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Werben für Hilfe in USASelenskyj sucht die Entscheidung

In den USA wirbt der ukrainische Präsident für einen „Siegesplan“, der Putin zu Verhandlungen zwingen soll. Die Zeit läuft Selenskyj davon.

Der ukrainische Präsident Selenskyj besucht eine Munitionsfabrik in Scranton, Pennsylvania, im September 2024 Foto: Staff Sgt. Deonte Rowell/DVIDS U.S. Army via AP/dpa

Berlin taz | Für Wolodymyr Selenskyj hat eine wichtige diplomatische Woche begonnen. Der Präsident der Ukraine wirbt bei der UN-Generalversammlung für mehr internationale Solidarität gegen Russland – und bei der US-Regierung für eine deutliche Ausweitung der militärischen Unterstützung vor dem Hintergrund einer zunehmend schwierigen Lage an der Kriegsfront im ost­ukrainischen Donbass.

„Wir haben nicht viel Zeit“, sagte Selenskyj kurz nach seiner Ankunft am Montag in Washington in einer Rede vor der „American Academy of Achievement“. „Die nächsten paar Monate werden entscheidend sein […] Wir haben nicht viel Zeit, um das Ergebnis zu definieren. Und wir müssen es definieren, nicht Russland und seine blutigen Verbündeten. Wir müssen schneller sein. Wir dürfen in den nächsten paar Kriegsmonaten keine Niederlage erleiden, damit wir in den nächsten Jahrzehnten keine Niederlage erleiden.“

Selenskyj will bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden einen „Siegesplan“ präsentieren, der eine Strategie beinhaltet, den Krieg zu den Bedingungen der Ukraine zu beenden. „Der Siegesplan ist ein Plan, der die Ukraine schnell stärker macht – eine stärkere Ukraine wird Putin an den Verhandlungstisch zwingen“, sagte der ukrainische Präsident in einem in Kyjiw geführten Interview mit dem New Yorker vor seiner Abreise. Es gehe um „spezifische Schritte, um die Ukraine in den Monaten Oktober, November und Dezember zu stärken und ein diplomatisches Ende des Krieges möglich zu machen“.

Ukrainische Sieges – und Friedenspläne

Einem Bericht der britischen Times zufolge beinhaltet der Plan vier Punkte: westliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die denen einer Nato-Mitgliedschaft gleichkommen; Fortführung der ukrainischen Offensive auf russischem Staatsgebiet, um bei Verhandlungen etwas auf den Tisch legen zu können; bestimmte moderne Waffensysteme; mehr internationale Finanzhilfen. Der ukrainische Kyiv Independent ergänzt, es gehe auch um verschärfte Sanktionen gegen Russland und die Erlaubnis, mit westlichen Waffensystemen militärische Ziele in Russland sowie Einrichtungen der russischen Öl- und Gasindustrie anzugreifen. Das sei nötig, um Russlands Vorteile bei Manpower und Staatseinnahmen auszugleichen.

Dieser „Siegesplan“ wird als Ergänzung zum bestehenden „Friedensplan“ der Ukraine dargestellt, der bereits auf mehreren internationalen „Friedensgipfeln“, zuletzt im Juni in der Schweiz, vorgestellt wurde. Dieser definiert Frieden in der Ukraine als vollständigen Rückzug Russlands aus ukrainischem Gebiet, einschließlich der Krim, sowie Reparationen durch Russland und Strafverfolgung der Kriegsverantwortlichen. Der „Siegesplan“ soll nun eine militärische Strategie aufzeichnen, die Russland zwingt, sich darauf einzulassen. „Sieg bedeutet Gerechtigkeit“, unterstrich Selenskyj in seinem Interview.

Um zu zeigen, dass die Ukraine zu verstärktem Druck auf Russland fähig ist, führen die ukrainischen Streitkräfte derzeit die stärksten Drohnenangriffe auf russische Militärbasen seit Kriegsbeginn durch. Der erste Angriff in Toropets im westrussischen Bezirk Twer am 18. September war so heftig, dass norwegische Seismologen ihn als Erdbeben registrierten; nach US-Berichten explodierten dabei 30.000 Tonnen Munition, was zwei bis drei Monaten des russischen Kriegsbedarfs entspricht. Drei Tage später wurde ein weiteres Munitionslager in Toropets getroffen, ebenso eines in Tichorezk im südrussischen Bezirk Krasnodar, wo nordkoreanische Waffenlieferungen an Russland lagern. Alle Angriffe wurden mit ukrainischen Waffensystemen durchgeführt.

