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Niedersachsens AfD plant Koalition„Die CDU wird kommen“

In Niedersachsen liegt die AfD in Umfragen bei 20 Prozent. Der AfD-Fraktionschef rechnet damit, dass die CDU perspektivisch mit der AfD koalieren wird.

Will mit einer Union von vorgestern in Niedersachsen regieren: AfD-Fraktionschef Klaus Wichmann Foto: dpa | Moritz Frankenberg

D ie AfD in Niedersachsen hat weitreichende Pläne. Ihr Fraktionsvorsitzender Klaus Wichmann hat eine Regierungsbeteiligung im Land ins Gespräch gebracht. „Ich halte eine Zusammenarbeit mit der CDU durchaus für möglich“, sagte Wichmann der Neuen Osnabrücker Zeitung. Im Interview wischt er den Hinweis auf einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU weg: „Der wird über kurz oder lang aufgelöst werden, davon bin ich überzeugt.“ Die sogenannte Brandmauer gegen die AfD sei auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten. „Die CDU wird früher oder später nicht umhinkommen, Koalitionen mit der AfD einzugehen“, prophezeit Wichmann.

In drei Jahren wird das Landesparlament in Hannover neu gewählt. Die AfD liegt bei Umfragen stabil bei über zwanzig Prozent – ein Zuwachs von sieben Prozent gegenüber der vergangenen Landtagswahl. Damit würde sie die drittstärkste Fraktion im Parlament.

Sollte die AfD in Brandenburg am kommenden Sonntag wie erwartet als stärkste Fraktion in den Landtag einziehen, dürfte das die Debatte anheizen. Im Osten ist die CDU wegen der AfD längst unter Druck. Dort könnte sie mit der AfD Regierungen bilden oder Duldungen anstreben. Im Westen scheint diese Option kaum realistisch – bisher. Durch die kommenden Wahlen könnten sich jedoch neue Machtoptionen ergeben – so, wie es anderswo in Europa bereits der Fall ist.

In Österreich sind für die ÖVP Koalitionen mit der extrem rechten FPÖ schon lange kein Tabu mehr. In den Niederlanden wurde die Partei für die Freiheit von Geert Wilders nach ihrem großen Wahlerfolg Teil der Regierung.

Fraktionschef Wichmann muss die AfD im Land für einen Kurswechsel gewinnen

In Niedersachsen muss Wichmann aber zuerst seinen Landesverband von einem Kurswechsel überzeugen: von der Fundamental­opposition hin zur Koalitionsbereitschaft. Auf dem Landesparteitag in Bad Fallingbostel vom 6. bis 9. März kommenden Jahres könnte Wichmann versuchen, für diesen Wechsel eine Mehrheit zu gewinnen.

Ermutigt fühlen darf sich die AfD von der Debatte über die Asyl- und Einwanderungspolitik bei fast allen Parteien. Nachdem die Ampel-Regierung im Bund die Rechtslage verschärft hat, feierte die AfD die Übernahme ihrer Vorschläge – ihre Wäh­le­r*in­nen nicht minder.

Das Koalitionsangebot der AfD ist allerdings ein vergiftetes: Es zielt darauf ab, die CDU zu zersetzen. Wichmann wird nicht müde zu betonen, dass „eine große konservative Kraft“ im Parlament möglich wäre, „die „zumindest eine konservative Vergangenheit“ habe. Dabei denkt Wichmann mindestens an eine Vor-Merkel-Union. Nebenbei ordnet er die eigene Partei als „konservativ“ ein.

„Wenn diese beiden Kräfte sich aufeinander zu bewegen, dann ist tatsächlich auch die Regierungsbeteiligung der AfD realistisch“, sagte er im Interview. Diese Intention deutete Wichmann bereits vor Wochen an, als er der CDU empfahl, „ihr konservatives Herz“ wiederzuentdecken. Um den Druck zu erhöhen, schließt Wichmann jetzt auch nicht aus, einen eigenen Ministerpräsidenten-Kandidaten aufzustellen. Ein Landesparteitag könnte diese Kandidatur beschließen.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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16 Kommentare

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  • Vor einer Koalition müsste die CDU erstmal den Unvereinbarkeitsbeschluss kippen. Das dürfte jedenfalls keine kleine Sache sein, und könnte die CDU zerreißen.

    • @Kaboom:

      Der Unvereinbarkeitsbeschluß gilt ja für AfD und Linke.



      Und in Thüringen benötigen sie definitiv einen von beiden für eine regierungsfähige Mehrheit.

      Und dann stellt such noch die Frage, warum er für BSW nicht auch gelten soll. Denn die Positionen und Personen bei der Linken, die zu dem Beschluß geführt haben, sind ja jetzt beim BSW.

