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Bürgerinitiative gegen BahnhofsverlegungÜber den Gleisen

Die Bürgerinitiative „Prellbock Altona“ kämpft unverdrossen gegen die Verlegung des Bahnhofs Hamburg-Altona. Die hohen Bahnschulden machen ihr Hoffnung.

Der Bahnhof Altona (vorne) ist als Kopfbahnhof ein zentraler Teil des Stadtteils. Ihn zu verlegen finden keineswegs alle richtig Foto: Daniel Reinhard/dpa

Hamburg taz | Der Blick von hier oben ist grandios. Vom obersten Deck das Bahnhofsparkhauses aus, wo, wie man hört, nachts auch mal Partys gefeiert werden, schaut man über die Zuggleise, die aus der Bahnhofshalle hervorkommen und sich immer weiter verzweigen. Es ist ein Meer von Gleisen, die rechts und links um einen alten Wasserturm herumlaufen, am Neubaustadtteil „Mitte Altona“ vorbei, und in der Ferne eine große Rechtskurve machen, Richtung Hamburger Hauptbahnhof.

„Da hinten, sehen Sie?“, sagt Michael Jung, der Sprecher der Bürgerinitiative „Prellbock Altona“, und zeigt auf ein gelbes Hochhaus in der Ferne. „Da ist der Diebsteich, da soll der neue Bahnhof hin.“

Jung, durchtrainiert und braungebrannt, steht er am Parkdeck-Geländer, Sportschuhe an den Füßen, sein Käppi hat er abgenommen. Früher war er Manager, die letzten Jahre seines Berufslebens hatte er mit Bahnfinanzierung zu tun, „da schaut man sich die Projekte näher an“.

Und was er bei der Deutschen Bahn sah, fand er problematisch, höchst problematisch: das Schienennetz vernachlässigt, nur auf Prestigeprojekte gesetzt. Kein Wunder, dass die Deutsche Bahn in der Krise steckt.

Jungs Mitstreiter bei „Prellbock Altona“ sehen das ähnlich. Zu dem kleinen Ortstermin auf das Parkhausdeck sind spontan dazugekommen: Christine Zander, Art-Direktorin, und Ernst-Günter Lichte, ehemaliger Eisenbahner und jetzt Rentner. „Heinz-Günter, siehst du die 110? Wunderschön!“, sagt Jung und zeigt auf eine gelbe Lok, die ganz rechts vor dem Intercity-Hotel auf dem Gleis steht.

Hinter den Altbaufassaden

Intercity-Züge kommen von ganz hinten um die Kurve, verschwinden hinter den Altbaufassaden in der ersten Reihe von Ottensen und tauchen wieder auf, bevor sie in den Kopfbahnhof einfahren, der bis auf Weiteres noch in Betrieb ist. „Ja warum hält der denn schon da?“ – „Seltsam, ich versteh das auch nicht.“

Zander ist als Anwohnerin zur Prellbock-Initiative gekommen, weil sie es sehr befremdlich fand, dass so ein gut funktionierender Bahnhof wie der in Altona, der ein wenn vielleicht auch hässliches, so doch funktionierendes Herz des Stadtteils ist, einfach so verlegt werden kann.

Jung und Lichte sind Experten. Sie kennen alle Zahlen und Gleisverläufe, sie wissen, wie viele Züge pro Stunde wo durchmüssen und wo die Engstellen sind, sie kennen die Planungen der Deutschen Bahn und die Alternativen, die leider in der Politik überhaupt nicht diskutiert werden, höchstens mal in einem Antrag der Linkspartei.

„Die Bahn ist ein komplizierter Zusammenhang von Menschen. Technik und Zeit“, sagt Michael Jung. Ein wenig steht man hier oben so wie bei einer Modelleisenbahn, nur dass da unten alles echt ist, und es fehlen auch die Regler und Schalter, um die Züge zu bedienen oder vielleicht eher noch: das System Bahn zu steuern.

Denn das tun andere, die Bahnchefs, von denen Jung und auch Lichte nicht viel halten, weil sie „keine Ahnung von Eisenbahn haben, leider“. Zum Beispiel: Die meisten Fahrgäste fahren gar nicht im Fernverkehr, sondern im Nahverkehr und in Regionalzügen. Deswegen müsste das die Priorität sein, nicht irgendwelche teuren Hochgeschwindigkeitsstrecken, aber das verstehen die Bahnmanager nicht oder wollen es nicht verstehen, weil sie nur ihre Prestigeprojekte im Sinn haben.

Die „unsinnige“ Idee, die Kopfbahnhöfe abzuschaffen wie in Stuttgart oder eben auch hier in Altona, gehört dazu. Tatsächlich sieht es auch hier so aus, dass der neue Bahnhof Diebsteich, der den alten Kopfbahnhof von Altona ersetzen soll, nicht wie geplant fertig wird, zumindest nicht das Bahnhofsgebäude.