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9 Kommentare

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  • " explodierten dabei 30.000 Tonnen Munition, was zwei bis drei Monaten des russischen Kriegsbedarfs entspricht."

    Frieden schaffen ohne Waffen im 21. Jahrhundert. Weiter so.

  • Ich hatte die Drohung der Eskalation offensichtlich nicht richtig verstanden für den annoncierten Fall, aber an die Realisation des vorgelegten Friedens-Planes mag man realiter kaum glauben.



    /



    www.tagesschau.de/...e-freitag-434.html



    Hier steht am 13.9.24



    "Im Falle eines ukrainischen Einsatzes westlicher Präzisionswaffen gegen russische Ziele droht Moskau mit dem Einsatz von Nuklearwaffen."



    Kann Selenskyi das wirklich ausschließen?

    • @Martin Rees:

      Ja, kann man.

      Putin ist ein Hasenfuß der alles tun wird um am Leben zu bleiben.



      Deshalb auch die Nummer mit dem lächerlichen Tisch und der Wochenlangen Quarantäne für Besucher.

      Nahezu all Mitglieder der russischen Elite schicken ihre Kinder ins westliche Ausland.



      Sie werden diese nicht "nuken".

      Für die erwartbaren Vergleiche mit Leonid Breschnew die in diese Situation immer irgendwie ausgebuddelt werden möchte ich erinnern, dass dieser in den 60ern vor hatte China atomar anzugreifen.



      Damals verbiten die USA ihm dies und Breschnew knickte ein.

      Putins rote Linien sind mit Kreide auf den boden gemalt.

      • @Waagschale:

        Vermutlich meinen Sie ⚖️ das:



        www.nzz.ch/interna...ergisst-ld.1468207



        /



        In puncto Sicherheit und Garantien ist meine empfohlene Lektüre:



        "72 Minuten bis zur Vernichtung: Atomkrieg – ein Szenario - Deutsche Ausgabe des New York Times Bestsellers Nuclear War"



        Aus Versehen stirbt auch der Aggressor als Zweiter, zwangsläufig 😳🪖❗

        • @Martin Rees:

          Ja genau.



          Sorry falls Sie raten mussten.



          Manchmal vergesse ich welches historische Wissen selbstverständlich ist und welches nicht.



          Außerdem brauche ich mehr Kaffee.

          Und ich danke Ihnen für den Tipp.



          Lesenswert ist es auf jeden Fall.

      • @Waagschale:

        Atombombe auf NATO-Gebiete glaube ich auch eher weniger. Aber vielleicht so eine kleinere Atombombe auf die Ukraine? Sozusagen als "Schuss vor den Bug" für den Westen.

        • @vøid:

          Ich glaube da fällt den Russen noch was dazwischen ein. Ein Atomwaffeneinsatz ist das Ende der Eskalationsspirale. Davor könnte man beispielsweise den Houthis moderne Antischiffs-Raketen liefern. Der Persische Golf ist ein Nadelöhr für den Ölhandel.



          Oder sie könnten Hyperschallraketen an die Hezbollah-Miliz liefern oder an die syrische Amee.



          Westliche Interessengebiete sind u.U. verwundbarer als man meinen möchte.

        • @vøid:

          Ebenfalls höchst unwahrscheinlich. Nach Tschernobyl war die Angst vor dem Fallout so groß dass man es vor der Maiparade 1986 künstlich regnen ließ damit nicht zu viel Radioaktivität ankommt.



          Das Gebiet in dem der Fallout nieder ging, hauptsächlich Belarus, Ukraine ist bis heute unbewohnbar.

          Außerdem ist unklar ob die Reaktion der NATO die erwartete sein wird.



          Putin hatte ja wohl auch erwartet dass der Westen als ganzes die Ukraine einfach gar nciht unterstützen würde.

    • @Martin Rees:

      Zu 100% ausschließlen kann das niemand!

      Hat Putin jedoch bisher auch nur eine seiner "roten Linien" wahr gemacht? - Nein!

      Er spielt mit den Ängsten der Menschen, sei es nun das eigene Volk,Unterdrückung jedweder Opposition oder ebend unsere Angst vor einem Atomkrieg!