  • Früher oder später werden Koalitionen zwischen CDU und AfD wohl kommen. Das ist schlicht im Interesse der CDU. Denn die einzige Alternative besteht darin sich wählen zu lassen und dann Kompromisse nach links zu machen. Das gefällt dem durchschnittlichen taz-Leser sicher besser als die andere Variante aber die CDU wird sich perspektivisch wohl eher nach ihrer eigenen Wählerschaft richten und die findet seit langem nur noch wenig Gefallen daran was man teilweise durchwinkt.

    Der Lichtblick daran: Die AfD wird sich dann nicht mehr hinter der Rolle der ewigen Opposition verstecken können.

    • @Julius Anderson:

      Die CDU wird mit ihrem Rechtsruck selber Wähler an die AfD verlieren weil sie deren Exrremismus erst so richtig hoffähig macht und die Leute dann die Hemmung verlieren, das Original zu wählen.

      Dass die Menschen schon kapieren würden was die AfD für ein Müll ist, wenn sie erstmal in der Regierungsverantwortung ist, ist auch ein gefährlicher Irrglaube der historisch längst widerlegt ist. Das hat man über die NSDAP auch gesagt, lass die Deppen doch mal machen, nach einer Legislatur ist Schluss....

    • @Julius Anderson:

      Die Westbindung, sowie Europa sind der Kern der CDU. Ich sehe nicht, wie das im Westen mit der AfD zusammen gehen sollte.



      Im Osten ist das auch in diesem Fall ne völlig andere Geschichte. Die Ost-CDU, ebenso wie die ebenfalls von der CDU assimilierte DBD hatte diese Wurzeln nicht.

      • @Kaboom:

        Sie sehen doch an MP Kretschmer dass die Westbindung der CDU innerhalb der CDU nicht etwa gang und gäbe wäre

  • Die CDU sollte sich beeilen, mit der AfD Koalitionen zu bilden, solange sie selbst noch der Seniorpartner ist.



    Im Osten hat sie diesen Zeitpunkt verpaßt.



    Das ist meines Erachtens der Hauptgrund, warum es dort bisher noch keine Koalitionen gibt, und nicht eine sowieso nicht vorhandene inhaltliche Inkombatibilität.

  • Merz hat eh die GRÜNEN als den politischen Hauptgegner ausgemacht und das bislang nicht korrigiert. Die CSU will keine Koalition mit AfD, BSW oder GRÜNEN. Das zeigt überdeutlich, dass die Unionsparteien keineswegs den Schulterschluss mit anderen demokratischen Parteien suchen, sondern sehr wohl bereit sind über kurz oder lang mit den Rechten Faschos zusammenzuarbeiten. Es geht denen um Macht, um sonst nichts. Das mag legitim sein, es ist aber unehrlich und keineswegs christlich. Und Lügen steht einer christlichen Partei überhaupt nicht zu...

    • @Perkele:

      CDU und Grüne nach der nächsten BTW. Ist ja dann schon September und kein März mehr.

      • @EIN MANN:

        Ich bin wirklich sehr gespannt, ob die Grünen so dumm sind, sich mit der Merz-CDU in eine Koalition zu setzen.

        • @Kaboom:

          Hoffentlich nicht. Es wäre die Fortsetzung der Selbsterniedrigung wie sie in der Ampel stattfindet.

  • Was wohl die Merkelianer in der Union von der Diskussion halten? Der rechte Flügel der Union, inklusive den beiden Problembären an der Spitze von CDU und CSU ist ja nicht wirklich weit weg von den Blauen. Aber war da nicht mal was mit Sozialflügel? Liberalen in der Union? Schlagen die dann auch die Hacken zusammen?

  • Natürlich werden diese Koalitionen kommen, wir reden schließlich über die CDU.

    • @My Sharona:

      Was für ein Unsinn.

  • Ich bin Niedersachse.



    Ahlhorn ist 1 Dorf weiter, und geht gerade bzgl Migration auch durch die Nachrichten.



    Ihr glaubt nicht wer sich da gerade alles zusammen getan hat, um gegen Migration vorzugehen.



    Ein Parteienbündniss, unter anderem bestehend aus AfD und Grünen.



    Ja richtig gelesen, Grüne und AfD zusammen...

    Das fliegt uns alles um die Ohren hier. Wenn wir jetzt nicht ganz schnell Politisch umschwenken, werden unsere Kinder irgendwann in ner "Höcke Jugend" gezwungen im Stechschritt zu marschieren.

    Wollen wir das wirklich soweit kommen lassen?

    • @Rikard Dobos:

      "WIR" wollen es bestimmt nicht. Aber offenbar kann die Mehrheit mit dem Gedanken leben - oder sie denkt gar nicht so weit.