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Bau einer TSMC-Fabrik bei DresdenSilizium-Schutzschild mit Löchern

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Auf den ersten Blick ist die Mikrochip-Fabrik von TSMC in Sachsen ein Coup. Aber für Taiwan ist die Diversifizierung eine gefährliche Strategie.

TSMC produziert auch in China: Fabrikhallen von TSMC in Nanjing Foto: NurPhoto/imago

F ür den Wirtschaftsstandort in Sachsen ist der Bau des TSMC-Werks zweifelsohne ein Grund zum Feiern, doch in Taiwan, der Heimat des Mikrochip-Giganten, ist das Thema in den Tageszeitungen bestenfalls nur eine Randnotiz. In ihrem Alltag sind die 23 Millionen Inselbewohner mit ganz anderen Themen beschäftigt; und überhaupt ist die Fabrik in Ostdeutschland nur eine von vielen: TSMC expandiert in die USA, nach Japan und auch nach China.

Auf den ersten Blick ist die deutsch-taiwanische Wirtschaftskooperation eine klassische Win-win-Situation: Die Bundesregierung kann kurz vor den Landtagswahlen ein Zeichen setzen, dass sie die ostdeutschen Bundesländer nicht vergessen hat – das ist ihr in diesem Fall auch 5 Milliarden Euro an Subventionen wert.

Und TSMC kann seine Präsenz auf dem europäischen Markt ausweiten und neue Fachkräfte anwerben. Zudem hat der Deal auch eine Signalwirkung: Taiwan präsentiert sich als attraktiver Handelspartner – und wirbt damit auch politisch um jene Solidarität, die es so dringend benötigt.

Ein zweischneidiges Schwert

Dennoch ist die Diversifizierung von TSMC auf lange Sicht ein zweischneidiges Schwert. Um das zu verstehen, muss man die Theorie des „Silizium-Schutzschildes“ kennen: Nicht wenige Experten gehen davon aus, dass Taiwan vor allem aufgrund seiner krassen Marktdominanz bei hochkomplexen Halbleitern eine wirtschaftliche Abhängigkeit geschaffen hat, welche auch abschreckend auf die chinesische Volksbefreiungsarmee wirkt. Peking hat weniger Anreize, Taiwan einzunehmen, weil eine Invasion der eigenen Wirtschaft immens schaden würde.

Je mehr allerdings TSMC seine Produktion in andere Länder verlagert, ja aufgrund des internationalen Drucks verlagern muss, desto löchriger wird der unsichtbare Schutzschild Taiwans. Der Inselstaat muss also allein schon aus Eigeninteresse jene Abhängigkeit aufrechterhalten, die der Westen aus ökonomischem Interesse vermeiden möchte. Anders ausgedrückt: Die Kosten, die China für einen Krieg zahlen müsste, würden mit jeder weiteren Fabrik im Ausland sinken.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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11 Kommentare

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  • MSC produziert die extrem leistungsfähigen Semiconductor weiterhin nur (!) in Taiwan. Das ist integraler Bestandteil der Firmenpolitik, die im Einklang mit der Regierung der freiheitlichsten und vielfältigsten Demokratie Ostasiens steht.

    Der "digital shield" ist quasi die Lebensversicherung Taiwans. China ist nach wie vor als Käufer auf diese Top-Notch-Halbleiter angewiesen. Die geplante Invasion ist aktuell damit noch (aber nur für ein paar Jahre) ein zu großes Risiko für das imperialistisch-faschistoide Xi-Regime.

    Derweil bedrohen die Chinesen Taiwan täglich weiter mit asymmetrischer Kriegsführung:

    Hochrüstung, Cyberwarattacken, Blockadeübungen überall um Taiwan herum, junge nach gut bezahlten Jobs suchende Taiwaner abwerben für's Festland (um Braindrain zu erzeugen), psychologische Kriegsführung & Propaganda über TV-Sender in Taiwan (die zuvor von Festlandsunternehmen aufgekauft wurden) Spionage / Infiltrierung des taiwanischen Militärs mit Agenten, Instrumentalisierung der beiden Oppositionspartrien KMT (die alte nationalistische Kuomintang hat sich zu einem AfD-artigen U-Boot, hier für VRChina gewandelt), bei der TPP wird ebenso Ausverkaufspolitk an China betrieben.

  • Ich hätte da mal ein Verständnissproblem bzgl. dieses"Unabhängiger machen von einzelnen Bezugsquellen".

    Werden nicht seltene Erden benötigt um die Chips zu produzieren? Wo kommen die denn oftmals so her?

