Abschiebung, Asylpaket, AfD: Alles ziemlich schlimm
Die Ampel beschließt ein neues Asylpaket, der erste Abschiebeflieger nach Afghanistan seit der Talibanübernahme ist abgehoben und die AfD sammelt Stimmen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Der Rechtspopulismus hat die Wahl gewonnen, bevor sie stattfand.
taz: Und was wird in dieser besser?
Küppersbusch: Der Kater.
taz: Sachsen und Thüringen haben gewählt. Werden Sie die Wahlkampfzeit vermissen?
Küppersbusch: Ja und nein. Das Ja: Es hatte schon etwas von ablaufender Uhr, heranrasendem Zug, dräuendem Bruch. Ein Tag, zu dem man uns später fragen wird, wie es zu ihm kam. – Das Nein: Viele Medien, etwa der MDR, die Regionalzeitungen suchen einen neuen Ton, neue Offenheit, um ihrer Kernaufgabe nachzukommen: Die Gesellschaft miteinander im Gespräch zu halten. Darauf werden wir künftig angewiesen sein.
taz: Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen einigt sich die Ampel auf ein Migrations- und Asylpaket. Die richtige Konsequenz?
Küppersbusch: Die Maßnahmen eint, dass sie allesamt nichts mit dem Solinger Anschlag zu tun haben. Der nächste Psychohonk holt sich statt Messer irgendwas Gruseliges aus dem Baumarkt; das tut er auch, wenn Kinder ausgewiesen werden oder Dublin-Flüchtlingen das Bürgergeld gestrichen wird. Vor Solingen lag Behördenversagen, der Mann hätte abgeschoben gehört. Das kommt im Maßnahmenpaket nicht vor. In Siegen stach eine 36-jährige Deutsche am Samstag mit einem Messer im Bus zum Stadtfest auf sechs Menschen ein; freuen wir uns auf das nächste Maßnahmenpaket.
taz: Am Freitag startete der erste Abschiebeflug nach Afghanistan seit der Taliban-Machtübernahme. Kooperiert hier die Bundesregierung mit der islamistischen Taliban?
Küppersbusch: „Caesar, im Volk dräut Unmut!“ – „Nun, dann schickt ein paar Christen in die Arena zu den Löwen.“ Gelebte Ökumene: Das geht jetzt auch mit Moslems. Die Bilder Verzweifelter, die sich beim Abzug aus Kabul an startende Flugzeuge klammerten und diesen Tod jedem Verbleib in Afghanistan vorzogen, brannten sich ein. Aktuell warnt das deutsche Außenministerium vor Reisen nach Afghanistan und empfiehlt beim Zuwiderhandeln, vorher ein Testament zu machen und Sorgerechtsfragen für Kinder zu klären. Die Ministerin beschwor noch vor zwei Wochen einen „Konsens der Staatengemeinschaft – keine Rückkehr“ des Landes „in die internationale Gemeinschaft.“ Von geplant 33 Abzuschiebenden wurden tatsächlich 28 ausgeflogen; in einzelnen Fällen soll sich die jeweilige Staatsanwaltschaft quergestellt haben: Rechtsstaat statt Circus Maximus.
taz: Hamas und Israel haben Feuerpausen zugestimmt, um 640.000 Kinder im Gazastreifen gegen Polio zu impfen. Grund zu Hoffnung?
Küppersbusch: Dass der Hamas das Leben der Kinder wichtig wäre, ist nicht mal ein Witz. Dass Israel sich um sie sorgt, kann man an seiner Kriegführung in Gaza nicht ablesen. Wenn sich beide nun auf eine Geste einigen lassen, ist das gut und zeigt, dass zum Verhandeln Mut gehört.
taz: Der Suchtbeauftragte Blienert ist dafür, Alkohol erst ab 18 zu erlauben. Eine gute Idee?
Küppersbusch: Für Cannabis wurde Jahrzehnte argumentiert, es sei nicht schlimmer als Alkohol. Und fordere jedenfalls keine 62.000 Toten per anno, wie eben der Suff. Nachdem nun Cannabis Volljährigen zugänglich wird, ist es nur logisch, U18 vor beidem ähnlich zu schützen. Daraus werden Populisten im Hirnumdrehen machen „Kinder sollen mehr kiffen als saufen“, und deshalb trinke ich erst mal einen Schnaps, bevor ich das schreibe.
taz: Kamala Harris hat ihr erstes TV-Interview seit ihrer Nominierung gegeben. Wie hat sie sich geschlagen?
Küppersbusch: Als CNN-Moderatorin Dana Bush, Luftlinie zwei Meter gegenüber Harris, sie fragte, welche Hautfarbe sie habe, lachte Harris das Ansinnen einfach weg. Erster Beisitzer Tim Walz zeigte, dass er 29 Minuten am Stück grimmig entschlossen gucken kann. Dann bekam er eine Frage zu der künstlichen Befruchtung bei der Zeugung seiner Kinder. Man kann CNN nicht vorwerfen, Trump-Fans vergrault zu haben. Harris sprach detailliert, wenig plakativ, scholzte ein bisschen Richtung sozialere Politik und deutete so an: Der große Gegenentwurf zu Trump könnte sein: vor allem kein großer Gegenentwurf; kein Populismus.
taz: Laut Statistischem Bundesamt muss die Hälfte der Studierenden mit eigener Haushaltsführung mit weniger als 867 Euro pro Monat auskommen. Reicht das?
Küppersbusch: Klar, jedenfalls um auch weiterhin bildungsferne Milieus von Bildung fernzuhalten. Wichtigste Einkommensquelle der Studierenden seien Zuschüsse der Eltern, sagt die Studie. Die sollte man sich gut aussuchen.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Kauft einen Schalker Flügelspieler. Er kann ja nichts dafür.
Fragen: Mengna Tan
Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und hat das Studium abgebrochen.
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