piwik no script img

Nazi-Parolen zu „L’amour toujours“„Ausländer raus“ ist keine Straftat

Die Staatsanwaltschaft Hannover stellt Ermittlungen nach rassistischen Parolen auf einem Schützenfest ein. Es sei nicht zum Hass aufgestachelt worden.

Sorgte für die größte Empörung und zu einer Demo gegen Rechts: Nazi-Parolen auf Sylt Foto: dpa

Hamburg taz | Nicht zwingend volksverhetzend ist es, wenn „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ zum Partylied „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino gegrölt wird. Zu diesem Schluss kommt nun die Staatsanwaltschaft Hannover in einem Fall: Die Ermittlungen wegen eines publik gewordenen Vorfalls auf einem Schützenfest im nahegelegenen Kleinburgwedel hat sie nun eingestellt, wie zuerst die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete.

Es hätten sich „keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass zum Hass gegen Ausländer aufgestachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert“ worden sei, teilt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft mit.

Nachdem Ende Mai gleichlautende Gesänge auf der Nordseeinsel Sylt für bundesweite Empörung gesorgt hatten, wurden bundesweit Hunderte ähnlicher Fälle bekannt. Allein in Niedersachsen zählte das Landeskriminalamt bis Ende Mai 28 Fälle, bundesweit waren es dem Redaktionsnetzwerk Deutschland zufolge mehr als 650 Fälle.

In Kleinburgwedel sollen die Parolen Mitte Mai gegrölt worden sein, anschließend machte eine Videoaufnahme davon die Runde. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschat hätten nun ergeben, dass in diesem Fall aber der öffentliche Frieden nicht gestört worden sei. Es habe sich lediglich – und damit strafrechtlich irrelevant – um eine Kundgabe bloßer Ablehnung und Verachtung gehandelt. Weil die Staatsanwaltschaft auf Basis des Videos keinen Straftatbestand erkennen konnte, habe sie auch nicht die auf dem Video grölenden Personen ermittelt.

In Oldenburg wurde Anklage erhoben

Die Staatsanwaltschaft Hannover folgt damit früheren Entscheidungen höchster Gerichte. Um eine strafbare Volksverhetzung anzunehmen, so etwa urteilte das Bundesverfassungsgericht 2010 in einem ähnlich gelagerten Fall, müssen weitere Begleitumstände hinzutreten, etwa die Verwendung von NS-Kennzeichen.

Zugleich haben andere Staatsanwaltschaften anders reagiert: So müssen sich zwei Jugendliche aus dem Kreis Cloppenburg wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten, im Juli hatte die Staatsanwaltschaft Oldenburg Anklage erhoben. Die Angeklagten hatten ebenfalls auf einem Schützenfest in Löningen-Bunnen dieselbe Parole zum selben Lied skandiert. Auch dieser Fall wurde bekannt, weil Ausschnitte des Vorfalls in einem Video aufgenommen und über soziale Medien verbreitet wurden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Nicht nachvollziehbar! Was wäre geurteilt worden, wenn man gegrölt hätte: "Saarländer raus"?

    • @Ulrich Haussmann:

      Was ich für die Pfalz nicht ausschlösse.

      Man müsste eigentlich nun in die längere Begründung gehen.







      Gefühlt gehören sich solche Grölereien nicht nur nicht, sie sind auch jenseits der Schwelle.

    • @Ulrich Haussmann:

      Woanders rufen sie: Touristen raus.



      Auch das ist okay.

      • @Ernie:

        "Touristen, bleibt bitte daheim", wäre netter.



        Touristen sind keine "rassische" Gruppe.



        Ich habe nichts gegen Touristen, einige meiner besten Freunde sind Touristen, aber diese Touristen, die sind nicht von hier.



        (Ich hoffe, das Zitat ist noch Allgemeingut)

  • Meines Wissens ist "Ausländer raus, weder eine Nazi-Parole noch rassistisch, wie von der TAZ behauptet.