    Und wer oder was zwingt eigentlich TSMC die in Deutschland produzierten Chips auch an die Nachfrage deutscher Unternehmen zu verkaufen? (insbesondere sollten Unternehmen in anderen Ländern deutlich mehr bieten?) Oder wurde die Planwirtschaft eingeführt? Wäre mir jedenfalls neu.

    Erinnert sich eigentlich noch jemand an Nokia?

  • Mit Diversifizierung der Standorte kann Taiwan länger durchhalten, z.B. auch im Fall einer Blockade, als wenn westliche Politiker sagen würden "wegen der Chips müssen wie Taiwan jetzt nahelegen, aufzugeben."

  • Diese Fabrik und die mit 10 weiteren Milliarden Bestechungsgeldern finanzierte von Intel sind mit dem Gegenwert der Kindergrundsicherung erkauft worden. Wollte nur mal daran erinnern, wofür so alle Geld da ist (für wenige stinkreiche Megakonzerne) und wofür nicht (Millionen arme Kinder in der Deutschland).

    Und abhängig sind wir also jetzt nicht mehr vom Ausland? Ein amerikanischer und ein taiwanesischer Konzern?

    Aber Know How made in Germany gibt es dank unserer Bildungspolitik, die die Schulen verkommen lässt und die guten WissenschaftlerInnen mit einem absurden Stellensystem an den Unis vertreibt.

    Wenn man sich die Ahnengalerie der BildungsminsterInnen anschaut, erinnert einen das in punkto Kompetenz schon an die Ahnengalerie der Verkehrsminister.

    • @Jalella:

      Diverse ausländische Konzerne sind in Deutschland investiert, gerade das spricht doch für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wohin Autarkie und ein entsprechend investitionsfeindliches Klima führt, kann man an diversen (auch vergangenen Staaten) sehen: zu mehr Wohlstand auf keinen Fall.

      Stichwort Subventionen: 5 Mrd Euro sind sehr viel, aber ein Aufrechnen gegen die Kindergrundsicherung ist nonsens. Zum einen fließen die 5 Mrd Euro nur einmal, zum anderen generiert die neue Fabrik auch Arbeitsplätze, Lohn- und Steueraufkommen, im besten Fall dauerhaft. Die Kindergrundsicherung kann man dann ja immer noch ein Jahr später starten ;-)

    • @Jalella:

      Genauer gesagt: Der Gegenwert von einem Jahr Kindergrundsicherung, für den Teil der Kinder, deren Eltern entsprechend wenig verdienen.

      Ich will damit die Chipfabriken nicht beschönigen, aber immerhin werden sie mehrere Jahre betrieben. Und außerdem sind schon hundert alternative Verwendungen etwaiger Staatsgelder angemeldet worden.

  • Das Argument kontra Diversifizierung könnte stimmen, wenn in Dresden und anderen Standorten die modernsten Chips hergestellt werden würden, aber in den USA, die bekanntlich viel mehr Druck auf Taiwan ausüben können, werden auch nicht die neuesten Chips hergestellt. Warum das anders in Deutschland sein sollte erschließt sich mir nicht. Aber vielleicht weiß der Autor ja mehr.

    • @Okti:

      Normalerweise stellen die neuesten Fabriken auch die modernsten Produkte her.

      • @meerwind7:

        Normalerweise gilt bei kritischer Infrastruktur so gut wie nie, außer Sie reden über die unfähige Politik in Deutschland.

        "But the plant [in Arizona] has neither the scale nor the technological level of TSMC’s newest fabs — in Taiwan, the company is building a fab for N2 chips, the newest generation of chips that is expected to follow the N3 one about to go into mass production."

        www.ft.com/content...-b6c9-8082fd735aa0

  • Vermutlich ist es gerade anders rum. Die Expansion von TMSC außerhalb Taiwans basiert auf der Erkenntnis, dass Taiwan in nicht allzu ferner Zukunft von der Volksrepublik eingenommen werden würde. Das Interesse der Volksrepublik an Taiwan besteht gerade in den Hightech Unternehmen. Wenn diese morgen an ihren Auslandsstandorten weiter entwickeln und produzieren können wird Taiwan uninteressant.

  • "Peking hat weniger Anreize, Taiwan einzunehmen, weil eine Invasion der eigenen Wirtschaft immens schaden würde."

    Eine Invasion würde unabhängig von Taiwan als alleinigem Zuliefererland auch bei anderen Ländern in die diversifiziert wird, zu einem Lieferstopp nach China führen.

    Viel wichtiger ist aber dass die Fertigung nicht auf ein Land konzentriert ist.

    Die Diversifizierungschancen sollten die Risiken deutlich überwiegen.