das Waschwasser in gemauerte Absetz­becken geleitet worden, wo sich die LCKW am Boden absetzten, sagte eine Sprecherin der Kreisverwaltung. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass Chemikalien sogar Betonwannen durchdringen können.

Ob es möglich sein werde, die Verursacher zu ermitteln, sei derzeit „nicht absehbar“, heißt es in der Beschlussvorlage für den Kreistag. Zunächst müsse der Schaden eingegrenzt und ermittelt werden, wie groß die Gefahr für Mensch und Umwelt sei.

Gutachten beauftragt

Die Verwaltung schlägt deshalb vor, Gutachter zu beauftragen, die die vorhandenen Daten auswerten und ein Konzept entwickeln sollen, wie die Ausbreitung der Schadstoffe beobachtet werden kann. Im Zuge dessen sollen Grundwassermessstellen eingerichtet werden, um festzustellen wo saniert werden muss. Die Belastung ist aber auf jeden Fall so gravierend, dass die Stadt den betroffenen Teilbereich aus dem Bebauungsplanverfahren herausgenommen hat.

Die Untere Bodenschutzbehörde kalkuliert, dass für die Probeentnahme und -analyse, die Gutachter und die neuen Grundwassermessstellen Kosten von knapp 190.000 Euro in den Jahren 2025 und 2026 anfallen werden. Gemäß der Altlastenförderrichtlinie des Landes Schleswig-Holstein, kann der Kreis hierfür Zuschüsse von bis zu 75 Prozent beantragen. Der Umweltausschuss hat die Entscheidung vertagt. Entscheiden muss der Kreistag, der am 14. Oktober das nächst Mal zusammentritt.

Kreissprecherin Katja Woh­lers versichert: „Die Verunreinigungen stellen aktuell keine Gefährdung der Bevölkerung dar.“ Das betroffene Gebiet liege nicht im Einzugsgebiet des Wasserwerkes und ist damit kein Wasserschutzgebiet. Die weiteren Untersuchungen sollten dazu genauere Erkenntnisse liefern.

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