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Werbekampagne des FinanzministersParteitaktisches Kalkül

Cem-Odos Gueler
Kommentar von Cem-Odos Gueler

Das FDP-geführte Finanzministerium hat kurz vor der EU-Wahl eine Kampagne zur Schuldenbremse bezahlt. Parteichef Lindner steht bekanntlich fürs Sparen.

Hat ein Ausgabenproblem: Bundesfinanzminister Christian Lindner, hier im Wahlkampf mit Parteigenossen aus Brandenburg Foto: Kay Nietfeld/dpa

W as ist da los in den Kommunikationsabteilungen der FDP-geführten Ministerien? Da ist Bettina Stark-Watzinger: Neben der liberalen Bildungsministerin stand auch ihr Pressestab im Fokus von Recherchen zur sogenannten Fördermittelaffäre. Nun soll auch das Kommunikationsteam im Finanzministerium einen Bock geschossen haben, indem es kurz vor der EU-Wahl Anzeigen zur Schuldenbremse schaltete und so womöglich für die FDP Kampagne machte. Neue Recherchen zeigen zudem, dass der Finanzminister und gleichzeitige FDP-Chef Christian Lindner mehr von diesen Plänen in seinem Haus wusste als ursprünglich angenommen.

Die FDP hat eine Form von edginess, also Nervosität, mit der sie klare Kante gegen ihre Koalitionspartner zeigen will, zu ihrer Regierungsmaxime erhoben. Die Liberalen hoffen im Wahlkampf so den Vorwürfen zu ihrer Beteiligung an der Ampelkoalition zu entkommen. Dass mit einer solchen Haltung die Grenzen zwischen Partei- und Regierungsamt verschwimmen können, ist die Gefahr dieses egomanischen Politikstils. Die Kampagnen­arbeit im Finanzministerium ist ein gutes Beispiel dafür.

46.000 Euro verpulverte Lindners Ressort, um mit Hilfe einer externen Werbeagentur für die Schuldenbremse, also für die von ihm propagierte Haushaltsdisziplin, zu werben. Das ist schon Ironie genug für einen Minister, der ständig davon redet, Deutschland habe keine Einnahmen-, sondern Ausgabenprobleme.

Die Schuldenbremse steht massiv unter Druck: Öko­no­m*in­nen mahnen zu mehr Investitionen, um Handel und Produktion zu beleben, Schulen und Brücken wurden über Jahre kaputtgespart. Doch das Finanzministerium hält das Instrument aus dem vorvergangenen Jahrzehnt hoch. Mehr noch: Es wirbt auch noch für diesen Irrweg, auf dem sich die Instandsetzung der Infrastruktur in diesem Land jeden Tag verteuert. Kaum denkbar, dass etwas anderes hinter so einer Kampagne stehen kann als parteitaktisches Kalkül.

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Cem-Odos Gueler
Parlamentsbüro
Berichtet seit 2023 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP und die Union. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Köln, Moskau und London.
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11 Kommentare

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  • Die Anzeigen werben für einen Artikel des Grundgesetzes.

    Dagegen kann man wohl wenig sagen -



    es sei denn, man ist, wie ich, ganz generell gegen PR-Ausgaben von Ministerien und Kanzleramt.

    In der taz habe ich bisher wenig Kritik an solchen Kampagnen gesehen, auch nicht am in der aktuellen Regierung dabei besonders aktiven Gesundheitsminister.

    • @Frauke Z:

      Ich sehe da einen echten Unterschied.

      Bei Covid ging es um rasche Wirkung von Maßnahmen, um rasche Information zu hilfreichen Punkten wie Impfen, Abstand, ...

      Hier sehe ich den volksaufklärerischen Teil so gar nicht. Das ist eherMunitionsbeschaffung in einer schwer haltbaren koalitionsinternen Position.

      Wenn es korrekt war, ok. Wenn nicht, dann nicht. Das wird ja geklärt.

      Ich wäre ansonsten zunächst für wichtigere Artikel des Grundgesetzes: Enteignung, Menschenwürde, Asylrecht, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung, sozialer Rechts- und Bundesstaat, ...

      Die alte Regelung im Grundgesetz war besser, weil sie genau Investitionen verlangte und dafür Kredite ermöglichte.

      • @Janix:

        Das Grundgesetz wird m.W. von einer 2/3-Mehrheit geändert. Und solange das nicht passiert, steht die Schuldenbremse in der Verfassung, gehört also zu den unmittelbaren Verfassungsaufgaben des Bundesministers der Finanzen.

        Hierzu gehört auch Aufklärung über die Sach- und Rechtslage. Vielleicht könnten ja auch ein paar koalitionsinterne Akteure von ein bißchen Information profitieren.