Die Kapazitäten des neuen Bahnhofs, sagt Lichte, würden auch nicht ausreichen, um den geplanten „Deutschlandtakt“ im Fernverkehr zu schaffen. Sechs Gleise seien zu wenig. Der alte Kopfbahnhof mit seinen zwölf Gleisen dagegen hätte damit kein Problem, sogar der auf ehemaligem Bahnhofsgelände errichtete neue Stadtteil Mitte Altona könnte weiter in den Bereich hineingebaut werden, wo jetzt noch Schienen sind. Die Züge würden dann dort hinten links um den alten Wasserturm herumgeführt, der ja stehen bleiben soll.

Für die Mitte Altona würde das bedeuten: ein paar hundert Wohnungen weniger. Aber, Altona hätte weiter einen funktionierenden Bahnhof, barrierefrei, mitten im Stadtteil und nicht irgendwo im Niemandsland.

Glaubt Prellbock Altona denn wirklich, dass die Bahn noch mal ihre Pläne ändert, da die Bauarbeiten doch schon längst begonnen haben? Michael Jung wiegt den Kopf. „Die Zahlen sind ja schlecht, viele Milliarden Schulden. Vielleicht kommen sie ja doch zur Besinnung.“ Hoffen kann man ja immer.

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9 Kommentare

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  • Der Kopfbahnhof ist barrierefrei, weil ebenerdig. Das ist auch wichtig. Wieviel Zeit spart es, keinen Aufzug benutzen zu müssen? Wieviel Strom spart es, keine Rolltreppen und Aufzüge betreiben zu müssen? Wieviel zuverlässiger erreicht man seinen Zug?



    Der Punkt, dass der jetzige Bahnhof von viel mehr Wohngebieten aus fußläufig erreichbar ist, trifft auch zu. Er liegt eben vollkommen zentral. Während in Diebsteich nichts ist und alle erstmal hinfahren müssen, um weiterfahren zu können.



    Davon abgesehen wird der Bahnhof, genau wie Stuttgart, eh nicht fertig und ein paar Milliarden teurer als angekündigt. Während das Geld jetzt schon an wichtigeren Stellen fehlt.



    Also erneut ein Quatsch-Prestigeprojekt, genau wie die Prellbock-Initiative sagt.

  • Auch der alte Bahnof Altona und seine Zufahrten (z.B. die Quietschkurve) hätten umfassend saniert werden müssen, das macht also keinen echten Unterschied.

    Statt aber nur DAGEGEN zu sein und die ganze Energie für eine sture Verhinderungspolitik zu verschwenden, würde ich mir von Prellbock wünschen, den Umzug zu akzeptieren und im Rahmen des Umzugs für Altona (und Ottensen) Zukunftslösungen mit Stadt und Bahn zu verhandeln.

    Altona, die neue Mitte und den neuen Westbahnhof an die U-Bahn anschliessen? Warum nicht! Zur Emilienstrasse sind es 1,2 km, danach baut man günstig und offen dort wo heute noch Gleise sind bis zum jetzigen Standort.

    Die Elbvororte an Diebsteich anschliessen? Wo sind die Ideen und die Forderungen

    Übrigens: 90 Prozent aller Fahrgäste in Altona nutzen nur die S-Bahn. Die wird bleiben.

    • @VivaHamburgo:

      Der VCD hat vor ner Weile ein Konzept vorgestellt, dass genau für die aufgelisteten Punkte Lösungen anbietet:



      nord.vcd.org/theme...en-fuer-fahrgaeste

      So viel zu Verhinderungs- vs. lösungsorientierter Politik...

  • Ein paar hundert Wohnungen weniger… kann nur ein Gentrifizierer aus Altona sagen.

  • Der neue Bahnhof entsteht nicht im Niemandsland, sondern zwischen dicht besiedelten Stadtteilen an der vorhandenen Bahnstrecke (während nach Altona immer ein Umweg gefahren wird). Das ist nicht nur, aber auch für den Fernverkehr eine Verbesserung, auch die REs nach Kiel, Flensburg etc. werden dann nicht nur in Dammtor sondern auch in Altona (neu) halten.



    Um wirklich ernsthaft dem Klimawandel etwas entgegen zu setzen, brauchen wir eine Verkehrswende, weg von Auto und Flugzeug, hin zu mehr Bahn auf kurzen und langen Strecken. Dafür brauchen wir neue Bahnhöfe, Brücken, Hochgeschwindigkeitsstrecken, S-Bahnen und andere Bauprojekte. Eines der größten Hindernisse neben der mangelnden Bereitschaft von Teilen der Politik und Bevölkerung, dafür wirklich Geld in die Hand zu nehmen, sind konservative Bürgerinitiativen, die mit Protesten und Klagen jede Veränderung, jeden Neubau bei der Bahn verhindern, verzögern und verteuern wollen, die für eine Nostalgiebshn auf Infrastruktur aus der Dampfbahnzeit kämpfen. Es gibt kein Bahnprojekt ohne eine solche Bürgerinitiative. Ich würde mir von der taz mehr kritische Distanz zu diesen Leuten wünschen.

