Bürgerinitiative gegen Bahnhofsverlegung: Über den Gleisen
Die Bürgerinitiative „Prellbock Altona“ kämpft unverdrossen gegen die Verlegung des Bahnhofs Hamburg-Altona. Die hohen Bahnschulden machen ihr Hoffnung.
„Da hinten, sehen Sie?“, sagt Michael Jung, der Sprecher der Bürgerinitiative „Prellbock Altona“, und zeigt auf ein gelbes Hochhaus in der Ferne. „Da ist der Diebsteich, da soll der neue Bahnhof hin.“
Jung, durchtrainiert und braungebrannt, steht er am Parkdeck-Geländer, Sportschuhe an den Füßen, sein Käppi hat er abgenommen. Früher war er Manager, die letzten Jahre seines Berufslebens hatte er mit Bahnfinanzierung zu tun, „da schaut man sich die Projekte näher an“.
Und was er bei der Deutschen Bahn sah, fand er problematisch, höchst problematisch: das Schienennetz vernachlässigt, nur auf Prestigeprojekte gesetzt. Kein Wunder, dass die Deutsche Bahn in der Krise steckt.
Jungs Mitstreiter bei „Prellbock Altona“ sehen das ähnlich. Zu dem kleinen Ortstermin auf das Parkhausdeck sind spontan dazugekommen: Christine Zander, Art-Direktorin, und Ernst-Günter Lichte, ehemaliger Eisenbahner und jetzt Rentner. „Heinz-Günter, siehst du die 110? Wunderschön!“, sagt Jung und zeigt auf eine gelbe Lok, die ganz rechts vor dem Intercity-Hotel auf dem Gleis steht.
Hinter den Altbaufassaden
Intercity-Züge kommen von ganz hinten um die Kurve, verschwinden hinter den Altbaufassaden in der ersten Reihe von Ottensen und tauchen wieder auf, bevor sie in den Kopfbahnhof einfahren, der bis auf Weiteres noch in Betrieb ist. „Ja warum hält der denn schon da?“ – „Seltsam, ich versteh das auch nicht.“
Zander ist als Anwohnerin zur Prellbock-Initiative gekommen, weil sie es sehr befremdlich fand, dass so ein gut funktionierender Bahnhof wie der in Altona, der ein wenn vielleicht auch hässliches, so doch funktionierendes Herz des Stadtteils ist, einfach so verlegt werden kann.
Jung und Lichte sind Experten. Sie kennen alle Zahlen und Gleisverläufe, sie wissen, wie viele Züge pro Stunde wo durchmüssen und wo die Engstellen sind, sie kennen die Planungen der Deutschen Bahn und die Alternativen, die leider in der Politik überhaupt nicht diskutiert werden, höchstens mal in einem Antrag der Linkspartei.
„Die Bahn ist ein komplizierter Zusammenhang von Menschen. Technik und Zeit“, sagt Michael Jung. Ein wenig steht man hier oben so wie bei einer Modelleisenbahn, nur dass da unten alles echt ist, und es fehlen auch die Regler und Schalter, um die Züge zu bedienen oder vielleicht eher noch: das System Bahn zu steuern.
Denn das tun andere, die Bahnchefs, von denen Jung und auch Lichte nicht viel halten, weil sie „keine Ahnung von Eisenbahn haben, leider“. Zum Beispiel: Die meisten Fahrgäste fahren gar nicht im Fernverkehr, sondern im Nahverkehr und in Regionalzügen. Deswegen müsste das die Priorität sein, nicht irgendwelche teuren Hochgeschwindigkeitsstrecken, aber das verstehen die Bahnmanager nicht oder wollen es nicht verstehen, weil sie nur ihre Prestigeprojekte im Sinn haben.
Die „unsinnige“ Idee, die Kopfbahnhöfe abzuschaffen wie in Stuttgart oder eben auch hier in Altona, gehört dazu. Tatsächlich sieht es auch hier so aus, dass der neue Bahnhof Diebsteich, der den alten Kopfbahnhof von Altona ersetzen soll, nicht wie geplant fertig wird, zumindest nicht das Bahnhofsgebäude.
Links um den Wasserturm herum
Die Kapazitäten des neuen Bahnhofs, sagt Lichte, würden auch nicht ausreichen, um den geplanten „Deutschlandtakt“ im Fernverkehr zu schaffen. Sechs Gleise seien zu wenig. Der alte Kopfbahnhof mit seinen zwölf Gleisen dagegen hätte damit kein Problem, sogar der auf ehemaligem Bahnhofsgelände errichtete neue Stadtteil Mitte Altona könnte weiter in den Bereich hineingebaut werden, wo jetzt noch Schienen sind. Die Züge würden dann dort hinten links um den alten Wasserturm herumgeführt, der ja stehen bleiben soll.
Für die Mitte Altona würde das bedeuten: ein paar hundert Wohnungen weniger. Aber, Altona hätte weiter einen funktionierenden Bahnhof, barrierefrei, mitten im Stadtteil und nicht irgendwo im Niemandsland.
Glaubt Prellbock Altona denn wirklich, dass die Bahn noch mal ihre Pläne ändert, da die Bauarbeiten doch schon längst begonnen haben? Michael Jung wiegt den Kopf. „Die Zahlen sind ja schlecht, viele Milliarden Schulden. Vielleicht kommen sie ja doch zur Besinnung.“ Hoffen kann man ja immer.
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