Rückzüge an der Linken-Spitze: Der Wandel war zu rabiat
Die Linkspartei ist existenziell gefährdet. Die Chefs Wissler und Schirdewan sind damit gescheitert, die überalterte Partei für Junge zu öffnen.
D ass Martin Schirdewan und Janine Wissler auf den ChefInnen-Job bei der Linken verzichten, ist eine der wenigen guten Nachrichten für die Linkspartei. Sie leidet seit Langem unter einem Hang zu frei drehendem selbstzerstörerischem Streit. Die Machtkämpfe wurden immer unerbittlicher, während der Einfluss der Partei schrumpfte und schrumpfte. Das ist die Logik einer Sekte. Ob der Rückzug der ChefInnen den bitter nötigen innerparteilichen Kulturwandel – mehr Solidarität, weniger Narzissmus – nachhaltig beflügelt, ist eher zu bezweifeln.
Die Linkspartei ist existenziell gefährdet. Ihr fehlt attraktives Personal ebenso wie eine zündende neue Idee. Die Rollen als SPD-Kritikerin und Vertretung des Ostens sind überholt. Die Abspaltung von Sahra Wagenknecht war unvermeidlich. Aber das BSW verfinsterte die ohnehin bescheidenen Wahlaussichten der Partei im Osten dramatisch.
Diese Misere geht auch auf das Konto von Wissler und Schirdewan. Vor allem im Osten ist der Generationswechsel misslungen. Der Wandel von einer etwas langweiligen, behäbigen, überalterten Partei zu einer Regenbogenpartei, die junge, woke Milieus in urbanen Zentren adressierte, war zu kühn, zu rabiat. Die Volkssolidarität-Welt in der ostdeutschen Provinz verbindet wenig mit radikalen Refugees-Welcome-AktivistInnen und Klimaklebern in Berlin und Leipzig.
„Warte nicht auf bessere Zeiten“
Mag sein, dass dieser Bruch schwierig zu moderieren war. Schirdewan und Wissler haben ihn zu wenig begriffen. Sie machten mit Carola Rackete eine Flüchtlingsaktivistin mit sehr viel Sendungsbewusstsein und sehr wenig politischem Verstand zur Spitzenkandidatin für die Europawahl. Das war eine fast komische Verwechselung: Ein verknöcherter Parteiapparat versuchte mit der Vitaminspritze einer Bewegung eine Revitalisierung – und übersah, dass diese Bewegung auch nur Restverwaltung war. Dass Gerhard Trabert den Sprung ins EU-Parlament verpasste, war eine tragische Farce. Er verkörpert den Spirit der Linken – soziale Gerechtigkeit und Caritas – mehr als Rackete.
Aber um die Krise der GenossInnen zu verstehen, muss man neben hausgemachten Fehlern auch den Rahmen sehen, in dem sich linke Politik bewegt: Wir erleben eine globale Rechtsentwicklung. Viele halten Bürgergeldempfänger und Solidarität mit der Ukraine, MigrantInnen und den Ökoumbau der Gesellschaft für schlimme Übel – und nicht Ungleichheit und niedrige Löhne. Da ist es schwierig, Debatten von links zu prägen. Das sollte nicht nur Fans der Linkspartei beunruhigen.
Warte nicht auf bessere Zeiten, hat Wolf Biermann einst gesungen. Realistisch gesehen ist das die Perspektive der Linkspartei. Noch da zu sein, wenn sich der Wind wieder dreht.
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