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US-Wahlkampf und MedienChaos und Comedy

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Im US-Wahlkampf geht es um sehr viel – auch um Entertainment. Und das wird von Jahr zu Jahr bedeutender. Und trivialer.

Taylor Swift kündigte mit einem Instagram-Post an, Kamala Harris zu unterstützen Foto: Balkis Press/ABACA/imago

D er US-Wahlkampf dauert quälend lang, es steht wirklich viel auf dem Spiel, die Themen sind sehr ernst und die Ängste sehr groß. Vielleicht präsentiert sich der Wahlkampf auch genau deshalb immer wieder auch als pures Entertainment, als große Mischung zwischen Comedy-Show, Sitcom und Rapper-Beef.

■ „Childless Cat Lady“ Taylor Swift gegen „I hate Taylor Swift“ Donald Trump.

■ Elon Musk, der Taylor Swift ein Kind machen will, um sie ruhigzustellen.

■ J.D. Vance, der sich dabei blamiert, Donuts auszusuchen.

■ Tim Walz, der Trump und Vance „weird“ findet und seit letzter Woche bei jeder Gelegenheit darauf hinweist, dass auch er eine Katze besitzt, genau wie Taylor Swift.

■ Kamala Harris, deren Lachen auf dem Split Screen genauso viral geht wie Donald Trumps „They’re eating the cats“.

■ Joe Biden, der vergessen von der Welt noch ein paar Monate im Weißen Haus hockt.

■ Dutzende von parteilichen Ex­per­t*in­nen in allen TV-Sendern und auf den Meinungsseiten der Leitmedien, die als Lautsprecher und Spin-Doktor*innen beider Seiten fungieren und die Talking Points vorgeben.

Und dazu Kohorten von Late-Night-Hosts, die Abend für Abend die Absurditäten des Tages noch überspitzen, um ihr Publikum trotz aller Verzweiflung zum Lachen zu bringen. Kein Wunder, dass es gar nicht mal wenige US-Amerikaner*innen gibt, die ihre Informationen fast nur noch von dieser letzten Gruppe beziehen.

Ja, Wahlkampf in den USA war immer schon personenbezogen. Das bringt das Wahlsystem mit sich, nicht nur beim Kampf ums Weiße Haus, und so wurde und wird in den USA schon immer viel mehr über die Persönlichkeiten und Charaktere gesprochen, geschimpft, sich be- und entgeistert und gelacht als hierzulande. Trotzdem bleibt der Eindruck, als ob es alle vier Jahre immer noch ein bisschen dümmer würde und ein bisschen trivialer.

Preisfrage: Was hilft Kamala Harris mehr: die Unterstützung von Pop-Ikone Taylor Swift oder jene von inzwischen rund 230 ehemaligen republikanischen Regierungsmitarbeitern, die Trump als Riesengefahr ansehen?

An denen ist interessant: Sie sind quasi die einzigen, die in einer in Lagern fest verschanzten politischen Öffentlichkeit und Gesellschaft noch die Seiten wechseln und das sogar öffentlich machen. Dabei haben Trump und seine MAGA-Republikaner*innen schon vor Jahren begonnen, ihre An­hän­ge­r*in­nen gegen derlei Kritik zu immunisieren: Wer Widerworte gibt und gar die „linksradikale“ Kamala Harris unterstützt, ist für sie ein RINO, ein*e Re­pu­bli­ka­ne­r*in nur dem Namen nach.

Derartige Immunität gegen Fremdeinflüsse oder Gegenargumente ist auch das Hauptmerkmal der politischen Comedy, die fest in liberaler Hand ist. Einzig Jon Stewart, der für diesen Wahlzyklus für ein paar Monate zur „Daily Show“ zurückgekehrt ist, scherte vor Monaten aus dem allgemeinen Spin aus, als er auf das massive Altersproblem des damaligen Kandidaten Joe Biden hinwies – was ihm seinerzeit einen veritablen Shitstorm einbrachte.

In Wirklichkeit aber wird fast niemand die Meinung ändern, weil Taylor Swift etwas sagt. Oder Elon Musk. Allerdings: Beide verbreiten ideologiebildende Botschaften: Musk eine mysogyne, Swift eine feministische. In der eigenen Community festigen sie damit den Standpunkt. Genau wie Sean Hannity bei Fox News oder – ungleich intellektueller und witziger – Stephen Colbert in der „Late Show“ auf CBS. Come together, America? Nö, mit den Blöden da drüben bestimmt nicht.

