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Racial Profiling im Görlitzer ParkIm Görli gilt Generalverdacht

Abdulaye Sow wurde im Görlitzer Park fälschlicherweise des Drogenhandels beschuldigt. Sows Anwalt bezeichnet dies als eindeutiges Racial Profiling.

Für den 47-jährigen Abdulaye Sow gehören Polizeikontrollen zum Alltag Foto: Toni Petraschk

Berlin taz | Als Schwarzer ist Abdulaye Sow häufige Polizeikontrollen gewohnt, zumal er viel in der Gegend um den Görlitzer Park in Kreuzberg unterwegs ist. Aber was dem Senegalesen am Montag passierte, toppt alles, was er bisher erlebt hat. Am frühen Nachmittag hob er 400 Euro bei einem Geldautomaten in der Treptower Karl-Kunger-Straße ab, der taz liegt der Bankauszug vor. „Ich habe mir am Kiosk nebenan Tabak und einen Kakao-Drink besorgt, dann bin ich zur Lohmühlen-Görlitzer-Park-Brücke gegangen“, berichtet er. Dort habe er sich bei der mobilen Küche der „afrikanischen Mama“ etwas zu essen gekauft und auf die Brücke gesetzt. Unversehens sei er in eine Polizeikontrolle geraten, in deren Verlauf ihm die Beamten das Geld abnahmen und ihn beschuldigten, ein Dealer zu sein.

„Die Geschichte ist ein so offenkundiger Fall von Racial Profiling, wie ich es noch nie gehört habe“, sagt Sows Anwalt Moritz Heusinger. Er sei „erschüttert“, dass die Polizei einem Mann, nur weil er in der Nähe eines Drogen-Hotspots sitzt und Geld dabeihat, vorwirft, Dealer zu sein, obwohl es dafür keinerlei Indizien gab. „Einem Weißen würde so etwas nie passieren“, ist Heusinger sicher. Er kündigte eine Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde an.

Was genau passierte, schildert Sow so: Er wollte gerade zu essen anfangen, als ein paar Schwarze aus Richtung Park auf die Brücke und an ihm vorbeiliefen, verfolgt von Polizeibeamten. Als Letztere ihn und drei weitere Schwarze dort sitzen sahen, brachen sie die Verfolgung ab und wandten sich stattdessen ihnen zu. „Sie wollten meine Dokumente sehen, ich habe sie gezeigt. Sie wollten mich durchsuchen, ich habe sie machen lassen.“

Bei dem ruhigen Ton, in dem er dies erzählt, kann man sich gut vorstellen, dass er auch bei der Kontrolle ruhig geblieben ist, obwohl er geschäumt haben muss. „Ich hatte nichts zu verbergen und habe mir ja nichts zuschulden kommen lassen.“ Als die Beamten seine Bauchtasche kontrollieren wollten, habe er aber gleich gesagt: „Achtung, darin habe ich viel Geld vom Bankautomaten.“ Dies habe er gesagt, weil er schon oft gesehen habe, das die Polizei bei solchen Kontrollen das Geld nehmen, „und dann ist es später weg“.

Die Polizisten filmten und spotteten

Die Polizisten hätten ihn jedoch nicht beachtet, das Geld gefunden und gesagt: „Das ist aber viel Geld. Du bist ein Dealer!“ Seine Erklärung, dass das Geld vom Jobcenter stamme und er es gerade abgehoben habe, hätten sie nicht geglaubt. Die Beamten hätten Geld, Handy, Schlüssel, eine Dose mit Tabak und einen kleinen Joint in eine Tüte gepackt.

Sow und einem anderen Mann, bei dem Gras gefunden wurde, wurden die Hände auf den Rücken gefesselt, während die beiden anderen Männer gehen durften. Sie mussten eineinhalb Stunden sitzen, die Beamten verspotteten sie, filmten und fotografierten die Männer. Die Funküberprüfung seines Namens brachte keine Ergebnisse, was die Beamten offenbar verwunderte. „Ich habe gesagt, ich bin nicht in eurer Datenbank. Ich habe nie etwas getan. Ich lebe seit vier Jahren in Berlin, war in der Schule und habe eine Ausbildung“, erklärt Sow. Seit Juni arbeitet er als Parkläufer im Görlitzer Park. Wegen der Arbeit hat er kürzlich ein erweitertes Führungszeugnis besorgt, es enthält keinen Eintrag. Auch dies liegt der taz vor.

