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Festgenommener Telegram-GründerPawel Durow – oder Paul de Rouve?

Der in Frankreich Verhaftete ist französischer Staatsbürger. Wie der gebürtige Russe das schnell und unbürokratisch werden konnte, gibt Rätsel auf.

Pavel Durow auf dem Mobile World Congress Foto: Albert Gea/reuters

Paris taz | Die Gunst am Hofe ist ein Wendehals. Wer gestern in Ehren stand, kann morgen schon in die Wüste geschickt werden. 2021 war Telegram-Gründer Pawel Durow aufgrund einer von der Zeitung Le Monde vermuteten direkten Unterstützung höchster Stellen Bürger der französischen Republik geworden. Nun ist sein Stern offenbar gefallen. Am Wochenende wurde Durow in Frankreich festgenommen.

Staatspräsident Macron, der sich gern als Chef einer „Start-up-Nation“ bezeichnet, ist wohl fasziniert von legendären jungen Unternehmern, die praktisch aus dem Nichts ein weltweites Imperium schaffen und in wenigen Jahren Milliardäre werden.

Anders als mit einer Anweisung von der Staatsspitze lässt sich laut Le Monde nicht erklären, dass Durow damals in einem Eilverfahren und nicht in einer normalen und gewöhnlich langwierigen Prozedur eingebürgert wurde. Wer genau dafür gesorgt hat, lässt sich heute nicht eruieren, weil auf Anfrage der Le-Monde-Redaktion die eventuell Zuständigen entweder nicht antworten oder die amtliche Geheimhaltung in einem privaten Dossier vorschützen. Auch das Gesuch, einen Reisepass mit dem mehr französisch klingenden Namen Paul de Rouve zu bekommen, wurde unbürokratisch schnell bewilligt.

Durow erfüllte in keiner Weise die Kriterien für die Erlangung der Staatsbürgerschaft: Er besitzt keinen Wohnsitz und nicht mal ein Büro in Frankreich, hat keine verwandtschaftlichen Beziehungen. Auch sucht man vergeblich nach besonderen Leistungen im Interesse der Republik – es sei denn, man betrachtet die Tatsache, dass mehrere französische Ministerien und Behörden Telegram wegen der Verschlüsselung der Kommunikationsdaten benutzen, als seinen speziellen Verdienst.

Laut Anwalt will Durow „nicht kooperieren“

Durow hatte wohl keine Sekunde lang damit gerechnet, bei seiner Ankunft aus dem aserbaid­schanischen Baku auf dem Pariser Flughafen Le Bourget von Polizeibeamten begrüßt und in Handschellen abgeführt zu werden.

Gesucht wurde Durow unter an­de­rem wegen Beihilfe zur Ver­breitung illegaler Inhalte

Ein Versehen oder amtlicher Übereifer ohne Zustimmung von oben war die Festnahme wohl nicht: Nach Angaben der Nachrichtenagentur afp verlängerte der zuständige Untersuchungsrichter am Sonntagabend Durows Haft. Damit darf sie bis zu 96 Stunden dauern. Nach Angaben seines Anwalts wolle Durow „nicht kooperieren“.

Bestimmt wusste Durow grundsätzlich, dass gegen ihn ein Haftbefehl vorlag. Die französische Polizeibehörde Ofmin, die mit der Bekämpfung von Pädokriminalität und allen Formen der Gewalt gegen Minderjährige betraut ist, wollte ihn seit Längerem wegen einer mutmaßlichen Beihilfe bei Verbrechen gegen Minderjährige oder Verbreitung illegaler Inhalte zur Rechenschaft ziehen.

Vorgeworfen wird ihm insbesondere seine absolute Weigerung, die Kommunikation auf seinem Netzwerk in irgendeiner Weise zu kontrollieren und so die Nutzung von Telegram durch Kriminelle oder Terroristen oder auch die massive Verbreitung von Fake News nicht zumindest einzuschränken.

Durow war Gast in der Côte-d’Azur-Villa Abramowitschs

Doch wie andere Internetunternehmer wähnte er sich wohl zu mächtig und irgendwie über den nationalen Gesetzen erhaben. Nach Informationen französischer Medien hatte sich Durow zuvor mehrfach in Frankreich aufgehalten, in Luxushotels – oder auch laut Le Monde in Antibes an der Côte d’Azur, als Gast in der Villa des russischen Oli­garchen Roman Abramowitsch. Dieses Mal aber griff die Polizei zu, und Durow ging in ihre Falle.

