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Betrug beim KlimaschutzVerbrenner schädlicher als gedacht

Das Umweltbundesamt will den Mineralölkonzernen Zertifikate für die Minderung von Treibhausgasen aberkennen. Es geht um Millionen Tonnen von CO2.

Palmöl, Restholz, Erdöl? Unklar, was aus der Zapfsäule wirklich rauskommt Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Berlin taz | Das Umweltbundesamt (UBA) prüft, ob Mineralölkonzernen falsche Zertifikate für angeblich klimafreundlicheren Sprit entzogen werden können. Betroffene Konzerne müssten dann neue, andere Zertifikate nachliefern, mit dem sie Bemühungen für Klimaschutz nachweisen. Neue Zertifikate für UER-Projekte werden nicht mehr ausgestellt. Die Zertifikate hatten Firmen für Projekte erhalten, die die Erdölförderung nachhaltiger machen sollten, sogenannte UER-Projekte.

UER steht für Upstream Emission Reduction und kann etwa bedeuten, bei der Erdölförderung anfallendes Methan aufzufangen und weiter zu verwerten oder bei der Förderung Windenergie einzusetzen.

Für jedes dieser Projekte erhielten die Konzerne Zertifikate über die erreichte Treibhausgasminderung. Neben Investitionen in E-Mobilität oder nachhaltige Kraftstoffe aus pflanzlichen Reststoffen waren die UER eine Methode für die Mineralölkonzerne, ihr klimaschädliches Geschäft nachhaltiger zu machen. Doch offenbar klappt das nicht.

Von 75 weltweit genehmigten UER-Projekten sind nach ZDF-Recherchen und Branchen-Hinweisen vor allem die 66 in China befindlichen ins Visier geraten. 45 von ihnen „stehen unter einem sehr starken Betrugsverdacht“, sagte Uba-Präsident Dirk Messner am Montag. 32 von ihnen will das UBA rückabwickeln, „damit sichern wir rund 4 Millionen Tonnen unberechtigte UER-Zertifikate“, so Messner. Bei 13 Projekten, die schon abgeschlossen sind, sei das schwieriger. Hier werde die Staatsanwaltschaft ermitteln.

Das UBA unternehme hier endlich richtige Schritte, sagt Sandra Rostek, die das Hauptstadtbüro Bioenergie leitet, „doch es löst das Problem nicht“. Wenn nicht einmal die Compliance-Abteilungen von Weltkonzernen wie BP und Shell den Betrug entdeckt hätten, „funktioniert ja wohl das ganze System nicht“, sagt Rostek. Man müsse es umdrehen: Nicht mehr der Staat müsse nachweisen, dass ein Zertifikat falsch, sondern der Anbieter müsse vor der Erteilung beweisen, dass es korrekt sei. Dies gelte vor allem, weil auch ein zweiter Bereich betroffen sei, der für Nachhaltigkeit im Verkehr sorgen soll: nachhaltige Biokraftstoffe aus Stroh, Holz oder anderen Reststoffen.

Anreize zum Betrug

Anders als Diesel beispielsweise aus Raps, tierischen Fetten oder Frittierfett dürfen die Mineralölkonzerne diese nachhaltigen Biokraftstoffe ihrem Benzin und Diesel unbegrenzt beimischen. Dies habe zu einem Sog geführt und setze auch hier Anreize zum Betrug. Der Verdacht: Große Mengen an äußerst klimaschädlichem Palmöl werden in Deutschland als nachhaltiger Biokraftstoff verkauft.

Der österreichische Ölkonzern OMV, der im Zertifikate-Skandal auftaucht, weist das von sich: „Alle Lieferanten sind nach einem anerkannten freiwilligen Zertifizierschema der EU zertifiziert, beziehungsweise unterliegen der Aufsicht der deutschen Zollbehörden“, schreibt das Unternehmen. OMV schließe vertraglich mit den Lieferanten einzelne Herkunftsländer von Biotreibstoffen aus. Eingehende Nachhaltigkeitsnachweise würden beim Eingang kontrolliert und gegebenenfalls beim Lieferanten reklamiert.

„Die Untersuchungen der deutschen Behörden zeigen, dass die bestehende Nachhaltigkeitszertifizierung für fortschrittliche Biokraftstoffe nicht ausreicht“, sagt Elmar Baumann vom Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie. Die Forderung auch hier: Die Behörden brauchten mehr Kapazitäten und mehr Rechte.

„Zusammen mit den anderen Verbänden der Biokraftstoffwirtschaft fordern wir, dass Produzenten fortschrittlicher Biokraftstoffe eine behördliche Zulassung für den deutschen Markt beantragen müssen“, sagt Baumann, „sie müssen nachweisen, welche Rohstoffe sie einsetzen und über welche Produktionskapazitäten sie verfügen“. Außerdem müsse die zuständige Behörde, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, das Recht haben, Betriebe unangekündigt zu kontrollieren.

