piwik no script img

Rückzug der DFB-Torhüterin Merle FrohmsDie zweite Nummer 1

Torhüterin Merle Frohms zieht sich aus der Nationalelf zurück, um sich auf ihre Vereinskarriere zu konzentrieren. Aber ist das der einzige Grund?

Will sich nun ganz auf den VFB Wolfsburg konzentrieren: Torhüterin Merle Frohms Foto: Julio Cortez/ap

BERLIN taz | Wie unvorbereitet der Rücktritt von Merle Frohms selbst die Verantwortlichen beim Deutschen Fußball-Bund traf, konnten diese kaum verbergen. „Natürlich respektieren wir ihren Entschluss, auch wenn das nicht einfach ist“, sagte Sportdirektorin Nia Künzer. Es ist noch nicht lange her, da galt die 29-jährige Torhüterin als unumstrittene Größe im Tor des deutschen Nationalteams. Bei der Europameisterschaft 2022 erwies sie sich als starker Rückhalt und hatte einen großen Anteil daran, dass das Team bis ins Finale vorstieß.

Vor dem Olympiaturnier in diesem Sommer überraschte es deshalb nicht wenige, als Interimstrainer Horst Hrubesch sie auf die Bank versetzte und der vier Jahre älteren Ann-Kathrin Berger den Vorzug gab. Dass die DFB-Elf Bronze gewann, hatte sie nicht zuletzt Berger zu verdanken, die im Turnier diverse Elfmeter parierte.

Nichtsdestotrotz kündigte der neue Bundestrainer Christian Wück nach diesem Erfolg an, sich nicht auf eine Torhüterin festlegen zu wollen: „Für mich gibt es zweimal die Nummer 1.“ Er werde mit beiden Torhüterinnen über die Zukunft sprechen.

Möglicherweise wollte sich Frohms, die seit 2022 das Tor vom VfL Wolfsburg hütet, auf diese ungewohnte Ungewissheit nicht mehr einlassen. Ihren wohl schlechtesten Auftritt fürs Nationalteam hatte sie just in der Vorbereitung auf Olympia, als Hrubesch öffentlich einen Zweikampf auf ihrer Position ausgerufen hatte, bei der Niederlage gegen Island (0:3).

Mit der wachsenden Popularität des Nationalteams in den vergangenen Jahren wurde Frohms einer der ersten Spielerinnen, die auch in der TV-Werbung zu einer prominenteren Figur wurde. Mit Sicherheitsdenken konnte sie leicht assoziiert werden, weshalb sie dann auch für eine Versicherung warb. Frohms sprach davon, „Sicherheit selbst in der Hand zu haben“.

Keine Lautsprecherin

Lange Zeit hatte die 52-fache Nationalspielerin diese auch auf einen Stammplatz im Tor. Sie erfüllte die Anforderungen an das moderne Torhüterinnenspiel wie weltweit nur wenige andere. Auf der Linie hat sie starke Reflexe und ihre Mitspielerinnen weiß sie mit präzisen Zuspielen auf den Weg nach vorne zu schicken. Lediglich in der Strafraumbeherrschung zeigt sie hin und wieder kleine Unsicherheiten.

Neben dem Platz fiel Frohms eher selten auf. Sie zählte nie zu den Lautsprecherinnen, wenn es darum ging, strukturelle Benachteiligungen des Frauenfußballs zu thematisieren. Und ihren Anspruch auf einen Stammplatz im Nationalteam tat sie nie über Interviews kund.

Auf ihre zurückhaltende Art einmal angesprochen, erklärte sie: „Ich will mit dem Klischee aufräumen, dass man als Torhüterin oder Torhüter extrovertiert sein und zu allem eine polarisierende Meinung haben muss. Ich war nie die Lauteste.“ Ihre Vorgängerinnen Nadine Angerer und Almuth Schult dagegen fielen stets durch ihre Meinungsstärke auf. An der überragenden Schult kam sie im Nationalteam lange Zeit nicht vorbei.

Der plötzliche Abgang nun legt die Vermutung nahe, dass Frohms sich mit dem Zustand, plötzlich wieder in Frage gestellt zu werden, nicht arrangieren wollte. Künftig, erklärte sie, wolle sie sich komplett auf den VfL Wolfsburg konzentrieren. Sie freue sich darauf, „nach intensiven Jahren mit sportlicher Doppelbelastung wieder mehr Zeit für Familie und Freunde zu haben“.

Berger dürfte nun im Spätherbst ihrer Karriere erst einmal von dem Rücktritt von Frohms profitieren. Die Zukunft dürfte wiederum Torhüterinnen wie Stina Johannes (24) von Eintracht Frankfurt und Maria Luisa Grohs (23) gehören.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen