Grundrecht auf Meinungsfreiheit: "Ausländer Raus" allein nicht strafbar
"Ausländer-Raus"-Parolen alleine verletzen nicht die Menschenwürde und sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
KARLSRUHE epd | "Ausländer-Raus"-Parolen alleine verletzen nicht die Menschenwürde und sind vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in drei am Freitag bekanntgegebenen Beschlüssen.
Werde in den Parolen allerdings Menschen das Lebensrecht abgesprochen oder Ausländern pauschal "sozial unerträgliche Verhaltensweisen oder Eigenschaften" zugesprochen, könne von einer Menschenwürdeverletzung ausgegangen werden, erklärten die Richter.
In den verhandelten Fällen hatten sich Mitglieder des Vereins "Augsburger Bündnis - Nationale Opposition" gegen eine Verurteilung wegen Volksverhetzung gewandt. Sie hatten im Juni 2002 großformatige Plakate mit der Aufschrift aufgehängt: "Aktion Ausländer-Rück-Führung, Aktionswochen 3. Juni - 17. Juni 2002, Für ein lebenswertes deutsches Augsburg, Augsburger Bündnis - Nationale Opposition".
Sowohl das zuständige Landgericht als auch das Bayerische Oberste Landgericht sahen damit den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt und verhängten Geldstrafen. Die Menschenwürde werde mit der Aufforderung verletzt.
Die Karlsruher Richter folgten dieser Entscheidung nicht. Aus dem Plakat-Text allein werde zwar deutlich, dass die Vereinsmitglieder Ausländer "rückführen" wollten. "Der Umfang und die Mittel, ob nun beispielsweise durch Anreiz oder Zwang, werden nicht benannt", so die Erste Kammer des Ersten Senats in ihren am 4. Februar gefällten Entscheidungen. Dem Plakat sei nicht zu entnehmen, dass Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht werden sollen. Der Plakattext sei daher nicht als "Menschenwürdeverletzung zu qualifizieren".
Grundsätzlich müsse zwar das Grundrecht der Meinungsfreiheit vor dem Grundrecht der Menschenwürde zurücktreten, Gerichte müssten dies dann aber besonders sorgfältig begründen und die Hintergründe erfassen, so die Richter. Dies sei in den verhandelten Fällen nicht geschehen.
(Az: 1 BvR 369/09, 1 BvR 370/04, 1 BvR 371/04)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett