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Koalitionsvertrag unter der LupeLangsame Verkehrswende

Die Regierung bleibt hinter ihren Versprechen zur Mobilität zurück, kritisieren Verbände. Wichtige Maßnahmen würden noch immer fehlen.

Der Bau von Radwegen wurde durch das geänderte Straßenverkehrsgesetz erleichtert Foto: Karl-Heinz Spremberg/imageBROKER/imago

Berlin taz | Die Bundesregierung kommt bei ihren Plänen zum klimafreundlichen Verkehrswesen kaum voran, kritisieren die Verbände Allianz pro Schiene, Allgemeiner Deutsche Fahrradclub (ADFC) und ACE Auto Club Europa. Zahlreiche Vorhaben, die der Koalitionsvertrag in den Bereichen Schiene, Radverkehr und Elektromobilität vorsieht, seien noch nicht umgesetzt worden.

Zum Beispiel habe die Bundesregierung klimaschädliche Subventionen noch nicht abgebaut. Außerdem warte man noch immer auf das Moderne-Schiene-Gesetz. Dieses soll dafür sorgen, das Eisenbahnnetz zu digitalisieren und größtenteils zu elektrifizieren.

Um bei der Bahn zu bleiben: Positiv hervorzuheben seien das Deutschlandticket sowie die Novellierung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes. Dadurch kann der Bund nun auch Geld in die Sanierung des Schienennetzes und von Bahnhofsgebäuden stecken. Aber: „Bislang wurde nur ein kleiner Teil des Gesamtpakets umgesetzt“, krisierte Dirk Flege, Chef der Allianz pro Schiene mit Blick auf den Bahnverkehr. Zudem bestehe bei der Bahn ein Investitionsstau von 92 Milliarden Euro.

Um diesem entgegenzuwirken, will der Bund im kommenden Jahr 18,1 Milliarden Euro in Bundesschienenwege investieren – etwa doppelt so viel wie die 9,1 Milliarden Euro für Bundesfernstraßen. Das zeigen Investitionspläne des Finanzministeriums, die der taz vorliegen. Die Investitionen in die Schienenwege sind ein neuer Rekord, sie übertreffen die 16,3 Milliarden Euro für 2024 und die 9,2 Milliarden Euro für 2023 deutlich.

Zahl der getöteten Rad­fah­re­r:in­nen steigt

Die Allianz pro Schiene begrüßt diesen Schritt, weist jedoch darauf hin, „dass ein Teil des Geldes über die Erhöhung des Eigenkapitals der DB bereitgestellt werden soll“. Aus Sicht des Verbandes wären Baukostenzuschüsse oder Trassenpreisförderungen eine bessere Alternative.

Für Fahr­rad­fah­re­r:in­nen verorten die Verbände leichte Verbesserungen, da das geänderte Straßenverkehrsgesetz nun den Bau von Radwegen erleichtert. Dennoch warnen sie vor den Gefahren für Radfahrer:innen. „Die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Rad­fah­re­r:in­nen ist zwischen 2010 und 2023 um 17 Prozent gestiegen“, sagte Caroline Lodemann, Bundesgeschäftsführerin des ADFC.

Um den Fuß- und Radverkehr sicherer und attraktiver zu machen, fordert Lodemann für innerörtliche Straßen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Kilometern pro Stunde.

Die Bewertung der Verbände in Sachen Elektromobilität fällt gemischt aus. Trotz des Ausbaus der Ladeinfrastruktur ist bislang lediglich rund ein Zehntel der für 2030 vorgesehenen 15 Millionen E-Autos erreicht. Den noch gut ein Jahr regierenden Ampelparteien legen die drei Verbände einen „verkehrspolitischen Endspurt“ nahe.

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4 Kommentare

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  • Elektromobilität wird ausgebremst durch den Wegfall der Förderung und durch die Politik der Städte, die sich gegen alle Autos wendet, nicht nur gegen Verbrenner.

    Der Umstieg auf den ÖPNV und die Bahn ist derzeit eine zeitfressende Qual, es gilt nicht: ÖPNV statt Stau, sondern ÖPNV im Stau. Signalstörungen, Personalmangel, defekte Waggons.

    Das Fahrrad ist für viele keine Alternative. Das Elektrofahrrad ist de facto ein Motorrad ohne Kennzeichen und Abgaben. Motorräder sind die gefährlichsten Verkehrsmittel überhaupt.

    Sprich: Das Auto ist und bleibt erste Wahl, wenn es um flexible, schnelle, leistungsfähige und sichere Mobilität geht.

    • @Gorres:

      "Das Auto ist und bleibt erste Wahl, wenn es um flexible, schnelle, leistungsfähige und sichere Mobilität geht." ... ? ist mir zu pauschal. Ich wohne in einer Großstadt (560000 Einwohner + dicht besiedelte Umgebung; insgesamt irgendwas zwischen 900.000 und 1.000.000 Einwohner). In der Stadt selber kann man das Auto getrost stehen lassen, weil effiktiv selten schneller als der ÖPNV. Wer ins Umland will, kann aber durchaus auch auf brauchbare ÖPNV-Verbindungen zurückgreifen. Oft ist man da mit dem Auto zwar schneller, aber in Zeiten des Deutschlandtickets fährt man mit dem ÖPNV deutlich günstiger. Und wenn's 20 Minuten länger dauert, diskutiere ich da auch nicht herum, ist aber wie so vieles Ansichtssache.



      Und die Förderung der Elektromobilität hat lediglich zu unnötig großen, energie- und materialineffizienten, überdimensionierten E-Autos geführt.

      • @hechtmaus:

        Und mir ist es zu pauschal, zu sagen, das Auto seie in Städten überflüssig, es gebe ja Fahrrad und ÖPNV.

        Man sollte bedenken: auch wer sein Auto öfter stehen lässt, braucht einen Parkplatz. Und die werden gerade massiv reduziert.

        Gegen überdimensionale Autos gibt es Möglichkeiten der Zulassungsvorschriften, die nicht genutzt werden. Stattdessen wird Politik gegen alle Autos gemacht, groß, klein, Verbrenner, elektrisch.

  • "Der Bau von Radwegen wurde durch das geänderte Straßenverkehrsgesetz erleichtert"



    Das Bild zeigt keinen Radweg, sondern eine Fahrradstraße.