    • @Ruediger:

      Sie können sich gerne nochmal zu folgendem Teil äußern wenn sie da anderes Wissen haben:



      „Die Kapazitäten des neuen Bahnhofs, sagt Lichte, würden auch nicht ausreichen, um den geplanten „Deutschlandtakt“ im Fernverkehr zu schaffen. Sechs Gleise seien zu wenig. Der alte Kopfbahnhof mit seinen zwölf Gleisen dagegen hätte damit kein Problem“



      Das wäre nämlich ein durchaus relevanter Teil, und sollte die Kapazität zum Problem werden, bzw. nicht erhöht werden können wäre das schon eine Fehlplanung.

      Die aktuelle Einbindung u.a. in den Busverkehr ist in der jetzigen Position besser da der Busbahnhof meines Wissens nach in der jetzigen Position verbleibt. Ebenso kann man auf einem Luftbild sehen, das in der jetzigen Position des Bahnhofs mehr Wohnbebauung zu Fuß erreichbar ist.

      So wirkt ihr NIMBY Absatz auf mich hier wenig passend, sondern eher so, das er berechtigte Kritik unnötig abqualifiziert. Zumal ein Abriss und Neubau, welcher nicht notwendig ist, dem Klima generell eher Schadet als Nützt.

      • @serious?:

        Dazu äußere ich mich gerne. Beobachten Sie mal, wie lange ein ICE in Altona steht und wie lange er am Hauptbahnhof oder in Dammtor steht. Kopfbahnhöfe brauchen viel mehr Kapazitäten. Dazu kommt, dass in Altona oft viele Gleise gar nicht genutzt werden. Vielleicht wäre es trotzdem richtig, dem neuen Bahnhof ein oder zwei Gleise mehr zu geben, um Kapazitäten für die Zukunft zu schaffen, die wir jetzt noch nicht brauchen. Aber das stellt das Projekt nicht in Frage und ist auch nicht das Anliegen der Prellböcke.



        Wo ich Ihnen recht gebe, ist, dass die Anbindung des neuen Bahnhofs zumindest noch nicht überzeugend kommuniziert wurde. Buslinien kann man relativ leicht ändern, das wird sicher auch geschehen. Aber warum nicht die vorhandene nach Norden führende Gleiskurve östlich der Station Ottensen nutzen, um einen Teil der Züge aus Wedel/Blankenese zum neuen Bahnhof zu führen? Wie wird die geplante S-Bahn zum Osdorfer Born an den Bahnhof angebunden? Das sind die Fragen, mit denen man sich beschäftigen muss, aber dazu trägt weder Prellbock noch dieser Artkel bei.

    • @Ruediger:

      Ich sehe das genauso. Wichtiger als sich an einen überlebten Kopfbahnhof zu klammern, wäre es, die Ballung des Bahnverkehrs am Hamburger Hauptbahnhof zu lindern.

    • @Ruediger:

      Es gibt praktisch keinen Zug mehr, der Altona als Zwischenstopp benutzt, (fast?) immer ist Altona der Endbahnhof jener Züge, die noch dort hinfahren. Ob Altona ein Umweg ist, hängt daher davon ab, was letztlich das Fahrziel ist. Wenn man von Nordwesten (Pinneberg, Kiel, etc.) kommend nach Holstenstraße, Sternschanze, Dammtor, Hauptbahnhof will, ja, dann ist die jetzige Lage des Bhf. Altona ein Umweg. Will man zu den S-Bahnstationen entlang der S1 und S3 stadteinwärts, macht es überhaupt keinen Unterschied ob man in Altona alt oder Altona neu umsteigt. Will man aber Richtung Blankenese oder kommt vom Hauptbahnhof per Fernzug und will nach Altona-Altstadt und Ottensen (wie ich z.B.), dann muss man mit Eröffnung des Fernbahnhofs am Diebsteich künftig einmal öfter umsteigen. Was jetzt für mehr Leute ein Umweg ist, weiß ich nicht.



      Ich habe große Zweifel, ob der neue Fernbahnhof sinnvoll ist – aber inzwischen ist der Zug halt einfach abgefahren, der Bau zu weit fortgeschritten. Die Bürgerini, die mir anfangs durchaus sympathisch war, kämpft darum m.E. um verschüttete Milch.