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Verdacht der SpielmanipulationUnerwünschte Scouts auf der Tribüne

Im deutschen Amateurfußball sorgt die Meldung von vermutlich 17 manipulierten Partien für Unruhe. Die Betrüger gehen äußerst geschickt vor.

Das Geschehen beim Hamburger Oberligist Niendorfer TSV ist auch für internationale Wettanbieter interessant Foto: imago

Berlin taz | Es ist in den vergangenen Tagen vor allem ein großes Thema in der regionalen Berichterstattung. Das Problem ist aber ein bundesweites. Der deutsche Amateurfußball muss sich mit seiner Anfälligkeit für Wettbetrug auseinandersetzen.

Die Vereine sind aufgeschreckt, seit die Hamburger Morgenpost (Mopo) Ende vergangener Woche eine bemerkenswerte Recherche veröffentlichte. Demnach deuten Indizien daraufhin, dass mindestens 17 Fußballspiele aus der dritten Liga, zwei Regionalligen und mehreren Oberligen manipuliert worden sind. Mit dem Rheinland, Saarland, Hessen, Hamburg sind mehrere Regionen betroffen.

In Deutschland ist das Wetten auf Partien unterhalb der dritten Liga ebenso wie das Anbieten solcher Wetten seit 2021 verboten, weil deren geringverdienenden Protagonisten als erheblich anfällig für Manipulationen identifiziert wurden. Wetten bei ausländischen Wettanbietern im Internet zu platzieren, ist allerdings auch für Deutsche mit einer verschlüsselten Verbindung möglich.

Bei den von der Mopo recherchierten Fällen wurde offenbar mit großem Geschick vorgegangen. Die Zeitung berichtet von anonymen Chatverläufen, in denen Tage vor den Spielen deren Ausgang konkret und richtig, wie sich später herausstellen sollte, vorausgesagt wurde. Die Kommunikation soll über Messengerdienste im Darknet erfolgt sein. Um auffällige Ausschläge bei den Wettanbietern zu vermeiden, sollen die Daten nur einer begrenzten Zahl an Kunden mit der Auflage übermittelt worden sein, nur begrenzte Beträge auf die jeweiligen Voraussagen zu setzen.

Die Möglichkeit, auf sehr spezifische Ereignisse wetten zu können, wie den Ehrentreffer des unterlegenen Teams zum 1:5 in der Schlussphase, vergrößert auch die Möglichkeiten der Manipulation.

Datenscouts zu 2.700 Amateurspielen

Die Amateurklubs in Deutschland halten in diesen Tagen auf ihren Sportanlagen vermehrt nach sogenannten Daten­scouts Ausschau. Menschen, die via Smartphone oder Headset von den Amateurplätzen aktuelle Spielinformationen weitergeben, die letztlich auf den Portalen von ausländischen Anbietern von Livewetten eingespielt werden.

Vergangene Woche wurden die Hamburger Oberligisten Niendorfer TSV und des TSV Sasel bei ihren Heimspielen darauf aufmerksam gemacht, dass auf ihre Begegnungen Livewetten im Ausland geschlossen werden können. Daraufhin machten sie auf ihren Anlagen jeweils einen Datenscout ausfindig und erteilten diesen ein Stadionverbot. Kurz darauf konnten, wie das Hamburger Abendblatt berichtete, keine Wetten mehr auf die beiden Spiele abgeschlossen werden.

Wie verbreitet Datenscouts bei deutschen Amateurfußballspielen sind, deckte Mitte August eine Recherche des Bayerischen Rundfunks auf. „In der Saison 2023/24 schickte Sportradar zu mindestens 2.700 Amateurspielen in Deutschland sogenannte Datenscouts.“ Der Tech-Konzern Sportradar, ein Milliardenunternehmen, verdient einerseits sein Geld mit dem Verkauf von Livedaten für Wetten auf Amateurspiele und profiliert sich andererseits mit seiner Abteilung „Integrity Services“ als Dienstleister für kostenlose Überwachung des Wettmarkts, um Spielmanipulation aufzuspüren.

Der Deutsche Fußball-Bund reagiert bislang noch recht verhalten auf die neuesten Nachrichten aus dem Amateurfußball. Gegenüber der Mopo erklärte der DFB zwar, man sei besorgt, es sei aber fraglich, „wie bei einer vermeintlichen Manipulation exakte Ergebnisse (…) vorsätzlich bestimmt werden konnten“.

Der Verband hat indes das Bundeskriminalamt eingeschaltet. Im Saarland ermittelt die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wegen eines manipulierten Fußballspiels. Das Hessische Landeskriminalamt spricht von zwei „auffälligen“ Spiele, die „kriminalpolizeilich bewertet“ würden.

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4 Kommentare

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  • Eine Frage:



    Kann ein mittelmäßiger Oberligaverein durch Teilnahme am Wettbetrug und permanentes Wetten auf den eigenen Sieg den Aufstieg schaffen?

  • Irgendjemand muss doch das 1:5 Ehrentor entweder schießen oder zulassen.



    D.h. das Problem sind noch eher mal nicht die Scouts auf der Tribüne sondern befindet sich in der Kabine oder sehe ich das falsch?

    Immerhin: wenn durch die Entfernung der Datenscouts die Wettinfrastruktur zumindest vorerst gestört wird und keine Wetten auf den Verein mehr möglich sind, kann man damit auch kein Geld mehr verdienen.

    Dann darf der Verein aber auch keine WebCam betreiben, auf der man die Ergebnistafel sehen kann.

  • Da man leider den Wettsuchtkranken im Ausland keinen Psychodoktor vorbeischicken kann und manche auch hierbei keine Skrupel haben, das auszunutzen, geht jetzt auch noch der Amateursport vor die Rennhunde?



    Ich hoffte, das wäre ein "Wahrheit"-Artikel gewesen.



    Schon schade. Ich stelle mir gerade die große Schlange am Eingang des Eimsbütteler TV o.ä. vor, wenn alle erst einmal ihr Handy abgeben müssen.

  • "Menschen, die via Smartphone oder Headset von den Amateurplätzen aktuelle Spielinformationen weitergeben, die letztlich auf den Portalen von ausländischen Anbietern von Livewetten eingespielt werden."



    Immerhin haben die sich das Spiel angeschaut. In der hiesigen B1-Nachbarstadt, beim Liga-Auftakt vor wenigen Jahren, sah ich ein Duett, das nur am Smartphone geklimpert hat, ohne das Spiel anzusehen. Vielleicht kannten sie das Ergebnis schon vor dem Anpfiff🤔 (0:0 Endstand)😉.