Mit Regierungs-Verantwortung, um die eigentlich gekämpft wird, hat das alles nicht viel zu tun. Mit Politikdarstellung im 21. Jahrhundert hingegen alles. Wenn aber die Demokratie zum leidlich ehrlichen Austarieren verschiedener Interessen nicht mehr in der Lage ist, dann wird sie vulnerabel. Und das ist dann nicht mehr lustig.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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6 Kommentare

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  • Mit Politikdarstellung im 21. Jahrhundert hingegen alles. Wenn aber die Demokratie zum leidlich ehrlichen Austarieren verschiedener Interessen nicht mehr in der Lage ist, dann wird sie vulnerabel. Und das ist dann nicht mehr lustig.



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    Ja, wir verspielen unsere größte Errungenschaft gerade massiv.



    Und werden heulen wenn die weg ist, doch erst dann bemerken, wie steinig der Weg ist, den wir gehen müssen, um DIE o.a. Freiheiten & Rechte wieder zu erkämpfen! :-(

  • "Derartige Immunität gegen Fremdeinflüsse oder Gegenargumente ist auch das Hauptmerkmal der politischen Comedy, die fest in liberaler Hand ist. Einzig Jon Stewart, der für diesen Wahlzyklus für ein paar Monate zur „Daily Show“ zurückgekehrt ist, scherte vor Monaten aus dem allgemeinen Spin aus, als er auf das massive Altersproblem des damaligen Kandidaten Joe Biden hinwies – was ihm seinerzeit einen veritablen Shitstorm einbrachte."

    Der Mann ist kaum genug zu loben für seine Unabhängigkeit, siehe auch seine Reaktion auf Apple TV's "Vorschlag", es mit Kritik an China nicht zu übertreiben. Und dafür, dass er nicht den traurigen Pfad von Bill Maher ergriffen hat.

    Ich möchte aber auch anmerken, dass wir hier auf der liberalen Seite von selbst erklärten politischen Comedians reden. Hannity, Carlson und Konsorten sind ebenfalls sehr "geradlinig", betrachten bzw. bezeichnen sich als Journalisten und meinen ihre von denkenden Menschen als Comedy empfundenen Formate (tod)ernst. Ein sehr wichtiger Unterschied.

    • @Systemknecht:

      "Und dafür, dass er nicht den traurigen Pfad von Bill Maher ergriffen hat." ? Bitte erklären, was Sie damit meinen. Weil Bill Maher einer der ganz wenigen ideologiebefreiten, noch selbstdenkenden, unabhängigen Figuren ist, die Haltung zeigt und sich traut, den zunehmenden Irrsinn im eigenen Lager öffentlich zu kritisieren? Deswegen ist er auf einem "traurigen Pfad"?

      • @Alexx:

        Aus meiner Sicht ist er eines der traurigsten Beispiele für das (von Alter, Hautfarbe und Geschlecht unabhängige) Alter-Weißer-Mann-Syndroms. Man verggleiche nur, aus welcher Ecke er heute, im Vergleich zu vor 5-10 Jahren, am meisten Applaus bekommt. Und diese Änderung scheint ihm nicht nur egal zu sein, er genießt sie. Fein, er hat nicht aufgehört, auf Rechte zu haten, ganz toll. Nur was er heutzutage für ein Kaspertheater mit dem Woke-Wahn zelebriert, weil ihm "das alles" zu weit geht, finde ich jammerschade, vor allem ganz explizit im Vergleich zu Jon Stewart, einem noch älteren weißen Mann, der sich mit diesem Syndrom so gar nicht angesteckt hat.

  • Treffende Zusammenfassung, wobei ich tatsächlich dachte, dass die Worte Swifts einen Einfluss hatten - zumindest auf die Registrierung der Wähler.

    Gruselig ist aber: Der Artikel beschreibt ziemlich genau, was den Wahlkampf ausmacht und um was es geht, zumindest wie ich es mitbekommen habe*. Und das gelingt dem Artikel ohne ein inhaltliches Thema zu erwähnen, also was die zentralen Forderungen von Trump und Harris sind.

    *Liegt aber auch daran, dass ich nicht mit wähle und daher auch keinen Einfluss nehmen kann, wenn auch das Ergebnis für Deutschland und Europa Folgen haben wird.

  • Wir sollten Sozialmedia endlich zu dem umbenennen, was es wirklich ist, nämlich Bullshitmedia. Oder es zumindest generell so titulieren, damit jeder, der auf diesen Kanälen unterwegs ist, sich jeden Augenblick vergegenwärtigen kann, worum es sich tatsächlich handelt. Vielleicht hilft das den Betroffenen ja auch bei der generellen Einordnung der Informationen.