Reismangel in Japan: In Japan ist der Reis knapp

Hohe Temperaturen und eine verfehlte Agrarpolitik führen dazu, dass in vielen japanischen Supermärkten Reis fehlt. Auch die Qualität leidet.

Auf einer leeren Reisschüssel liegen zwei Holzstäbchen

Baby, es gibt Reis – oder auch nicht! Foto: imago

Tokio taz | Eine Versorgungskrise beschäftigt Japan: In vielen Supermärkten sind die Regalflächen für Reis leer, häufig wird die Verkaufsmenge je Person auf einen Standardsack mit 5 Kilogramm begrenzt. Die Preise sind um bis zu 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Dabei ist Reis den Japanern heilig. Für Reis und Essen benutzt man dasselbe Wort „gohan“.

Über die Ursachen der Reisknappheit wird in der Presse und den sozialen Medien heftig diskutiert. User warfen ausländischen Touristen auf der Plattform X vor, sie würden den Japanern mit ihrem Heißhunger auf Sushi-Happen und Onigiri-Reisbällchen das Grundnahrungsmittel wegessen. Zeitungskommentare wiederum verwiesen auf die Hamsterkäufe im August, nachdem die Regierung die Bevölkerung aufgerufen hatte, genügend Notvorräte für ein großes Erdbeben anzulegen.

Tatsache ist: Die gelagerte Menge bei privaten Reisanbietern ist im Vergleich zum Vorjahr um ein Fünftel und damit auf den niedrigsten Stand in diesem Jahrhundert gefallen. Zwar ist die Knappheit nicht so groß, dass die Regierung auf ihre Notreserve von 1 Million Tonnen Reis zurückgreifen müsste. Aber Bauern und Wissenschaftler berichten, dass die Qualität der Ernte zurückgegangen ist. Viele Körner eignen sich nicht mehr für den polierten Reis, den die Japaner bevorzugen.

Diese Verschlechterung führen Experten auf den Klimawandel zurück. Japans wichtigste Sorten wurden für die Wetterbedingungen in bestimmten Anbauregionen hochgezüchtet. Die Trends zu höheren Temperaturen, veränderten Niederschlägen und stärkeren Winden während der rekordheißen Sommer der vergangenen fünf Jahre schaden diesen Sorten. Zudem drückt ein höherer Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre den Nährwert des angebauten Reises, weil der Gehalt an Proteinen, Mineralien und Vitaminen zurückgeht.

Bauern drohen Einbußen

Die führende Anbauregion Niigata zum Beispiel erlebte im Vorjahr eine der schlechtesten Ernten. „Extreme Hitze und geringe Temperaturen führten zu kalkigen oder gespaltenen Körnern“, klagte ein Beamter in Niigata. Der Geschmack leidet darunter angeblich nicht. Aber der Reis könnte dadurch auf den zweiten Qualitätsgrad heruntergestuft werden. Für die Bauern würde dies Einbußen in Höhe von 10 Prozent bedeuten.

„Das ist ein schwerer Schlag für sie“, sagte der Klimaforscher Yuji Masutomi vom Nationalen Institut für Umweltstudien. Immer mehr Bauern steigen daher auf hitzeresistente Sorten um, die inzwischen auf einem knappen Achtel der Anbauflächen wachsen. Aber auch dieser Reis entwickelt unreife, kalkweiße Körner. Die Entwicklung neuer Sorten, die die Regierung fördert, wird noch zehn Jahre dauern.

Die aktuelle Krise beruht auch auf einer fehlgeleiteten Agrarpolitik. In deren Rahmen hält die Regierung den Reispreis zugunsten der Bauern hoch, indem sie die Anbaufläche an die erwartete Nachfrage anpasst, weil die Japaner von Jahr zu Jahr weniger Reis essen. Subventionen sollen die Bauern dazu bewegen, Sojabohnen und Weizen statt Reis anzubauen. In der Folge werden nur 60 Prozent der Reisfelder tatsächlich genutzt. Die Erträge stagnieren schon länger.

Japaner kaufen wegen Inflation mehr Reis

„Diese strikte Steuerung der Anbaufläche löst schon bei einem leichten Anstieg der Nachfrage Knappheiten und Preissprünge aus“, sagt Kazuhito Yamashita, Agrarexperte am Canon Institute of Global Studies. Genau das sei in diesem Jahr als Reaktion auf die Inflation bei Nahrungsmitteln passiert: Erstmals seit 10 Jahren kauften die Konsumenten wieder mehr Reis, weil dessen Preis nur um 4 Prozent stieg, während Brot sich um 8 und Nudeln um 11 Prozent verteuerten.

Die neue Ernte wird die Knappheit ab Oktober lindern, die Preise dürften aber hoch bleiben. Daher fordert Yamashita einen radikalen Politikwechsel. Japan sollte die produzierte Reismenge kräftig steigern, um Indien als größten Reisexporteur der Welt abzulösen. Japans Reis sei so gut, dass er als Luxusprodukt vermarktet werden könnte. In Kalifornien angebauter Reis der japanischen Standardsorte Koshihikari – den man auch in deutschen Asien-Supermärkten bekommt – koste schon heute mehr als das japanische Original. Kämen Japans Bauern trotzdem nicht auf ihre Kosten, sollten sie direkte Subventionen erhalten. Doch die sinkende Qualität durch den Klimawandel droht diese Rechnung zu durchkreuzen.

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