Kanzler-Kandidat der Union: Nur Merz kann Merz noch stoppen

Friedrich Merz marschiert geradewegs auf das Kanzleramt zu. Allerdings kommt er bei Frauen und liberaleren Unionswählern nicht so gut an.

Friedrich Merz spricht in ein Mikrofon

Friedrich Merz: Die politische Realität eines vielfältigen Deutschland könnte ihn einholen Foto: Markus Schreiber/ap

Eine Überraschung ist es nicht, eine Nachricht schon: CDU-Chef Friedrich Merz wird als Kanzlerkandidat der Union im kommenden Jahr in den Bundestagswahlkampf ziehen. CSU-Chef Markus Söder überlässt dem Häuptling der Schwesterpartei die Spitzenkandidatur. Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte schon tags zuvor seinen Verzicht erklärt. Damit ist die lange offene K-Frage in der Union jetzt entschieden. Merz hat sich auf ganzer Linie durchgesetzt.

Damit hat er das nächste Etappenziel erreicht und sein Comeback vollendet. Merz ist in der Union jetzt der unangefochtene Leitwolf. In der CDU hat er sein Rudel um sich geschart und mit Carsten Linnemann eine Kopie seiner selbst als Generalsekretär installiert. Er hat die Konkurrenten Hendrik Wüst und Daniel Günther auf ihre Plätze verwiesen, das Erbe von Angela Merkel erfolgreich abgeräumt und mit seinem harten und unversöhnlichen Kurs in Migrationsfragen jetzt auch Markus Söder hinter sich gebracht.

In seiner Partei geben so schneidige Typen wie Jens Spahn, Thorsten Frei und Philipp Amthor den Ton an. Die CDU wirkt heute männlicher und konservativer, zugleich weniger modern und vielfältig als zuvor. Bisher geht dieses Retro-Konzept auf. Die AfD hat Merz damit zwar nicht halbiert, wie er es großspurig als Ziel anvisierte, als er sich 2018 das erste Mal um den Parteivorsitz bewarb. Diesen Anspruch hat er längst aufgegeben.

Kommt mit seinem Retro-Kurs nicht so gut an

Aber in den Umfragen liegt die Union, dank der Schwäche der Ampelparteien, trotzdem weit vor allen anderen. Wenn es dabei bleibt, dürfte der nächste Kanzler Friedrich Merz heißen. Was könnte ihm noch im Weg stehen? Wenn Markus Söder diesmal die Füße stillhält, dann vor allem Merz selbst. Denn der Sauerländer kommt bei jungen Wählern und dem liberalen, grün-affinen und großstädtischen Bürgertum nicht so gut an wie bei seiner Parteibasis.

Der kalte Ton, mit dem er Kritiker abkanzelt, erinnert an Oberlehrer aus dem vergangenen Jahrhundert. Ein Typ, der die Herzen der weiblichen Wählerschaft höher schlagen lässt, wird er wohl nicht mehr werden. Das sind seine Schwachpunkte. Als Oppositionsführer ist es zudem einfach, klare Kante zu zeigen. Doch im Westen regiert die Union in drei Bundesländern mit den Grünen. Im Osten muss sie jetzt mit dem BSW verhandeln, wenn sie die Brandmauer zur AfD aufrechterhalten will.

Und im Bund müsste sie wohl mit SPD oder den Grünen koalieren – vielleicht sogar mit beiden. Die politische Realität ist in Deutschland vielfältiger, als es Merz mit seinem Retro-Kurs wahrhaben will. Diese Realität könnte ihn einholen.

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Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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