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Ligamodus der Champions League189 Mal die Besten

Die Uefa verspricht mit der reformierten und aufgeblähten Champions League mehr Teilhabe. Die gesteigerten Erlöse führen eher zu mehr Spaltung.

Santiago Castro vom fünftbesten italienischen Klub FC Bologna will nun auch in der Champions League jubeln Foto: imago

„Das ist etwas völlig Neues für uns, ein wunderbarer Moment, den wir mit großen Gefühlen erleben“, sagte nach der Auslosung der reformierten Champions League Claudio Fenucci, der Geschäftsführer vom FC Bologna. Nach der Saison 1964/65 mischt sein Team erstmals wieder im höchsten europäischen Wettbewerb mit. Der erste Gegner am Mittwochabend (18.45 Uhr) ist wenig glamourös. Der ukrainische Meister Schachtar Donezk reist an.

Dass Bologna überhaupt dabei ist, hat mit dem neuen Format der Champions League zu tun. Statt 32 sind nun 36 Klubs dabei Der fünfte Tabellenplatz in der heimischen Serie A reichte den Norditalienern bereits, um im Kreise des europäischen Fußballadels aufgenommen zu werden, wo immer mehr geprasst wird. 2,467 Milliarden Euro werden von der Uefa an die Vereine im neu gestalteten Wettbewerb verteilt (Vorjahr 2,002 Milliarden Euro). Schon allein das Antrittsgeld für jeden Verein hat sich von 15,64 Millionen Euro auf 18,62 Millionen Euro erhöht. Ermöglicht wird dies durch mehr Fußballspiele. Statt zuletzt 125 können jetzt 189 Begegnungen vermarktet werden.

Von der Übersättigung des Fußballs wird seit vielen Jahren gesprochen. Vor immer noch mehr Spielen und Wettbewerben warnte etwa 2017 der Manager der deutschen Nationalmannschaft Oliver Bierhoff und prognostizierte in Analogie zum Bankencrash 2008 ein Platzen der Fußballblase. Doch von Diätplänen hält der Europäische Fußballverband (Uefa) wenig. Für die Aufblähung ihres Prestigewettbewerbs stellt sie das Motiv voran, Teilhabe zu ermöglichen. Mehr Teams, so erklärt die Uefa, hätten so „die Chance, bedeutsame, wettbewerbsorientierte Spiele zu bestreiten“.

Bedeutsamer für die Uefa dürfte aber bei der Reform das Motiv gewesen sein, die Bedürfnisse der ganz großen Klubs zu stillen, die im April 2021 mit der Gründung einer Super League versuchen wollten, ihre Geldgeschäfte in die eigene Hand zu nehmen, um mehr Profite herauszuschlagen. Nach massiver Kritik von allen Seiten wurde das Projekt damals einstweilen aufgegeben. Mit der reformierten Champions League werden nun nicht nur die garantierten Einnahmen, sondern auch die Prämien pro Remis, Sieg und für das Weiterkommen in die Höhe geschraubt, was sich insbesondere für die großen Klubs lohnen wird.

System schräger Quervergleiche

Um all das zu erreichen, hat die Uefa einen hochkomplexen Wettbewerb aufgesetzt. Der Verband erklärt: „Die Fußballabteilung der Uefa hat Tausende Stunden investiert, um das neue Format zu entwickeln. Dabei wurden komplexe mathematische Modelle und Algorithmen verwendet, um es kontinuierlich zu verfeinern.“ Statt einer Gruppenphase gibt es nun zu Beginn der Champions League eine Liga mit 36 Teams, die jeweils acht Spiele zu bestreiten haben. Aus den Ergebnissen wird eine gemeinsame Tabelle ermittelt, die wiederum darüber entscheidet, wer sich direkt für die K.o.-Phase qualifiziert und wer dafür noch einmal in die Play-off-Runde muss. Der Charme dieses Systems schräger Quervergleiche, und das könnte ein Problem werden, vermittelt sich bislang vornehmlich Mathematiknerds.

Problematisch ist zudem, dass die erhöhten Geldflüsse an Klubs der Champions League zu noch mehr Langeweile in den nationalen Ligen führen werden. Selbst der Abstand zu der ebenfalls reformierten und nun einkömmlicheren Europa League und Conference League wächst. Auch Klagen über die zunehmende Belastung der Spieler nehmen zu. „Vielleicht spielt unsere Meinung keine Rolle, aber jeder weiß, was wir davon halten, mehr Spiele zu haben: Alle haben es satt“, sagte gerade der brasilianische Torhüter Alisson, der in Diensten vom FC Liverpool steht.

Die Uefa hat sogar die Champions-League-Hymne erneuert. Weniger dominante instrumentale Begleitung, heißt es, dafür die Betonung mehr auf den Gesang. 189 Mal wird dies zu hören sein: „Ils sont les meilleurs; Sie sind die Besten; These are the champions.“

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3 Kommentare

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  • Die Einführung eines neuen Ligamodus in der Champions League, der mehr Spiele mit sich bringt, erhöht die Belastung für die Spieler erheblich. Viele Vereine und Verbände fordern bereits Pausen und Entlastungen aufgrund der steigenden Verletzungsgefahr und der Erschöpfung der Profis. Zwar versprechen die zusätzlichen Partien wirtschaftliche Vorteile und mehr Spannung, doch die körperlichen und mentalen Grenzen der Spieler werden oft ignoriert. Langfristig könnte dies nicht nur die Spieler, sondern auch die Qualität des Wettbewerbs beeinträchtigen. Die Frage bleibt: Wie viel ist zu viel?

  • Der Modus, der es den etwablierten Mafiosos noch leichter macht immer wieder zu gewinnen und sich unendlich zu bereichern, als wären "verpfiffene" Spiele durch oportunistische Schiedsrichter, die im Zweifel pro Starmannschaft pfeiffen nicht genug. Und so ein halbgutes Real bekommt so nicht nur keine Freistöße/Elfmeter wegen eigener Unfähigkeit, sondern nun auch die Möglichkeit diesen Unfug allein in der Ligaphase gleich 8 mal zu vollbringen. Der Fussball schafft sich ab. Schaut überhaupt noch jemand nach, wo wann welches Spiel läuft? Wir wissen doch ehe alle wer im (Halb)Finale spielen wird, wie ein hundertmal gesehener Film.

  • Ich hoffe Bierhoff behält recht und die Bubble platzt bald. Es wird ja jetzt sogar in der Gruppenphase an 3 Tagen gespielt. Geht's noch!?