Die Bioenergie-Lobbyistin Rostek fürchtet, dass der Zertifikate-Skandal der Mineralölbranche nur die Spitze des Eisbergs zeigt. „Wir befürchten ähnliche Probleme bei Zertifikaten für grünen Stahl oder Wasserstoff“, so Rostek. „Wir werden nicht umhinkommen, auch künftig Waren und Energie im Ausland einzukaufen“, sagt UBA-Präsident Messner, darum seien effektive Zertifizierungssysteme nötig. Das sei lösbar, etwa indem die Zertifizierer selbst besser kontrolliert und internationale Vorortvisiten durchgeführt würden.

Um eine Einordnung des Skandals gebeten, winken Experten etwa von Umweltforschungsinstituten übrigens ab. Dass der Kraftstoffmarkt für Verbrennungsmotoren nicht klimafreundlich machbar sei und auch Biokraftstoffe dazu nicht beitragen könnten, sei seit langem klar. Damit befasse man sich im Detail nicht mehr.

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11 Kommentare

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  • Was mir in der ganzen Diskussion fehlt, ist die Auswirkung auf die THG-Quoten.

    Die Mineralölhersteller sind verpflichtet THG-Zertifikate für die von ihnen verursachten Verschmutzungen zu kaufen.

    Anbieter von den Zertifikaten sind z.B. die Besitzer von E-Autos, bis vor ca. 2 Jahren gab es da pro Auto und Jahr noch ca. 350-400 EUR.

    Dann kamen findige Geschäftemacher auf die Idee, plötzlich massig Altfett (Frittenöl) aus Asien zu importieren und dieses billig zu verkaufen, da für dieses (da nominell ebenfalls CO²-frei) auf die THG-Quoten angerechnet werden kann.

    Infolgedessen brach der Preis / erzielte Ertrag für die E-Auto-Besitzer auf ca. 70-100 EUR ein.

    Prinzipiell wäre das ja okay, das Problem ist aber nur, dass auch hier massiv und eigentlich offensichtlich betrogen wird, da gar nicht so viel Frittenöl frei verfügbar ist, wie an uns als solches verkauft wird. Vor allem, wenn ein Großteil davon auch noch in diesen neuen HVO-100-Kraftstoff gehen soll.

    Anders ausgedrückt: da wird umgelabeltes Palmöl geliefert, welches aber aufgrund der Umweltprobleme (Rodungen) explizit von der Anrechnung ausgenommen ist und der E-Autoabsatz wird weiter geschädigt.

  • "Schädlicher als gedacht"



    ist da wohl die falsche Formulierung.

    Richtiger wäre wohl



    "Schädlicher als behauptet" ...

    • @Bolzkopf:

      Die Formulierung ist gänzlich falsch: Der Verbrenner ist genauso schädlich, wie angenommen.

      Es gab keine Ausgleichsmaßnahmen, die man aber angenommen hat, da es da großflächigen Betrug v.a. in China gab.

  • "Um eine Einordnung des Skandals gebeten, winken Experten etwa von Umweltforschungsinstituten übrigens ab... Damit befasse man sich im Detail nicht mehr."



    Mit anderen Worten: Wir schütten lieber gleich das Kind mit dem Bade aus.

    • @sollndas:

      Das Kind ist lange weg, der Drops gelutscht, der Zug abgefahren.

      • @Wonko the Sane:

        Da fällt mir doch Stuttgart 21 ein: "Der Käse ist gegessen".



        Die Folgen bleiben bzw. kommen noch.

        • @sollndas:

          Was hat die umweltfreundliche Bahn mit den umweltschädlichen verbrennern zu tun

  • Meiner Meinung nach haben die Mineralölkonzerne doch überhaupt kein Interesse daran, ihre Geschäfte klimaneutral zu gestalten. Da helfen auch keine Zertifikate in jedweder Form. Greenwashing nennt man das!

  • Es zeigt einfach, dass der Zertifikats- und Emissionshandel eine fast undurchschaubare Bürokratie und wuchernde Dienstleistungsbranche hervorgebracht hat, aber kein Gramm CO2 eingespart wurde. Ein rein kapitalistisches Instrument.

    • @fly:

      Aber natürlich wird CO 2 eingespart, auch wenn man zum Beispiel Palmöl dem Diesel beimengt.



      Die Frage ist vielmehr, ob manche Auswüchse des Zertifikat-Handels sinnvoll sind...



      Natürlich ist das alles Kapitalismus. Aber der ist nunmal unser Wirtschaftssystem.



      Natürlich ist das bürokratisch, aber man könnte vieles mit oder durch eine höhere Transparenz vereinfachen, wenn der politische Wille das einfordert. Aber Steinmeier, -brück, Gabriel, Merz, vdLeyen und natürlich Chrissi werden einen Teufel tun...

      • @Tz-B:

        wenn für das Palmöl Urwald gerodet wird und auf den Plantagen Dünger / Pestizide etc. ausgebracht werden, ist das weder umweltfreundlich noch ansatzweise CO²-neutral (es wurde bei der Rodung ja das ganze dort gespeicherte CO² auf einen Schlag freigesetzt).