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Nachruf auf Christoph DaumDer Mann, der glühte

Christoph Daum ist tot. Als Trainer war er streitbar und nahbar, hat viele Fehler gemacht und eingeräumt. Den Frieden hätte er gern länger genossen.

Daum glühte, seine Worte gingen ins Mark – hier beim 1. FC Köln Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Die Erkenntnis, dass Xabi Alonso über geniale Fähigkeiten verfügt, ist keine ganz neue, aber als an diesem Sonntag die Nachricht von Christoph Daums Tod öffentlich wurde, wurde noch einmal gut sichtbar, wie weitsichtig der Meistertrainer von Bayer Leverkusen ist. Alonso hatte unmittelbar nach dem Gewinn des Bundesligatitels im April explizit auch den früheren Trainer Daum als Mitwirkenden genannt. Jenen Christoph Daum, der jahrzehntelang eines der prägenden Gesichter des Leverkusener Vizekusen-Traumas war, das nun überwunden ist. Daum ist das unter die Haut gegangen, es war ein Trost für den schwer an Lungenkrebs erkrankten Mann, dass er die Verwandlung der Werkself in eine Gewinnermannschaft noch miterleben konnte. Mit seinem Sohn Marcel als Teil des Trainerstabes.

Im Mai beim Pokalfinale feierte er das Double mit Bayer 04, nun hat die Bundesliga einen Mann verloren, der streitbar war, nicht immer ganz ehrlich, aber auf eine erfreuliche Art auch nahbar. Der wie kaum ein anderer Mensch sowohl die faszinierenden Seiten des Fußballs verkörperte als auch seine Abgründe. „Als Trainer und Mensch hat er oft polarisiert“, sagte sein langjähriger Wegbegleiter Rudi Völler zum Abschied, aber als Fachmann war er „seiner Zeit in seinen besten Jahren voraus.“

Daum glühte

Daum ließ seine Spieler über Kohlen laufen und Eisenstangen verbiegen, er wurde mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister, gewann Titel in der Türkei und Österreich, wurde als Trainer des 1. FC Köln als „Messias“ gehuldigt. In seinen besten Zeiten spielten seine Teams einen mitreißenden Offensivfußball, Daum glühte, seine Augen flackerten, seine Worte gingen ins Mark. Legendär ist dieses ebenso verstörende wie elektrisierende Rededuell zwischen Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß, Jupp Heynckes und dem damaligen Kölner Trainer Daum im Aktuellen Sportstudio. Die Herren griffen sich auf eine Art und Weise an, wie es im heutigen Fernsehen nicht mehr vorstellbar ist.

Einige Jahre später machte Hoeneß öffentlich, dass Daum Kokain nahm und setzte eine der skurrilsten Episoden der Bundesliga in Gang. Daum ließ sein Haar testen, tauchte nach dem positiven Befund in den USA unter und gab nach seiner Rückkehr eine schrille Pressekonferenz. Aber von den Menschen, die Christoph Daum näherstanden, hat nie jemand dauerhaft schlecht über ihn geredet.

Der in Duisburg als Sohn einer Bergarbeiterfamilie aufgewachsene Daum hat Fehler gemacht, diese aber immer irgendwann eingeräumt und sich entschuldigt. Und seine Frau Angelica ist immer an seiner Seite geblieben, was als Begleiterin in diesem abenteuerlichen Leben wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist. Schon im vergangenen Herbst hat Daum gesagt: „Heute kann ich behaupten, ich habe mit allen meinen Frieden geschlossen.“ Gerne hätte er diesen Frieden gerne noch etwas länger genossen, wie er bis zuletzt immer wieder erzählte. Am Samstag ist er im Alter von 70 Jahren in Köln gestorben.

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3 Kommentare

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  • Er hätte Bundestrainer werden können, um unsterblich zu werden.

  • Daum war einer der wenigen wirkliche Typen in diesem Geschäft, der selbstverständlich die Bayern herausforderte, der Rabatz und Unterhaltung versprach.

    Dazu hat er die Mannschaften, die er trainierte, meistens besser gemacht. Ein starker Trainer und ein sympathischer Mensch.

  • Gedenken wir einer Trainer-Legende!



    Ruhen Sie in Frieden, Christoph Daum!