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Fehlalarm in Berlin-SpandauDoch kein RAF-Terrorist

Im Zusammenhang mit der Fahndung nach mutmaßlichen RAF-Terroristen wurde eine Person festgenommen. Doch es war, mal wieder, eine Verwechslung.

Die lange untergetauchten Ex-RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg auf einem Fahndungsplakat des LKA Niedersachsen Foto: dpa

Berlin dpa/taz | Seit Jahrzehnten wurde das frühere RAF-Trio Daniela Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub gesucht. Im Februar gelang dann die Festnahme von Klette in Berlin-Kreuzberg – die Männer blieben flüchtig. Am Dienstagabend nun gab es einen weiteren Festnahmeversuch am Bahnhof Berlin-Spandau. Doch es war, mal wieder, eine Verwechslung: Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden bestätigte der taz, dass es sich weder um Garweg noch um Staub handelte.

Der Einsatz am Dienstag erfolgte nach einem Bevölkerungshinweis gemeinsam mit der Bundespolizei, sagte zunächst eine Sprecherin des Landeskriminalamtes (LKA) Niedersachsen. Die Identifizierung der Person laufe. Später sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden, dass diese ergeben habe, dass der Festgenommene keiner der gesuchten Ex-RAF-Terroristen ist.

Nach einem Bericht von Bild will der Hinweisgeber den Mann, der in einem ICE gesessen habe, als Ernst-Volker Staub erkannt haben – es soll sich laut der Zeitung aber um Garweg handeln. Er soll in Begleitung einer Frau und eines Hundes gewesen sein. Der Festgenommene und die Frau hätten behauptet, es handele sich um eine Verwechslung. Die LKA-Sprecherin sagte lediglich, dass die Festnahme im Zusammenhang mit den gesuchten Burkhard Garweg (55) und Ernst-Volker Staub (69) stehe.

Von der Bundespolizeidirektion Berlin hieß es, bei einer Personenkontrolle am Dienstag gegen 21 Uhr sei ein Mann vorläufig festgenommen. Er befindet sich in Berlin im Gewahrsam, wie eine Sprecherin sagte.

Seit 2015 ermittelt die Staatsanwaltschaft Verden gegen die ehemaligen RAF-Terroristen Staub, Daniela Klette und Garweg wegen versuchten Mordes sowie versuchten und vollendeten schweren Raubs in mehreren Fällen. Erst im Februar war Klette in Kreuzberg in einer Wohnung festgenommen worden, in der sie schon seit mehreren Jahren gelebt haben soll. Die Polizei – federführend das LKA Niedersachsen – hatte jahrzehntelang nach ihr gesucht.

Nach Staub und Garweg wird weiter gefahndet. Schon zuletzt gab es die Meldung, dass Personen Staub auf einem Berliner Fahrgastschiff gesehen haben wollten – auch das war schon eine Verwechslung. Bereits im Februar wollte ein Augenzeuge Staub in einer Regionalbahn bei Wuppertal gesehen haben. Auch das aber stimmte nicht.

Garweg wiederum soll zuletzt auf einem Berliner Bauwagenplatz gelebt haben. Nach der Festnahme von Klette war er dort aber nicht mehr anzutreffen, die Polizei beschlagnahmt nur noch seinen Bauwagen.

Garweg, Klette und Staub gehörten der sogenannten dritten Generation der linksextremistischen Roten Armee Fraktion (RAF) an. 1998 erklärte sich die RAF, die mehr als 30 Menschen getötet hatte, für aufgelöst. Drei Anschläge, welche die Bundesanwaltschaft dem Trio vorwirft sind noch nicht verjährt: Einen Bombenanschlag auf die Deutschen Bank in Eschborn 1990, Schüsse auf die US-Botschaft in Bad Godesberg 1991 und die Sprengung der im Bau befindlichen JVA Weiterstadt 1993.

Bei den Raubüberfällen, die Klette, Garweg und Staub von 1999 bis 2016 begangen haben sollen, gehen die Ermittler nicht mehr davon aus, dass diese Terrortaten waren. Damit soll sich Trio nur noch das Leben im Untergrund finanziert haben. Deshalb ermittelt hierzu das LKA Niedersachsen.

Im Fall Klette sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden, dass „mit Hochdruck“ an der Anklage gearbeitet werde. Derzeit aber seien die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

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9 Kommentare

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  • Der Festgenommene hat wohl einen großen Schreck bekommen. Obwohl er frühzeitig darauf hinwies, dass das alles nicht richtig ist und er nicht die gesuchte Person ist, musste er trotzdem bei der Polizei übernachten. Da würde ich mir schleunigst einen Anwalt holen und für den Schrecken mich entschädigen lassen.

  • Ganz offensichtlich reicht für (m)eine Festnahme, wenn ein mir wildfremder Mensch behauptet ich sei RAF-Terrorist.

    • @Manfred Peter:

      Wenn Sie aber aussehen wie Robert DeNiro oder Joe Biden vermutlich nicht.

  • ...Verwechslung - und was sagte Hund dazu?



    [Ironie off]

  • Es ist auch eine enorme Belastung für die Festgenommenen. Ein bisschen mehr Augenweide und sorgfältigere Vorgehensweise wäre doch wünschenswert. Wenn ein Staub 69 Jahre ist, wird man keinen 20-jährigen festnehmen. Es soll ja durchaus vorkommen, dass Menschen nahezu 70 Jahren, dies weniger locker wegstecken.

  • Eine schöne Obsession hat die Bundespolizei da, wahllos Passanten festzunehmen in der Hoffnung, ein ex RAFler befindet sich darunter.



    Eventuell sollte man Menschen nur anhand von mindestens Indizien und nicht wild gestreutem Hörensagen verhaften.

    • @TeeTS:

      Naja, so ganz "wahllos" war das ja nun auch wieder nicht, sondern auf Hinweise von Zeugen, die einen der Gesuchten erkannt haben wollten... sich freilich aber geirrt hatten.

      Und im Falle von Burkhard "Martin" Garweg aus dem Bauwagen in Friedrichshain war es ja auch nicht nur "wild gestreutes Hörensagen".

      • @Metallkopf:

        Wenn man jeden Zeugen blindlings folgt, kommt meist so eine Pleite raus. Zumindest sollte man sich vorher die Person etwas genauer anschauen. Das scheint hier nicht gemacht worden zu sein.

  • Tja, Karma strikes back!😎