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Jux-Krimireihe im Altonaer TheaterEin schlichtes Vergnügen

Karsten Dusses Spaß-Krimi-Reihe „Achtsam morden“ ist ein Bestseller. Der zweite Teil im Altonaer Theater funktioniert, bleibt aber inhaltlich dünn.

Wunderbar wandlungsfähig: Das Ensemble spielt alle möglichen Stereotypen Foto: G2 Baraniak

Hamburg taz | Seine Existenz unter den Hamburger Bühnen hat sich das Altonaer Theater mit einem einfachen Konzept gesichert: „Wir spielen Bücher.“ Und wenn schon ausschließlich auf Prosa gesetzt wird, dann dem Publikumszuspruch zuliebe natürlich auf Bestseller: Die hat Karsten Dusse mit der launigen „Achtsam morden“-Reihe seit 2018 schon im Fünferpack produziert.

Teil 2, „Das Kind in mir will achtsam morden“, bringt Intendant Axel Schneider nun zur Erstaufführung in einer höchstselbst von 480 auf völlig ausreichende 100 Seiten komprimierten Fassung.

Er setzt dabei auf die schlichteste Form des Literaturtheaters: Der Ich-Erzähler der Vorlage bietet die Geschichte frontal zum Publikum dar. Jeder Satz, jede Figur wird nur aus dieser gnadenlos subjektiven Perspektive lebendig.

Die Sidekicks Chantal Hallfeldt und Georg Münzel lockern als Darsteller der Romanfiguren mit kurzen Einwürfen oder auch längeren dialogischen Interaktionen den Monolog auf. Ein Ankleider unterstützt bei den rasanten Rollen-, Kostüm- und Requisitenwechseln.

Dezentes Aus-der-Rolle-Treten

Auch das Setting ist angenehm schlicht. Gespielt wird bei geschlossenem Vorhang auf der Vorderbühne. Nur ein paar Sitzmöbel werden mal benötigt – rechts und links stehen die Kostümwagen mit den Umkleideutensilien.

Protagonist Björn Diemel, gespielt von Dirk Hoener, hat die große Wandlung schon hinter sich. Als gestresster Anwalt zwischen Eheproblemen, Zukunftsängsten, Vaterpflichten, anstrengenden Klienten – Mafia-Clans – hat er dank Therapeut Joschka Breitner die Achtsamkeit für sich entdeckt. Fortan also achtet er rücksichtslos auf seine Interessen – und schafft ein lebendiges Problem auch mal schnell mit einem Mord aus der Welt. So ist Diemel inzwischen Gangsterboss, Kindergartenleiter und lebt von seiner Frau getrennt.

Dusses Krimiliteratur ist keine, in der es um Leichenfinden, Mördersuchen sowie psychosoziales Aufdröseln von Tätermotiven und ihrer gesellschaftlichen Ursachen geht. Der Autor will Spaß mit Thriller-Versatzstücken bereiten und dementsprechend versucht die Regie vor allem komisch sein – mit Dusses Sprachwitz, aber auch szenischen Extra-Gags und dezentem Aus-der-Rolle-Treten.

Wenn sich Hoener auf offener Bühne umzieht, bekommt Münzel Angst, eine Unterhose könnte ins Blickfeld geraten, und verdeckt ihn schnell mit zwei Riesenhodensäcken. Wenn Hoener den Kollegen als Kellner anspielt und sagt, dieser sei Ende 20, schauen sich beide amüsiert an, das Publikum lacht, denn Münzel ist über 50. Und wenn sich der Kellner dank Diemel das Genick bricht, singt Hallfeldt: „Über den Wolken“ …

Das ist die Art Humor, wegen der viele Menschen Comedy-Formate auf Sat1 oder RTL nicht gucken, für die Dusse jahrelang gearbeitet hat

Hinzu kommt die Textebene. Hatte sich der Kellner eben noch die Umwelt als plastikfreie Zone gewünscht, schnoddert ihm Diemel entgegen: „Plastikfreie Zone hatte dein Vater ja offensichtlich schon untenrum bei deiner Zeugung.“

Auf Diemels Anmerkung, er habe mit einer Frau zusammen gekocht, reagiert sein unterweltlerischer Compagnon mit „inklusive Nachtisch“ und illustriert das mit sexualisierten Hüftbewegungen. Das ist die Art Humor, wegen der viele Menschen etwa Comedy-Formate auf Sat1 oder RTL nicht gucken, für die Dusse jahrelang gearbeitet hat.

Aber er hat auch Feindbilder, deren Parodien amüsieren. Etwa wenn Diemel einem Unternehmer die Marketing-Aussage zerpflückt, das E-Roller-Business sei klimaneutral. Oder wie herrlich Hallfeldt auf einem Elternabend gleich alle ideologisch verbitterten Mütter spielt, die etwa aus Datenschutzgründen die Aufnahme eines Kitagruppenfotos verhindern wollen.

Münzel genießt es, in der Rolle des Achtsamkeitscoaches die Phrasendrescherei der esoterischen Ratgeber-Literatur bloßzustellen. Er karikiert diese Figur mit priesterlich weihevollem Tonfall, traniger Sanftmutsshow und einer Klangschale im Anschlag. Alle Figuren sind Stereotypen, was stets persiflierend überbetont, also grelllustig ausgestellt, manchmal auch fratzenhaft ins Groteske getrieben wird. Bei einer Sexszene geht’s schnurstracks Richtung Klamotte.

Georg Münzel und Chantal Hallfeldt sind wunderbar wandlungsfähig. Dirk Hoener ist in seiner entspannten Dauerironie eine sympathische Identifikationsfigur und hat mit charmanter Eloquenz den Abend im Griff. Die gekonnt lässige Inszenierung funktioniert kurzweilig. Nur inhaltlich kommt das gespielte Buch doch arg dünne daher.

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