Die Festnahme kann man durchaus auch als Signal an die Internetgiganten verstehen. Denn die tun sich mit der Kooperation zur Verhinderung eines kriminellen Missbrauchs ihrer Netzwerke bekanntlich schwer – wohl im Namen der Freiheit, Toleranz und Neutralität.

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4 Kommentare

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  • Bei Durow hat sich Macron getraut - als ex Russe eher unbeliebt. Und ebenso wie die Einbürgerung braucht eine Verhaftung wohl eine Entscheidung von "ganz oben".



    Ob er sich auch bei Zuckerberg trauen würde???



    Denn das Problem ist mit WhatsApp ist ja wohl ziemlich gleich, solange US-Geheimdienste nicht helfen.

  • Das Problem von Telegram ist, dass es nicht nur ein Chatprogramm ist. Whatsapp, Signal oder iMessage verschlüsseln ja auch Ende-zu-Ende sind nicht abhörbar, aber das ist gar nicht das Problem.

    Das Problem ist, dass Telegram auch Gruppen mit bis zu 200.000 Benutzern und völlig unlimitierte Channels anbietet. Die sind nicht verschlüsselt (bzw. nur auf dem Weg zu den Telegram-Servern wie bei HTTPS, was ja praktisch jede Webseite benutzt), aber sie sind öffentlich und unterliegen damit ganz anderen Regelungen als private Chats. Telegram ignoriert und unterläuft diese aber konsequent und systematisch und ist für die Justiz praktisch nicht greifbar. Telegram ist fast ein völlig unreguliertes Internet im Internet. Das ist seit langem ein Riesenproblem. Telegram ist in der EU rechtlich verpflichtet, sich an Auskunftsersuchen der Behörden oder Sperrverfügungen zu halten, tut das aber einfach nicht.

    Pawel Durow weiß das auch sehr genau und hat es deshalb bisher strikt vermieden, sich in EU-Ländern oder den USA aufzuhalten, er zieht Südamerika, die UAE oder Länder wie Aserbaid­schan vor. Warum er jetzt ausgerechnet in Frankreich gelandet ist, ist eine interessante Frage.

  • "Vorgeworfen wird ihm insbesondere seine absolute Weigerung, die Kommunikation auf seinem Netzwerk in irgendeiner Weise zu kontrollieren und so die Nutzung von Telegram durch Kriminelle oder Terroristen oder auch die massive Verbreitung von Fake News nicht zumindest einzuschränken."

    Wenn er das jedenfalls durchziehen würde. Wie man im Fall Nawalny gesehen hat, spurt er doch, wenn der FSB hinreichend Druck macht. Da poppte dann ganz plötzlich eine flächendeckende und wunderbar funktionierende Totalzensur aller Telegram-Kanäle auf, für auch nur die kleinste oder verklausulierte Nennung dieses Namens - das war so gut gemacht, dass es völlig ausgeschlossen ist, das diese Möglichkeit nicht schon lange vorher implementiert war und nur auf den Einsatzfall für eine Sache wartete, die Russland wirklich wichtig war.

    • @TheBox:

      Man könnte meinen, dass Russland die destabilisierende Wirkung im Westen wichtiger ist/war als die potentiell destabilisierende Wirkung in Russland, vor allem wenn man Telegram ja doch zum Eingreifen zwingen kann, wenn wirklich mal nötig.

      Alle Anforderungen der EU jedenfalls ignoriert Telegram bisher einfach völlig, der FSB macht da offenbar qualitativ anderen Druck als die hiesigen Behörden.

      Man könnte jetzt spekulieren, dass Durow mitbekommen hat, dass er in Russland irgendwie endgültig in Ungnade gefallen ist, und Haft in Frankreich einem Sturz aus einem Fenster in einem "sicheren" Land vorzieht.

      Oder das war ein absolut grandioses Versehen oder purer Leichtsinn bei einer Zwischenlandung zum Tanken oder unvermeidbar aufgrund technischer Probleme. Da er aber ausgerechnet einen französischen Pass hat, vermute ich eher, das war Absicht.