Doch offenkundig hätten die Beamten nicht gewusst, was ein Parkläufer macht, erzählt Sow weiter. Ein Beamter habe ihn sogar gefragt, „ob wir mit den Dealern zusammenarbeiten“. Die Parkläufer im Görlitzer Park gibt es seit 2017, die Polizei sollte sie eigentlich kennen, schließlich sind sie Teil des behördlichen Konzepts zur Befriedung der Lage in dem übernutzten Grün. Die Parkläufer sollen potenzielle Konflikte zwischen verschiedenen Parkbesuchern entschärfen und helfen. Sow erklärt seine Arbeit so: „Wir kontrollieren, dass auf den Spielplätzen nicht geraucht wird, sprechen mit den Dealern, dass sie nicht in den Eingängen zum Park „rumlungern“, wir beseitigen die Spritzen in den Toiletten.“ Dass die Polizei die Parkläufer verdächtigt, mit Dealern zusammenzuarbeiten, hat ihn zusätzlich erschüttert.

Die Beamten wussten nicht was ein Parkläufer macht

Schließlich fuhren die Beamten mit dem 47-Jährigen zu ihm nach Hause. Sow wohnt in einem Hausprojekt in der Brunnenstraße. Dort hätten sie sein Zimmer durchsucht, allerdings nur nachlässig, erzählt er, eine Mitbewohnerin bestätigt dies. Die Beamten hätten sich zuvor telefonisch eine richterliche Durchsuchungserlaubnis geholt. Anschließend habe er noch nach Moabit zur ID-Behandlung fahren müssen, die weitere zwei Stunden gedauert habe. „Am Ende bekam ich meine große Tasche mit den Papieren und meine Brusttasche mit Portemonnaie zurück.“ Geld und Handy seien ihm jedoch nicht wiedergegeben worden, sagt Sow.

Die Polizei erklärt auf Anfrage, dass Sow beim Handeln von Cannabis beobachtet wurde. Zudem sei es unklar, ob er tatsächlich als Parkläufer arbeite, und für diesen Fall sei dies ohnehin unerheblich. Weitere Details werden aufgrund laufender Ermittlungen nicht bekannt gegeben.

Rechtsanwalt Heusinger sagt, er werde umgehend verlangen, dass sein Mandant Geld und Handy zurückbekommt. „Aber wahrscheinlich werden sie sagen, sie müssen erst die Handydaten auswerten. Das kann dauern.“ Er sei auch skeptisch, ob Sow sein ganzes Geld zurückbekommen werde. Er habe schon von vielen Mandanten gehört, dass die Polizei ihnen Geld abgenommen und später weniger zurückgegeben habe.

Sow kann allerdings belegen, wie viel Geld er kurz vor der Razzia abgehoben hat. Auch hat er einige Zeugen für seine Geschichte: die Frau, die das Essen verkaufte, der Mann, der neben ihm saß – und ein Mitbewohner, der zufällig auf der Brücke vorbeikam. Ob ihm das hilft, sein Recht zu bekommen, wird sich zeigen.

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20 Kommentare

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  • Es ist doach alles sehr einseitig dargestellt.

    Laut Polizei bestand der Verdacht, dass er mit Drogen gehandelt habe. Das soll im Görlitzer Park ab und an vorkommen und ist - noch immer verboten.

    Und Parkläufer sind Mitarbeiter des bezirklichen Grünflächenamtes. Ob man das jetzt kennt oder nicht ist doch vollkommen unerheblich.

    Warten wir ab, was die Ermittlungen und Beschwerden ergeben.

    Was mich irritiert, wieso erhält er Geld vom Jobcenter, wenn er seit Juni als Parkläufer arbeitet?

    • Susanne Memarnia , Autorin des Artikels, Redakteurin taz.Berlin
      @DiMa:

      Hallo, Abdulaye bekommt noch Geld vom Jobcenter, weil er neu ist im Job. Es ist ein Übergangsgeld für die Miete vorallem. Im Juni hatte er nur acht Tage gearbeitet, im Juli auch noch nicht Vollzeit, so dass sein verdientes Geld nicht ausreichte für den ganzen Lebensunterhalt.

      • @Susanne Memarnia:

        Danke Frau Memarinia für die Klarstellung.

    • @DiMa:

      Wenn das einseitig ist, dann ist es Ihr Kommentar erst recht...

      • @pitpit pat:

        Meinen Sie damit "Warten wir ab, was die Ermittlungen und Beschwerden ergeben." (ist immer ein guter Rat) oder "Laut Polizei bestand der Verdacht, dass er mit Drogen gehandelt habe." (Stand schon im Artikel, geht jedcoh unter).

        Der einzige echte Punkt ist doch "Was mich irritiert, wieso erhält er Geld vom Jobcenter, wenn er seit Juni als Parkläufer arbeitet?" und darauf hätte ich schon gerne eine Antwort.

        • @DiMa:

          worum geht es Ihnen denn?

          was ist daran irritierend, dass ein mensch, der erst seit zwei monaten als parkläufer beschäftigt ist, geld von seinem konto abhebt, dass ihm vom jobcenter überwiesen wurde?

          und warum ist es unerheblich, wenn die polizei, für deren arbeit gute kenntnisse über einsatzort und die dortigen strukturen voraussetzung sind, nicht weiß, was parkläufer sind (die es übrigens in ganz berlin gibt)?