    Das ist wichtig zu Wissen, um zu verstehen, warum die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hat und die Parole unter Meinungsäußerung fällt.

    Das die Rufe von betrunkenen Menschen andere verunsichern oder wütend machen (meine Frau stammt aus Haiphong) steht auf einem anderen Blatt.

    • @Jörg Radestock:

      Neonazi. Das Original rief: "Juden".

      Die Kombination mit "Deutschland den Deutschen" gehört auch noch dazu

    • @Jörg Radestock:

      Rassistisch oder nicht, ist für die Frage der Volksverhetzung belanglos. Sobald sich die Hetze gegen einen Teil der Bevölkerung richtet, die als Gruppe nicht bloß eine Einbildung des Täters, also an Merkmalen differenzierbar ist, wird sie strafbar. (z.B. in der BRD lebende Ausländer; nicht aber: das Weltjudentum)



      .



      Hetze ist auch der Aufruf zu Willkürmaßnahmen. Willkürlich entscheiden bedeutet, ohne oder gegen sachliche Gründe, Rechtspositionen zu übergehen; oder nur eigene Interessen zu berücksichtigen. Massenhafte Landesverweise, die sich mit Aufenthaltsrechten nicht aufhalten (Asylrecht, EU Grundrecht auf Freizügigkeit, andere Bleiberechte, …), gehören selbstverständlich dazu.



      .



      Strafbar ist die Hetze nur als Aufforderung, nicht als bloßes Befürworten. Der Täter muss wollen, dass die Aufforderung ernst genommen wird. Und hier liegt vermutlich die Entscheidung begründet.

    • @Jörg Radestock:

      Ausländer raus ist nicht rassistisch? Was für ein Blödsinn.

      • @Andreas J:

        Ich weiß aus eigener Erfahrung was Rassismus bedeutet. "Ausländer" ist ein rechtlicher Status und keine "Rasse". Hier fehlt der Bezug zu biologischen Merkmalen.

        • @Jörg Radestock:

          Genau und "Kanacke" heißt ja auch nur Mensch. "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" soll nun genau was außer Rassismus sein? Warum werten es dann andere Staatsanwaltschaften sehr wohl als Rassismus? Rassismus beschränkt sich nicht auf den Begriff "Rasse" den es bei Menschen wissenschaftlich begründet überhaupt nicht gibt. Es geht um Herkunft, Hautfarbe, Namen, Religion, Sprache usw. Als nach ihrer Aussage Betroffener sollten sie das eigentlich wissen.

      • @Andreas J:

        Nee, Blödsinn ist es eben nicht. Sieht die Staatsanwaltschaft in Hannover auch so. Wem das nicht schmeckt, kann ja klagen.

        • @Ernie:

          Aha, also die Staatsanwaltschaften befinden darüber was Rassismus ist und was nicht, mal abgesehen davon das andere Staatsanwaltschaften es sehr wohl als rassistisch einstufen, was auch im Text steht. Viele Deutsche fangen ja schon an zu weinen und jammern von Anti-Deutschen Rassismus wenn man sie Kartoffel nennt.

          • @Andreas J:

            Ihr Beider Streit ist ja geradezu symptomatisch. Statt Ihre Puzzlestücke zusammenzulegen, streiten Sie wer von Ihnen die Richtigen hat.

            In der Folge rauschen Sie gemeinsam voll am Thema vorbei.

            • @THu:

              Bei "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" gibt es hinsichtlich Rassismus was genau zu diskutieren?



              Klären sie mich auf, was ist den das Thema?

  • Vor Gericht und auf hoher See ...



    Das ist durchaus auch okay so.

  • "Die Erde den Menschen. Nazi, halt's Maul!"



    Nicht höflich und auch ein wenig anthropozentrisch, aber man kann ja dies oder anderes laut darüberrufen. Wenn man in solchen Ecken denn überhaupt ist.

    • @Janix:

      "Deutschland den Menschen, Faschos geht duschen"