Fraktionsklausur der SPD: Zweifel an Scholz wachsen

SPD-Fraktionschef Mützenich gibt Scholz bei der Fraktionsklausur Rückendeckung. Doch die Kritik am Kanzler nimmt zu. Die Hoffnung ruht auf Woidke.

Rolf Mützenich und Olaf Scholz sgtehen vor einer Backsteinfassade, Mützenich zeigt mit dem Finger - aber wohin ?

Rolf Mützenich und Olaf Scholz kommen zur SPD-Klausurtagung nach Nauen Foto: Kay Nietfeld/dpa

Groß Behnitz taz | Ausgerechnet auf dem einstigen Gut der Unternehmerfamilie Borsig hat sich die SPD einquartiert. Das Landgut im brandenburgischen Nauen, das heute Stober heißt, dient der Bundestagsfraktion als Basis für ihre zweitägige Klausur. Aber so eine richtige Arbeiterpartei ist die SPD ja schon seit längerer Zeit nicht mehr, das haben auch die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am vergangenen Sonntag gezeigt. Die Ar­bei­te­r:in­nen wählten mehrheitlich die AfD. Die SPD konnte vor allem bei Angestellten und Ren­tern:­in­nen punkten, landete aber nur im einstelligen Bereich.

Die Stimmung bei den aus der ganzen Republik angereisten So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen ist angespannt, kein Wunder. Nur noch 12 Monate bleiben bis zur Bundestagswahl und die derzeitigen Umfragen lassen erwarten, dass gut ein Drittel der 207 Abgeordneten ihre Mandate verlieren könnten. Das Ergebnis der Landtagswahlen sei auch eine Quittung für die Zusammenarbeit in der Ampel in den letzten drei Jahren, sagte Fraktionschef Rolf Mützenich zum Auftakt der Klausur und versprach: „Ich will einfach in der Koalition besser werden.“ Haltungsnoten, die man sich gegenseitig gebe, nervten ihn. Stattdessen, sagte der Fraktionschef, müsse man sich nun auf Inhalte konzentrieren.

Dann zählte er auf, was die SPD bis zur Bundestagswahl noch anpacken oder umsetzen will: den Einstieg in die Kindergrundsicherung, sichere Renten und das Tariftreuegesetz, das sicherstellen soll, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen gehen, die keine Dumpinglöhne zahlen. Außerdem wolle er, dass die internationale Solidarität nicht gegen das ausgespielt werde, was dieses Land brauche.

Damit spielt er auf eine von SPD und Grünen favorisierte, von der FDP aber blockierte Ausnahme von der Schuldenbremse an. „30 Milliarden Euro für die Ukraine sind kein Pappenstil“, so Mützenich. Die Menschen hätten Angst, dass dieses Geld an anderer Stelle fehle, etwa für die Modernisierung des Landes oder den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Schuldenbremse: Wir lassen nicht locker

Eine von der Parteiführung eingesetzte Steuerungsgruppe hat nun einen Zwischenbericht vorgelegt, wie zusätzliches privates und öffentliches Kapital bereitgestellt werden kann. Es enthält Vorschläge wie die Etablierung eines Staatsfonds und eine Reform der Schuldenbremse. Der Bericht liegt der taz vor.

Das Thema Schuldenbremse wird auch auf der Klausur besprochen. „Wir wollen zeigen: Wir lassen nicht locker, obwohl wir wissen, dass wir das in der Koalition nicht umsetzen werden“, erläuterte Mützenich. Aber vielleicht helfe man damit einer anderen politischen Konstellation. Auch der SPD-Fraktionschef geht nun also deutlicher als bislang auf Distanz zur Ampel.

Keinen Zweifel wollte er daran lassen, wer die SPD in den nächsten Bundestagswahlkampf führt. „Der Rückhalt für den Kanzler ist bei mir absolut“, so Mützenich.

Noch keine BMW-Witze in der SPD

Das sehen nicht alle so. Spricht man mit Genoss:innen, so heißt es, Scholz müsse seine Politik besser erklären und in der Ampel mehr SPD-Führung zeigen. Das versuche man ihm seit Monaten klarzumachen. Auf mögliche Alternativen angesprochen, erntet man aber Schulterzucken. Immerhin kursierten in den eigenen Reihen noch keine Witze wie 1987, berichtet SPD-Urgestein Axel Schäfer. „Damals fragte man: Was heißt BMW? – Brandt muss weg.“

Ob sich die SPD noch einmal fängt oder weiter abwärts sackt, hängt aber auch vom Ausgang der Wahlen in Brandenburg am 22. September ab. Gelingt es dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, die SPD wieder zur stärksten Kraft zu machen und sich im Amt zu halten?

Woidke geht ostentativ auf Abstand zur Bundespolitik und verzichtet auf Auftritte mit dem Kanzler. Er setzt ganz auf sich. Falls er gegen die AfD verliere, sei er weg, sagte er zu Beginn des Wahlkampfs. Derzeit liegt die SPD in Brandenburg in Umfragen noch 5 Prozentpunkte hinter den Rechtsextremen. „Wenn Brandenburg kippt, dann weiß ich auch nicht weiter“, meint Axel Schäfer. Er ist seit 55 Jahren SPD-Mitglied, seit 22 Jahren im Bundestag.

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