          • @Pflasterstrand:

            Weil die sogenannten Parkläufer auch nur eine private Sicherheitsfirma sind und vollkommen fraglich ist, ob diese einen positiven Nutzen haben. Diese privaten Sherrifs haben keinen höheren Vertrauensvorschuss als jeder andere auch. Daher ist die angebliche Tätigkeit ohne jede Relevanz.

            Im Übrigen ist höchst fragwürdig, dass die Vermutung "Doch offenkundig hätten die Beamten nicht gewusst, was ein Parkläufer macht, erzählt Sow weiter. " in der Zwischenüberschrift als Fakt dargestellt wird "Die Beamten wussten nicht was ein Parkläufer macht".

            Auch die Überschrift des Artikels stellt das vermutete Racial Profiling als Fakt dar.

            Wie gesagt, alles sehr einseitig.

        • @DiMa:

          U.a.: Den begründeten Verdacht von rassistischem Verhalten der Polizei kleinzureden und dafür unter so einer Meldung was vom "einzig echtem Punkt" zu schwadronieren (und damit zu unterstellen, der Rest sei keiner Meldung wert) und möglichen Sozialbetrug in den Raum zustellen.



          Sowas zum Beispiel.

          • @pitpit pat:

            Ich unterstelle keinen Sozialbetrug sondern frage mich eher, wie die Sicherheitsfirma abrechnet bzw. finanziert wird. Diese war mal als Projekt gestartet nur ist die Projektphase wohl schon lange vorbei. Wer zahlt da also was? Wie schauts mit dem Mindestlohn aus?

            • @DiMa:

              Sie schrieben: "Was mich irritiert, wieso erhält er Geld vom Jobcenter, wenn er seit Juni als Parkläufer arbeitet?"



              In dieser Frage geht es kein bisschen um das Parkläufer-Projekt und möglichen Mindestlohn, da geht es um einen Zusammenhang zwischen Sozialhilfe und Arbeiten - worauf Sie dann auch im 2. Kommentar nochmal hinweisen. Übrigens gibt es viele Menschen, die trotz Arbeit Bürgergeld beziehen - falls diese Frage Sie ernsthaft interessiert, können Sie das googlen...

              Ich bin jetzt raus.

              • @pitpit pat:

                Wenn er Geld vom Jobcenter erhält, dann kann die Parkläufertätigkeit ja allenfalls eine Art Nebenjob sein. Wieso wird das dann so hervorgehoben?

  • Ich wohne sehr weit weg von Berlin und weiß was Parkläufer sind. Warum fehlt bei Polizisten in Berlin dieses Wissen?

  • Die Parkläufer sprechen mit den Dealern, unternehmen aber ansonsten nichts gegen diese Kriminellen?

    • @JEDERHATSEINEMEINUNG:

      für menschen, die ihre meinung bereits haben aber dringend informationen benötigen: www.berlin.de/sen/...ekt-parkbetreuung/

      ausserdem heißt es in oben stehendem artikel: „Wir kontrollieren, dass auf den Spielplätzen nicht geraucht wird, sprechen mit den Dealern, dass sie nicht in den Eingängen zum Park „rumlungern“, wir beseitigen die Spritzen in den Toiletten.“

      • @Pflasterstrand:

        Natürlich habe ich meine Meinung...wie Sie ja auch. Ihre so liebenswürdig bereitgestellten Informationen sind zudem auch nicht weiterführend, denn anscheinend unternehmen die Parkläufer nichts gegen kriminelle Dealer, unterhalten sich nett mit ihnen und lassen sie dann "weiterarbeiten" und ihr Geld verdienen.

    • @JEDERHATSEINEMEINUNG:

      dss wäre ja eigentlich der Job der Polizei, anstatt anständige Leute zu schikanieren und denen das Geld zu klauen.



      Allein die Vorstellung, solche Polizisten hätten Zugriff auf mein Handy mit Passwortmanager, Online Banking, Social Media Accounts und Secure-Token, ist Angst einflößend.

      • @MelU:

        Also ich habe mehr Angst vor Drogendealern als vor Polizisten. Aber so hat jeder seine Erfahrungen...Sie haben gute Kontakte zu Drogendealern und ich hatte noch nie Probleme mit der Polizei.

        • @JEDERHATSEINEMEINUNG:

          auf jeden fall sind sie ein Weißer mensch. dass Sie ein weiser mensch sind, darf allerdings bezweifelt werden

  • Es ist beschämend, wie Teile der Polizei sich (wahrscheinlich) ohne große dienstrechtliche Folgen rassistisch verhalten kann. Solche Leute müssen ihren Beamtenstatus verlieren und entlassen werden. Es wird Zeit, dass eine von der Polizei und dem Innenministerien unabhängige Beschwerdestelle eingerichtet wird, die unabhängig von der oft der Polizei zugeneigten Staatsanwaltschaft ermitteln kann.