        Vielleicht wäre dann die Position, dass man nicht dauerhaft mehr ausgeben kann, als man einnimmt, auch koalitionsintern nicht so schwer haltbar, weil die Leute vernünftig werden und die Löcher in ihren Händen zuknäufeln.

        Da wären 46.000 Euro doch gar nicht so übel angelegt.

  • "46.000 Euro verpulverte Lindners Ressort, um mit Hilfe einer externen Werbeagentur für die Schuldenbremse, also für die von ihm propagierte Haushaltsdisziplin, zu werben."

    Angesichts der usagbaren Hetze gegen Asylanten und Bürgergeldempfänger bin ich dazu übergegangen, in einer anderen Währung als Euro zu denken.

    Danach muss es hier statt 46.000€ heißen: sie haben 92 Bürgergeldmonate oder knapp 8 Bürgergeldjahre verpulvert. D.h. ein Bürgergeldempfänger könnte/müsste davon 8 Jahre lang leben.

  • Das Problem ist doch, dass dir FDP die gesamte Regierung handlungsunfähig macht. Wir sollten uns nicht davon ablenken lassen. Schon gar nicht mit solchen Lappalien.

    Wenn Ausgabe rechtswidrig war, sollte sie vor Gericht kommen. Bei dieser Frage zählt, ob das Geld korrekt verwendet wurde.

    Was nicht zählt ist die Frage, ob hier für die Einhaltung, Änderung oder Abschaffung eines Teils der Verfassung geworben wurde. All das ist in einer Demokratie zulässig.

    • @Jörg Schubert:

      Ach Gottchen, wann wird denn mal jemand aus dem Parlament für eine Rechtswidrigkeit bestraft? Steht im Grundgesetz etwa was von der Gleicheit vor dem Gesetz? Nö, also. Oder doch?

      Die Strafen für Rechtsverstöße von PolitkerInnen sind Vollalimentierung im Alter und/oder lukrative Posten in der Wirtschaft.



      Zahlen oder in den Knast müssen nur wir, die Untertanen.

  • Mit *Staatsmitteln* haben die das bezahlt? Also mit meinem Steuergeld? Parteipolitik propagiert? Dürfen die das???? Kann man sie dafür nicht belangen?

    • @miri:

      Sie haben den Witz nicht verstanden. Steuergelder sind es sowieso immer, die verschwendet werden. Der Witz ist, dass sie hier wegen des "Sparens" verschwendet wurden.

  • Ihr Ernst, Herr Güler? Ein Ministerium gibt tatsächlich Geld aus, um Öffentlichkeitsarbeit für seine verfassungsmäßigen Aufgaben zu machen? Und dann auch noch ein Riesenbetrag von 46.000 Euro, also bummelig sogar ein gutes Drittel dessen, was offenkundig sparsamere Ministerien für die Dienste einer Visagistin an ihrer Ministerin veranschlagen...

    Welch ein Skandal?!

    Oder liegt es eher daran, dass Sie einfach glauben "Hihi, der Lindner, der redet ja immer vom Sparen, jetzt habe ich ihn dabei erwischt, dass er mal etwas Geld ausgibt, ist ja egal, dass die Schuldenbremse in der Verfassung steht."?

    Ja, zum politischen Diskurs gehört auch, dass man über die Schuldenbremse diskutiert und streitet, sie kritisiert und diskutiert. Aber dazu zählt eben auch, dass man sie als Bestandteil des Verfassungsrechts befürworten und darüber informieren darf.

    Würden Sie so etwas auch schreiben, wenn das Bundesministerium des Innern Geld für eine Kampagne zur Information über einen Einzelaspekt der Inneren Sicherheit ausgibt? Oder wenn das Bundesgesundheitsministerium eine Kampagne für Organspenden finanziert?

    Ich glaube, Sie betreiben hier eher ideologischen Wahlkampf als das BMF es tat.

  • Das ist eben _nicht Sparen, was Lindner macht.



    Weder für die Kampagne.



    Weder für den Etat, wo immer noch für Fossil und anderes Umweltschädliche rausgehauen wird.



    Weder auf das Umweltkonto.



    Noch ökonomisch, wo eine Kombination aus überfälliger Rückkehr zu faireren Steuern auch wieder für die Schwerreichen und dringenden Investitionen angesagt wäre.

    • @Janix:

      Nein!

      Das, was sie da schreiben, ist viel zu weit gefasst. Die FDP interessiert sich ausschließlich für Leute, die einen Porsche haben, oder einen wollen. Dafür muss man nur ein bisschen Reich sein.

      /Satiremodus aus - andere können das wohl besser ;-)