Führungswechsel in Japan: Neuer Regierungschef gesucht
Der unpopuläre Amtsinhaber Fumio Kishida schmeißt hin. Er begründet seinen Rückzug mit einem Spendenskandal in der Regierungspartei LDP.
Tokio taz | Nach knapp drei Jahren im Amt wirft Japans Premierminister Fumio Kishida hin. Der 67-jährige Politiker aus Hiroshima kündigte nun seinen Verzicht auf eine Wiederwahl als Vorsitzender der Regierungspartei LDP im September an. Damit macht er den Weg für einen Nachfolger an der Regierungsspitze frei. Bei der LDP liegen beide Posten in einer Hand.
Der Führungswechsel ereignet sich in einer historischen Umbruchphase für die Inselnation. Unter Kishida verabschiedete sich Japan endgültig von seiner pazifistischen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Verteidigungsausgaben steigen bis 2027 um 60 Prozent auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Damit antwortet Japan auf Chinas Drohungen gegen Taiwan und Nordkoreas Aufrüstung bei Raketen und Atomwaffen.
Kishida begründete seinen Rückzug mit dem Spendenskandal in der LDP-Fraktion im Parlament. Viele Abgeordnete hatten mit Hilfe eines ausgeklügelten Systems Spendengelder an der Steuer vorbei in schwarze Kassen umgeleitet. „Es ist wichtig, der LDP ein neues Gesicht an der Spitze zu geben“, erklärte Kishida in Tokio. „Die LDP muss beweisen, dass sie sich ändert und der offenkundigste Schritt dafür ist, dass ich zurücktrete.“
Zwar hatte der Premier versucht, sich am eigenen Schopf aus dem Spendensumpf zu ziehen. Er löste die internen Machtgruppen der LDP-Fraktion auf und verschärfte das Spendengesetz. Aber Umfragen zufolge zweifelten die Wähler an seinem Reformwillen, da auch Abgeordnete der von Kishida selbst geführten Gruppe bei dem System mitgemacht hatten.
Hohe Inflation
Jedoch war der Premier schon vor dem Skandal unbeliebt. Viele Japaner meinten, Kishida unternehme zu wenig gegen die hohe Inflation. Nach zwei Jahrzehnten stabiler und teils sinkender Preise schockierte die Rückkehr der Inflation die Konsumenten. Seit zwei Jahren hinken die Löhne der Teuerung hinterher, dadurch sank der Lebensstandard vieler Japanerinnen und Japaner. „Höchstens der Zeitpunkt seines Rücktritts mitten in der Ferienzeit kommt überraschend“, meinte der unabhängige Japan-Analyst Tobias Harris.
Kishida konnte sich nur deswegen so lange im Amt halten, weil die parlamentarische Opposition schwach blieb und es keine nationale Wahl gab. Aber schließlich wendete sich das Blatt gegen ihn: Die Opposition wurde stärker, die LDP verlor in den vergangenen Monaten wichtige Nachwahlen. Viele LDP-Abgeordnete fürchteten eine Niederlage bei der Neuwahl des Unterhauses, die bis Oktober 2025 stattfinden muss. Sein Vorgänger als Regierungschef, Yoshihide Suga, drängte Kishida öffentlich zum Rückzug.
Das Rennen um seine Nachfolge als Parteichef und Premier ist völlig offen. Als erstes LDP-Schwergewicht hat der frühere Generalsekretär Shigeru Ishiba seinen Hut in den Ring geworfen. Schon seit Jahren gehört der Konservative zu Japans populärsten Politikern. Aber auch sein vierter Anlauf, selbst Parteichef zu werden, droht zu scheitern, weil ihm weiterhin eine Hausmacht in der LDP fehlt.